Rz. 971

Das LSG Halle[967] und das Bayerische Landessozialgericht[968] haben entschieden, dass bei einem Betriebsübergang der neue Betriebsinhaber grundsätzlich nicht für Beitragsschulden gem. § 28e SGB IV des Verkäufers in Anspruch genommen werden kann. Zwar gehen nach § 613a BGB bei einem Betriebsübergang die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber über. Diese Regelung sei jedoch nicht auf die Beitragspflichten nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) übertragbar. Auch die Haftungsvorschrift des § 75 AO sei nicht entsprechend anwendbar.

 

Rz. 972

Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001[969] gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über. Dazu hat der EuGH wiederholt entschieden, dass die Richtlinie 2001/23/EG die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten soll, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Die Richtlinie solle so weit wie möglich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form gewährleisten, um eine Verschlechterung der Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs zu verhindern.[970]

 

Rz. 973

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) an die Einzugsstelle zu zahlen. Er hat gem. § 28g S. 1 und S. 2 SGB IV gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, den er ausschließlich im Wege des Abzugs vom Arbeitsentgelt geltend machen kann. Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer.[971] Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand, ohne dass es einer Aufrechnung bedürfte.[972]

 

Rz. 974

Ist ein Arbeitnehmer beim bisherigen Arbeitgeber von der Sozialversicherung befreit gewesen, ohne dass er gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Befreiung hat, kann im Anschluss an einen Betriebsübergang der neue Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wieder der Sozialversicherungspflicht unterwerfe, ohne sich ersatzpflichtig zu machen.[973]

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