Rz. 963

Im Rahmen eines Betriebsübergangs sollen die bisherigen Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer auch beim neuen Inhaber grundsätzlich weiter gelten. Für tariflich geregelte Arbeitsbedingungen hat § 613a Abs. 1 S. 2 BGB allerdings ein differenziertes Regelungsmodell vorgesehen.

 

Rz. 964

Verweist ein Arbeitsvertrag auf die "jeweiligen Tarifverträge" (sog. Verweisungsklausel oder Inbezugnahmeklausel), so ist darin eine Gleichstellungsabrede zu sehen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen soll, ohne die Mitgliedschaft der einzelnen Arbeitnehmer in der Gewerkschaft überprüfen zu müssen, jeweils den Tarifvertrag anwenden zu können, an den er selbst im Sinne des Tarifvertragsrechts gebunden ist.[956]

 

Rz. 965

Geht allerdings ein Betrieb auf einen nicht tariflich gebundenen Arbeitgeber über, kann die arbeitsvertraglich vereinbarte Gleichstellung mit tarifgebundenen Arbeitnehmern inhaltlich nicht ausgefüllt werden. Solange der neue Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist, bleibt die Inbezugnahmeklausel ohne materiellrechtliche Bedeutung.[957] Diese Rechtsprechung kann gerade in Insolvenzverfahren eine hohe praktische Bedeutung erlangen, weil üblicherweise nach den Satzungen der Arbeitgeberverbände das gemeinschuldnerische Unternehmen mit der Insolvenzeröffnung aus dem Arbeitgeberverband ausscheidet.[958]

 

Rz. 966

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH erfolgt wegen der negativen Koalitionsfreiheit des Betriebsübernehmers beim Betriebsübergang keine dynamische Fortgeltung arbeitsvertraglicher Verweisungsklauseln auf Kollektivverträge. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.2.1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist deshalb dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass der Erwerber, der nicht Partei eines den Veräußerer bindenden Kollektivvertrags ist, auf den der Arbeitsvertrag verweist, durch Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden nachfolgen, nicht gebunden ist.[959]

[956] LAG Hamm v. 27.7.1999 – 6 Sa 1602/98, DB 2000, 95, dazu EWiR 2000, 383 (Hottgenroth) zur Problematik bei Mischung von tariflichen und außertariflichen Bedingungen.
[957] BAG v. 4.8.1999 – 5 AZR 642/98, ZIP 1999, 1985, dazu EWiR 1999, 1109 (Thüsing).
[958] Siehe etwa BAG v. 20.11.1997 – 2 AZR 52/97, ZIP 1998, 437, dazu EWiR 1998, 343 (Rombach).
[959] EuGH v. 9.3.2006 – RsC-499/04, BB 2006, 891 = ZIP 2006, 723 m. Anm. Simon/Koch/Halbsguth; dazu EWiR 2006, 507 (Laskawy/Lomb).

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