Rz. 465

Inhaltlich zu berücksichtigen ist zunächst, dass § 1 Abs. 4 KSchG a.F. dem Umstand Rechnung trug, dass die Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nicht mehr nur auf Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten begrenzt war. Vielmehr mussten im Rahmen der Sozialauswahl alle zusätzlichen Sozialdaten, also insbesondere auch

Schwerbehinderung,
Pflege von Angehörigen,
etwaige Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie
Ausbildung und Arbeitsmarktchancen

berücksichtigt werden.[480]

 

Rz. 466

§ 1 Abs. 4 KSchG a.F. eröffnete den dort genannten Sozialpartnern – also insbesondere nach § 95 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat – nicht nur die Möglichkeit, im Rahmen einer der dort genannten Kollektivvereinbarungen festzulegen, wie die einzelnen Sozialdaten im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, also gegeneinander zu gewichten sind. Vielmehr eröffnete § 1 Abs. 4 KSchG a.F. den Beteiligten auch die Möglichkeit, im Rahmen entsprechender Vereinbarungen festzulegen, welche sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG überhaupt im konkreten Fall berücksichtigt werden sollen.

 

Rz. 467

Wie das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 17.3.2000[481] zum früheren Recht deutlich macht, sind die (betrieblichen) Sozialpartner damit in der Lage, aus der Vielzahl der Sozialdaten, die für eine Sozialauswahl in Betracht kommen, einige handhabbare auszuwählen und auf deren Grundlage die Auswahl durchzuführen. Insbesondere war es auch nach früherem Recht damit bereits zulässig, auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung in die Sozialauswahl nur Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung einzubeziehen. Auf eine Einbeziehung sonstiger Gesichtspunkte (z.B. Ausbildung, Arbeitsmarktsituation) konnte dann verzichtet werden. Das LAG Düsseldorf hat es für zulässig gehalten, die Sozialauswahl durch eine solche Vereinbarung auf Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten zu begrenzen, also die Kriterien, die bis zum 31.12.1998 allein maßgeblich waren.

 

Rz. 468

Inwieweit nach der gesetzlichen Festschreibung der Sozialauswahlkriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung aus § 1 Abs. 4 KSchG n.F. seit dem 1.1.2004 noch eine Kompetenz der Sozialpartner abgeleitet werden kann, einzelne Kriterien gänzlich unberücksichtigt zu lassen, ist noch nicht abschließend geklärt.

[480] LAG Düsseldorf v. 17.3.2000 – 9 (6) Sa 84/00, LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 32 = DB 2000, 1572 = NZA-RR 2000, 421 = ZInsO 2001, 92.
[481] LAG Düsseldorf v. 17.3.2000 – 9 (6) Sa 84/00, LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 32 = DB 2000, 1572 = NZA-RR 2000, 421 = ZInsO 2001, 92.

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