Rz. 908

Nach § 613a Abs. 6 BGB n.F. kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gem. Abs. 5 schriftlich widersprechen. Damit wird das schon zuvor richterrechtlich entwickelte und in der Literatur weitestgehend anerkannte Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gesetzlich festgeschrieben.

 

Rz. 909

 

Hinweis

Allerdings besteht grundsätzlich kein Widerspruchsrecht bei gesetzlich angeordnetem Übergang eines Arbeitsverhältnisses.[908]

 

Rz. 910

Da in § 324 UmwG n.F. auch ein Verweis auf § 613a Abs. 6 BGB eingefügt worden ist, wird ebenfalls gesetzlich anerkannt, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich auch im Falle des sich im Wege der Umwandlung vollziehenden Betriebsübergangs dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen kann. Dies entspricht der schon bisher in der Literatur vertretenen und durch das BAG im Jahre 2000 anerkannten Auffassung.[909]

 

Rz. 911

Während beim Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB dem Arbeitnehmer ein freies Widerspruchsrecht gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zusteht, ist dies bei der Umwandlung nur eingeschränkt möglich bzw. sinnvoll bzw. bei bestimmten Umwandlungsvorgängen zweifelhaft.

 

Rz. 912

Das Widerspruchsrecht ist aber dann problematisch, wenn der übertragende Rechtsträger mit der Umwandlung aufgelöst wird. Ob bei der Verschmelzung ein solches Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer überhaupt besteht, war daher bislang umstritten, da im Rahmen der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger, also der bisherige Arbeitgeber, ohne Liquidation erlischt und damit wegfällt. Das Widerspruchsrecht ginge also möglicherweise ins Leere. Wer sollte beim Untergang des übertragenden Rechtsträgers später kündigen und wer sollte die Ansprüche erfüllen? Hier wurde auch vertreten, dass in dem Widerspruch des Arbeitnehmers eine fristlose Eigenkündigung liege (§§ 133, 157 BGB).

 

Rz. 913

Eine andere Wertung ergibt sich, wenn man insoweit § 25 Abs. 2 UmwG für anwendbar ansieht, wonach die "Fiktion des Fortbestehens" des übertragenden Rechtsträgers einschlägig ist und zum Erfordernis einer Abwicklung mit entsprechender Haftung des übernehmenden Rechtsträgers führen kann. Ein Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses würde also ggf. dazu führen, dass Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers gegen den eigentlich durch die Verschmelzung erlöschenden oder schon erloschenen übertragenden Rechtsträger begründet und im Rahmen einer Abwicklung befriedigt werden müssten.

 

Rz. 914

Ferner könnten so bei einem kollektiven Widerspruch einer Vielzahl von Arbeitnehmern ggf. auch noch ein Interessenausgleich und ein Sozialplan dort erzwungen werden. Ein kollektiver, gleichlautender Widerspruch einer Mehrzahl von betroffenen Arbeitnehmern gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse ist nicht ohne Weiteres unzulässig bzw. unwirksam. Allerdings kommt insoweit eine Missbrauchskontrolle hinsichtlich etwaiger unlauterer Zwecke in Betracht.[910]

 

Rz. 915

Das BAG hat aber inzwischen zur Frage des Widerspruchsrechts bei einem Untergang des bisherigen Arbeitgeberunternehmens entschieden: Ein Arbeitnehmer kann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf ein anderes Unternehmen im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge nicht widersprechen, wenn der bisherige Arbeitgeber im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge erlischt. Das hat das BAG für den Fall einer Umstrukturierung im Wege des sog. Anwachsungsmodells entschieden.[911] Der Kläger war bei einer GmbH & Co. KG beschäftigt. Ihr gesamtes Vermögen war durch Ausscheiden aller Mitgesellschafter auf die Komplementär-GmbH übergegangen, diese trat somit die gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge der GmbH & Co. KG an, so dass die GmbH & Co. KG erlosch. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH zunächst, hielt aber später diesen Widerspruch für unwirksam und beantragte die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der GmbH. Das BAG stellte fest, dass zwischen dem Kläger und der GmbH ein Arbeitsverhältnis bestehe. Sein Arbeitsverhältnis sei infolge der Gesamtrechtsnachfolge auf diese Gesellschaft übergegangen. Dem stehe auch nicht der vom Kläger erklärte Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH entgegen. Der vom Kläger erklärte Widerspruch sei nämlich unwirksam, weil der Kläger nicht gem. § 613a Abs. 6 BGB habe widersprechen können. Ein solcher Widerspruch sei nämlich nicht möglich, wenn der bisherige Arbeitgeber durch die gesellschaftsrechtliche Gestaltung erloschen sei.

 

Rz. 916

Auch wenn diese Entscheidung nicht unmittelbar den Übergang von Arbeitsverhältnissen infolge einer Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz betrifft, wird mit der Entscheidung doch eine lange offene Fragestellung geklärt. Bislang bestand keine Einigkeit darüber, welche Folge ein Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses hat, wenn ein Arbeitsverhältnis infolge einer Verschmelzung auf einen anderen Arbe...

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