Rz. 321

Gem. § 113 Abs. 1 S. 3 InsO kann der Arbeitnehmer aber den aus der vorzeitigen Beendigung resultierenden Schaden (sog. Verfrühungsschaden) als Insolvenzgläubiger geltend machen, allerdings unter Anrechnung anderweitig erzielten oder erzielbaren Verdienstes.[342] Das gilt aber nicht für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit dem Insolvenzverwalter einen Aufhebungsvertrag abschließt.[343]

 

Rz. 322

Gemäß § 113 S. 3 InsO ist der dem Arbeitnehmer durch die vorzeitige Kündigung des Insolvenzverwalters nach § 113 S. 1 und 2 InsO entstandene Schaden zu ersetzen. Im Falle vereinbarter Unkündbarkeit ist dieser Schadensersatzanspruch als Verfrühungsschaden auf die ohne die vereinbarte Unkündbarkeit maßgebliche längste ordentliche Kündigungsfrist beschränkt.[344]

 

Rz. 323

Andere Nachteile wegen der Kündigung in der Insolvenz sind nicht ersetzbar, insbesondere nicht der Nachteil durch den eventuell früher endenden Bezugszeitraum für Arbeitslosengeld I. Gegenstand des Ersatzanspruchs aus § 113 S. 3 InsO ist die Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeitspanne, um die sich das Arbeitsverhältnis in Folge der vorzeitigen Kündigung durch den Insolvenzverwalter verkürzt hat. Auf diesen Schadensersatzanspruch hat sich der Arbeitnehmer im Wege der Vorteilsausgleichung das anrechnen zu lassen, was er in einem neuen Arbeitsverhältnis oder in anderer Weise durch seine freigewordene Arbeitskraft erwirbt oder aber (Rechtsgedanke der §§ 615 S. 2, 254 Abs. 2 S. 1 BGB) zu erwerben böswillig unterlässt. Anrechnen lassen muss sich der Arbeitnehmer auch ersatzweise bezogene Sozialleistungen, insbesondere Arbeitslosengeld.[345]

 

Rz. 324

Einen weitergehenden Schadensersatzanspruch hat er nicht. Nach Sinn und Zweck des § 113 S. 3 InsO ist der Schaden auf die Höhe des Verdienstaufalls begrenzt, der in den betreffenden Monaten angefallen ist. Es geht um den Ersatz des Schadens allein wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Keinen Schadensersatzanspruch hat der Arbeitnehmer wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes an sich. Irgendwelche weiteren Nachteile, die der Arbeitnehmer erleidet, gerade weil wegen der Insolvenz gekündigt wurde, sind nach dem Sinn und Zweck des § 113 S. 3 InsO nicht ersetzbar, etwa durch veränderte Chancen am Arbeitsmarkt, fehlgeschlagene Vergütungserwartungen, verpasste Beförderungschancen, verpasstes Entstehen betrieblicher Rentenanwartschaften oder Ähnliches. Eine Ausweitung des Schadensersatzanspruchs auf jene denkbaren Schäden wäre für den Insolvenzverwalter unwägbar. Das Insolvenzverfahren wäre mit unkalkulierbaren Risiken verbunden.[346]

 

Rz. 325

Jedoch soll durch die Abkürzung der Kündigungsfristen durch § 113 InsO ein etwaiger Schadensersatzanspruch eines durch Eigenkündigung ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB wegen Auflösungsverschuldens nicht auf die Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen begrenzt sein.[347]

 

Rz. 326

Keinen Verfrühungsschaden kann der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vergleich beanspruchen. Schließen Arbeitnehmer und Insolvenzverwalter in einem Kündigungsschutzprozess einen Vergleich, durch den das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf der Höchstfrist des § 113 S. 3 InsO, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt endet, schließen sie materiellrechtlich einen Aufhebungsvertrag, der die Kündigung gegenstandslos macht. Sie wird durch den Prozessvergleich als neuen, eigenständigen Beendigungstatbestand ersetzt. Dies schließt den Schadenersatzanspruch nach § 113 S. 3 InsO aus.[348]

 

Rz. 327

Eine in einem Insolvenzplan vereinbarte Ausschlussfrist von einem Monat ist rechtswirksam. Sie erfasst auch Schadensersatzforderungen von Arbeitnehmern, die wegen der Anwendung der verkürzten Kündigungsfrist des § 113 InsO ("Verfrühungsschaden") entstanden sind.[349]

[342] Berkowsky, NZI 1999, 129, 131.
[343] BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/04, ZIP 2007, 1875.
[344] BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 772/06, ZInsO 2007, 1117 = ZIP 2007, 1829; dazu EWiR 2007, 755 (Brose).
[345] BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 772/06, ZInsO 2007, 1117 = ZIP 2007, 1829; dazu EWiR 2007, 755 (Brose).
[346] LAG Hessen v. 22.1.2013 – 13 Sa 1108/12, NZI 2013, 363 = ZIP 2013, 1137; dazu EWiR 2013, 451 (Mückl).
[347] ArbG Herford v. 26.2.2004 – 1 Ca 1686/03, DZWIR 2004, 196 = ZInsO 2004, 574.

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