Rz. 873

Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber müssen nunmehr die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang unterrichten über

den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs (Nr. 1),
den Grund für den Übergang (Nr. 2),
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer (Nr. 3) und
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (Nr. 4).
Dazu gehören nach der jüngeren Rechtsprechung insbesondere auch nähere Angaben über die Identität des Betriebserwerbers, nämlich mit Namen und Anschrift.[879]
Bei der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB muss über die Identität des Betriebserwerbers so informiert werden, dass die unterrichteten Arbeitnehmer in die Lage versetzt sind, über ihren möglichen neuen Arbeitgeber Erkundigungen einzuholen.[880]
 

Rz. 874

Unter die "rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen eines Betriebsübergangs" nach Nr. 3 fallen insbesondere folgende Aspekte:

Weiterbestehen oder Änderung der bisherigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und
Verteilung der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers für noch nicht erfüllte Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer, insbesondere auch über die – zeitlich begrenzte – gesamtschuldnerische Nachhaftung gem. § 613a Abs. 2 BGB.[881]
 

Rz. 875

Unter die "hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen" nach Nr. 4 fallen folgende Aspekte:

etwaige notwendige Weiterbildung im Zusammenhang mit geplanten Produktionsumstellungen oder Umstrukturierungen und
andere Maßnahmen, welche die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmer betreffen.
 

Rz. 876

Im Ergebnis knüpft die gesetzliche Neuregelung damit an sonstige gesetzlich normierte Unterrichtungsverpflichtungen (z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 und § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG) an.

 

Rz. 877

Die Unterrichtung der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 BGB soll eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts schaffen. Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen. Soweit bei der Unterrichtung über den Betriebserwerber auf die im Handelsregister eingetragenen Tatsachen verwiesen werden soll, müssen die Firma des Betriebserwerbers, das zuständige Handelsregister und die den Betriebserwerber betreffende Nummer des Handelsregisters fehlerfrei angegeben werden. Die Identität der Betriebserwerberin muss sich unmittelbar durch Einsichtnahme in das Handelsregister ergeben. Ist die Betriebserwerberin eine Neugründung, die nach dem Betriebsübergang gemäß § 112a Abs. 2 BetrVG nicht sozialplanpflichtig ist, so ist darüber in der Unterrichtung zu informieren. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob eine Betriebsänderung geplant oder in Aussicht genommen ist, da die Rechtsstellung der Arbeitnehmer als unmittelbare Folge des Betriebsübergangs verändert wird.[882]

 

Rz. 878

Eine Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB erfordert eine verständliche, arbeitsplatzbezogene und zutreffende Information. Sie muss u.a. Angaben über die Identität des Erwerbers, den Gegenstand und den rechtlichen Grund des Betriebsübergangs sowie eine korrekte Darstellung der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer enthalten.[883] Maßstab ist der Kenntnisstand der beteiligten Arbeitgeber(vertreter).[884]

 

Rz. 879

 

Beispiel

Ist dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Unterrichtungsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB nicht bekannt, dass ein Investor gefunden wird, der die Geschäftsanteile übernimmt, löst das Unterrichtungsschreiben dennoch die Monatsfrist für den Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB aus.[885]

 

Rz. 880

 

Beispiel

Bei einem Betriebsübergang muss nach der Auffassung des BAG der bisherige Arbeitgeber oder der neue Betriebsinhaber die betroffenen Arbeitnehmer auch darüber unterrichten, dass der Betriebserwerber nur die beweglichen Anlageteile des Betriebes, nicht aber das Betriebsgrundstück übernimmt.[886] Im Streitfall war die Unterrichtung des Klägers unzulänglich, weil er nicht über die fehlende Übertragung der Betriebsimmobilie auf den Betriebserwerber unterrichtet worden war. Ein Schadensersatzanspruch wurde jedoch verneint, da der Sozialplan, aus dem der Kläger Ansprüche herleitet, nicht zustande gekommen war. Auch ein Nachteilsausgleich scheidet aus, weil ein Betriebsübergang allein grundsätzlich keine Betriebsänderung darstellt.

 

Rz. 881

Bei fehlender Information über die Sozialplanprivilegierung nach § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG erfolgt kein Ingangsetzen der Frist für Widerspruch gegen den Betriebsübergang. Eine fehlende Information über die Sozialplanprivilegierung nach § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG des neuen Inhabers führt dazu, dass die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 S. 1 BGB nicht in Lauf gesetzt wird. Mit dem Ablauf des Privilegierungszeitraums von vier Jahren seit der Gründung des neuen Inhabers ist dieser Fehler in der Unterrichtung kraft Gesetzes geheilt. Zu diesem Zei...

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