Rz. 715

Betriebsteile i.S.v. § 4 BetrVG sind räumlich und organisatorisch unterscheidbare Betriebsbereiche, die wegen ihrer Eingliederung in den (Haupt-) Betrieb nicht allein bestehen können.[698] Sie leisten zwar Aufgaben, die sich von den Aufgaben anderer Abteilungen erkennbar unterscheiden, sind aber in ihrer Zielsetzung regelmäßig dem arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebes untergeordnet.[699] Ihre Ersetzung durch eine noch zu gründende voll eingegliederte Organgesellschaft im Rahmen einer Organschaft kann aber der sozialen Rechtfertigung der auszusprechenden Kündigungen der bisher dort tätigen Arbeitnehmer entgegenstehen.[700]

 

Rz. 716

Das LAG Hamburg[701] definiert Betriebsteile unter Bezugnahme auf die BAG-Rechtsprechung wie folgt:

Zitat

"Betriebsteil ist eine Teilorganisation, in der sächlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke erfüllt werden, bei denen es sich um bloße Hilfsfunktionen handeln kann.[702] Betriebsteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eigene technische Hilfsmittel und eine durch die räumliche und funktionelle Abgrenzung vom Hauptbetrieb bedingte relative Selbstständigkeit verfügen. Andererseits fehlt ihnen aber ein eigenständiger Leitungsapparat.[703] Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im Hauptbetrieb verfolgt werden.[704]"

 

Rz. 717

Insbesondere die räumliche Entfernung ist in diesem Zusammenhang ein wesentliches Kriterium, das sich insbesondere an die Möglichkeiten einer effektiven Arbeitnehmervertretung orientiert. Die Möglichkeit zum Kontakt zwischen Arbeitnehmern und Betriebsräten einerseits bzw. der Betriebsräte untereinander andererseits kann hier Maßstab dafür sein, ob wegen der räumlichen Entfernung eine Eigenständigkeit des Betriebsteils anzunehmen ist, wobei insbesondere die Verkehrsverbindungen entscheidend sein können.[705]

 

Rz. 718

Ein ca. 300 km entfernt vom Hauptbetrieb gelegener Betriebsteil ist nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG "räumlich weit entfernt". Den Kern eines zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs bilden sächliche Betriebsmittel nicht schon dann, wenn sie zur Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind. Für ein Reisebüro, das allgemeine, auch durch das Internet ohne Weiteres beziehbare Reiseleistungen vertreibt und keine spezialisierte Marktausrichtung hat, kann seine räumliche Lage ein wichtiger identitätsprägender Faktor sein.[706]

 

Rz. 719

Ob diese Betriebsteildefinition im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne auch maßgeblich ist für die Frage eines sog. Betriebsteilübergangs i.S.v. § 613a BGB, ist umstritten und wird von der wohl inzwischen h.M. im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungs- bzw. Schutzzwecke abgelehnt.[707]

 

Rz. 720

Nicht ausreichend soll es für einen Betriebsteilübergang i.S.v. § 613a BGB sein, wenn der Erwerber mit einzelnen, bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln erst einen Betrieb oder Teilbetrieb gründet.[708] § 613a BGB setzt nämlich für den Betriebsteilübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten.[709]

 

Rz. 721

Für die Anwendung des § 613a BGB kommt es darauf an, ob ein Betriebsteil im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist und auf einen Erwerber übergeht. Das BAG orientiert sich dabei häufig an der Frage, ob insoweit eine wirtschaftliche Einheit besteht. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, ­müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden.

 

Rz. 722

Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich

die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,
der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter,
der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs,
die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft,
der etwaige Übergang der Kundschaft,
sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und
die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.[710]
 

Rz. 723

Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu.[711]

 

Rz. 724

Bei einem infrage stehenden Betriebsteilübergang muss festgestellt werden, ob beim Veräußerer ein Betriebsteil im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit bestanden hat. Auch bei einem Betriebsteil muss es sich um eine Einheit han...

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