Rz. 41

Zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zählen vor allem Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen wie Arbeitsverhältnisse, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen sind. Deshalb können Masseverbindlichkeiten durch Bestandsschutzprozesse betroffen werden, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Eröffnungszeitpunkt hinaus im Prozess geltend gemacht wird[29] bzw. wenn die maßgeblichen Verhältnisse, die den Streitgegenstand bilden, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.[30]

 

Rz. 42

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche und Forderungen können – wie insbesondere § 108 Abs. 2 InsO zeigt – keine Masse-, sondern nur Insolvenzforderungen sein.[31]

 

Rz. 43

Ein Kündigungsschutzprozess wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen, weil eine Kündigungsschutzklage regelmäßig die Insolvenzmasse betrifft, da bei einer Unwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht und die erfolgreiche Kündigungsschutzklage den Weg für vermögensrechtliche Ansprüche ebnet.[32]

 

Rz. 44

Betrifft eine Bestandsschutzstreitigkeit (Einhaltung der Kündigungsfrist) jedoch ausschließlich einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung, so kann der Rechtsstreit nur nach Durchführung des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens wieder aufgenommen werden.[33]

 

Rz. 45

Hat das Arbeitsgericht einen Beschluss über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gefasst, bevor die Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenzeröffnung eingetreten ist, kann der Beschluss an die nicht von der Insolvenz betroffene Gegenpartei noch wirksam zugestellt werden. Für diesen nicht verkündeten Beschluss gilt § 249 Abs. 3 ZPO entsprechend, nicht § 249 Abs. 2 ZPO. Die Frist für die sofortige Beschwerde läuft in diesem Fall nicht; sie beginnt aber mit der Zustellung der Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter (§ 249 Abs. 1 ZPO). Eine nochmalige Zustellung des Beschlusses über die nachträgliche Klagezulassung setzt keine neue Frist in Lauf.[34]

 

Rz. 46

Der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 46 Abs. 2 ArbGG, § 240 S. 1 ZPO unterbrochene Rechtsstreit bleibt unterbrochen, wenn die Aufnahme des Verfahrens unwirksam war.[35] Während einer solchen Verfahrensunterbrechung nach §§ 239, 242 ZPO kann der Insolvenzverwalter, der ein gegen § 240 ZPO verstoßendes Urteil aus der Welt schaffen will, ein Rechtsmittel einlegen, ohne die Unterbrechung durch eine Aufnahme des Verfahrens zunächst beenden zu müssen.[36] Die Einlegung des Rechtsmittels setzt die Beendigung der Unterbrechung nicht voraus, da der unterbrochene Rechtsstreit – der fälschlicherweise fortgesetzt und durch ein Urteil abgeschlossen wurde – sachlich nicht weiterbetrieben wird.[37]

 

Rz. 47

Nimmt der Insolvenzverwalter ein vom Arbeitgeber eingeleitetes, in erster Instanz anhängiges, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers nach § 240 ZPO unterbrochenes arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren auf und führt dieses fort, sind die dem Betriebsrat entstandenen, nach § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragenden Rechtsanwaltskosten Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das gilt jedoch nicht für den Teil der Rechtsanwaltsgebühren, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.[38]

 

Rz. 48

Vertreten in einem Berufungsverfahren dieselben Prozessbevollmächtigten sowohl die Schuldnerin (bis zur Unterbrechung infolge der Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO) als auch den Insolvenzverwalter (nach Aufnahme des Verfahrens), so kann im Rahmen des § 11 Abs. 1 RVG nur die das Mandat des Insolvenzverwalters betreffende Vergütung festgesetzt werden, denn nur insoweit handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit. Für die Bewertung des Berufungsverfahrens nach erfolgter Aufnahme greift die Sonderregelung des § 182 InsO, wenn der Gläubiger seine ursprüngliche Zahlungsklage abändert und zu dem Antrag nach § 180 Abs. 1 InsO übergeht. Der auf dem Mandat der Schuldnerin beruhende Vergütungsanspruch ist vom Anwalt nach Rechnungstellung als Insolvenzforderung geltend zu machen. Die Bewertung des Berufungsverfahrens bis zur Unterbrechung nach § 240 ZPO erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen; diesbezüglich greift die Sonderregelung des § 182 InsO nicht.[39]

 

Rz. 49

Honoraransprüche des Vorsitzenden einer Einigungsstelle sind Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Einigungsstellenverfahren zwar vor Insolvenzeröffnung begonnen, aber erst nach diesem Zeitpunkt durch die Verabschiedung eines Sozialplans abgeschlossen worden ist. Für die Bemessung der Höhe der Vergütung sind der erforderliche Zeitaufwand, die Schwierigkeit der Streitigkeit, etwaiger Verdienstausfall und die allgemeine Berücksichtigung berechtigter Interessen der Mitglie­der der Einigungsstelle und des Arbeitgebers maßgebend. Dabei handelt es sich bei dem Kriterium des erforderlichen Zeitaufwands um ein besonders wichtiges Kriterium für eine sachgerechte und angemessene Ve...

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