Rz. 688

Für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes fordert die Rechtsprechung einen sog. einheitlichen Leitungsapparat, der sich auf den Bereich der personellen und sozialen Angelegenheiten bezieht und die für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel lenkt.[662]

 

Rz. 689

Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist nach der Rechtsprechung des BAG,[663] der sich auch das BVerwG[664] angeschossen hat, auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.

 

Rz. 690

Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Zu den wesentlichen, betriebsverfassungsrechtlich relevanten Entscheidungen eines Arbeitgebers gehören z.B. Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen oder die Anordnung von Überstunden.

 

Rz. 691

 

Hinweis

Eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht, vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.[665]

 

Rz. 692

Voraussetzung ist aber weiterhin, dass die (mehreren) Unternehmen tatsächlich eine gemeinsame Betriebsführung ihres gemeinsamen Betriebes – zumindest konkludent – vereinbart haben bzw. von der Konzernspitze hierzu angewiesen wurden. Dabei kann auf die Existenz einer Führungsvereinbarung aus den tatsächlichen Umständen geschlossen werden.[666]

 

Rz. 693

 

Hinweis

Der Umstand, dass eine Person Geschäftsführer mehrerer Unternehmen ist, bedeutet noch nicht, dass sie diese Aufgaben für alle Unternehmen einheitlich wahrnimmt.[667] Derselbe Geschäftsführer kann die Unternehmen auch organisatorisch voneinander getrennt leiten. Das gilt auch in Bezug auf die personellen und sozialen Angelegenheiten der Unternehmen.[668]

 

Rz. 694

Grundlegende Voraussetzung für das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs ist der Einsatz von Arbeitnehmern und der Betriebsmittel mehrerer Unternehmen durch eine einheitliche Leitung auf der Grundlage einer wenigstens stillschweigend getroffenen Vereinbarung.[669] Bei ihrer alleinigen Nutzung durch das jeweilige Eigentümerunternehmen handelt es sich bei der Organisationseinheit um einen Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG.[670]

 

Rz. 695

Für das Bestehen eines gemeinsamen Betriebs kommt es weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung, sondern in erster Linie auf die Einheit der Organisation an.[671] Da insoweit keine förmlichen Voraussetzungen bestehen und somit die dazu erforderlichen Feststellungen in der Praxis nur schwer zu treffen sind, hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 1 Abs. 2 BetrVG zwei widerlegbare Vermu­tungstatbestände geregelt:

Die Annahme eines gemeinsamen Betriebes wird nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zunächst dann widerlegbar vermutet, wenn von den Unternehmen die in der Betriebsstätte vorhandenen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die ­arbeitstechnischen Zwecke gemeinsam genutzt werden und wenn zudem die Arbeitnehmer gemeinsam eingesetzt werden, unabhängig davon, zu welchem der (mehreren) Arbeitgeberunternehmen sie in einem Arbeitsverhältnis stehen. Durch die so gefasste Neuregelung ist zweifelhaft geworden, ob damit auf das Erfordernis eines (vereinbarten) einheitlichen Leitungsapparates verzichtet werden soll.[672]
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb dann vermutet, wenn infolge der Spaltung eines Unternehmens von einem Betrieb einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen ein oder mehrere Betriebsteile zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betreffenden Betriebes wesentlich ändert. Eine solche Vermutungsregelung war zunächst in § 322 Abs. 1 UmwG enthalten, der sich ausschließlich auf Spaltungen nach dem Umwandlungsgesetz bezog, da nach herrschender Meinung hinsichtlich der Umwandlungsregelungen ein sog. Analogieverbot bestand.[673] Durch die Aufnahme in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist diese Vermutungsregelung nunmehr auf alle betrieblichen Spaltungen übertragen worden. § 322 Abs. 1 UmwG ist in diesem Zuge demgemäß aufgehoben worden.
 

Rz. 696

 

Hinweis

Diese Vermutungsregelungen sind aber nicht abschließend. Auch wenn die dortigen Tatbestände nicht eingreifen, kann nach Auffassung des BAG aus anderen Gründen ein gemeinsamer Betrieb vorliegen.[674]

 

Rz. 697

Auch § 322 Abs. 1 UmwG a.F.[675] sah hinsichtlich der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes eine widerlegbare Vermutung für einen gemeinsamen Betrieb vor, wenn eine Unternehmensspaltung oder Vermögensteilübertragung auch die Spaltung des Betriebes zur Folge hat, seine bisherige Organisation a...

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