Rz. 565

Erfolgt ein Betriebsübergang nach Ausspruch der Kündigung, wird dadurch zwar die Rechtfertigung der Kündigung nicht mehr berührt, aber auch in diesem Falle ist ggf. ein Anspruch der nicht übernommenen Arbeitnehmer auf Weiterbeschäftigung durch den Betriebserwerber zu unveränderten Bedingungen gegeben.[575]

 

Rz. 566

Ergibt sich zwischen Zugang der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist ein Betriebs- oder Teilbetriebsübergang, soll der Arbeitnehmer den etwaigen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (Fortsetzungsanspruch) noch während des rechtlichen Bestehens bzw. zumindest unverzüglich ab Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen geltend machen können,[576] und zwar gegenüber dem Erwerber.[577] Es darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt vom Betriebserwerber nicht beeinflusst werden kann.

 

Rz. 567

Allerdings soll nach Auffassung des LAG Hamm der gekündigte Arbeitnehmer das Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Erwerber unverzüglich, nämlich innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG analog – im "Gleichklang" mit dem bisherigen Widerspruchsrecht – durch "persönliches Vorstelligwerden" geltend machen müssen. Eine Geltendmachung in der Kündigungsschutzklage mit deren Zustellung außerhalb der Drei-Wochen-Frist soll nicht ausreichend sein.[578]

 

Rz. 568

Diese Auffassung erscheint dogmatisch allerdings verfehlt. Sie beruht offenbar auf einem Verständnis, das den Fortsetzungsanspruch mit einem Arbeitskraftangebot gleichsetzen will, dass der Arbeitnehmer tatsächlich unterbreiten (vgl. § 294 BGB) muss, wenn er den Arbeitgeber in Annahmeverzug i.S.v. § 293 BGB versetzen will. Bei dem Fortsetzungsanspruch handelt es sich aber nicht um den Anspruch auf Vollzug eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, sondern um den Anspruch auf Neubegründung bzw. vertragliche Vereinbarung über die Fortsetzung eines wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses, also um einen Anspruch auf Abgabe einer darauf gerichteten Willenserklärung (§ 894 ZPO).

 

Rz. 569

Dem ist das BAG daher auch nicht gefolgt: Der Arbeitnehmer hat unverzüglich nach Kenntniserlangung von den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber zu stellen.[579] Entsprechend der Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechts muss auch das Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsverlangen binnen einer Frist von einem Monat geltend gemacht werden, da der Zweck des Bestandsschutzes Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Zustandekommen bzw. Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertige.[580]

 

Rz. 570

Ein Fortsetzungsanspruch kann gegen den Betriebserwerber auch bei einem vorherigen Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zumindest dann noch geltend gemacht werden, wenn keine korrigierte Unterrichtung gem. § 613a Abs. 5 BGB erfolgt ist.[581]

 

Rz. 571

Nach Auffassung des LAG Köln[582] besteht kein Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Erwerber, wenn der Erwerber den Betrieb noch vor Ablauf der Kündigungsfrist bereits gekauft hat, ihn aber tatsächlich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist übernimmt. Maßgeblich soll also nicht das Kaufgeschäft, sondern die tatsächliche Übernahme der Leitungsmacht sein.

 

Rz. 572

 

Hinweis

Wer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden ist, hat keinen Fortsetzungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer, solange die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages nicht wegen Anfechtung, Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder aus einem anderen Grunde beseitigt worden ist.[583]

[576] Nach Auffassung des ArbG Frankfurt v. 20.7.1999 – 5 Ca 7905/97, ZInsO 2000, 56 binnen drei Wochen.
[577] BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, BAGE 90, 153 = ZIP 1999, 670, dazu EWiR 1999, 207 (Junker); LAG Köln v. 3.8.2001 – 11 Sa 215/01, ZIP 2002, 234; zum Wahlrecht des Arbeitnehmers bei Änderungskündigung durch den bisherigen Arbeitgeber und zwischenzeitlich erfolgtem (Teil-) Betriebsübergang auf einen Übernehmer siehe LAG Hamm v. 5.3.1999 – 10 Sa 1961/98, ZInsO 1999, 423.
[578] LAG Hamm v. 11.5.2000 – 4 Sa 1469/99, BB 2000, 1630 = ZInsO 2001, 384 = DZWIR 2000, 457; siehe auch ArbG Frankfurt v. 20.7.1999 – 5 Ca 7905/97, ZInsO 2000, 56; Dreher, BB 2000, 2358; zur zeitlichen Begrenzung des Wiedereinstellungsanspruchs in der Insolvenz nach § 113 Abs. 1 S. 2 InsO siehe LAG Hamm v. 4.6.2002 – 4 Sa 57/02 und 4 Sa 593/02, ZInsO 2003, 52.
[579] BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, BAGE 90, 153 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = EzA § 613a BGB Nr. 171.
[581] BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357 = ZInsO 2008, 688; dazu NJW-Spezial 2008, 180.
[583] BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, BAGE 90, 260 = ZIP 1999, 320; Bestätigung von ...

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