Rz. 950

Das Widerspruchsrecht kann jedoch verwirkt werden.[933] Das Berufen auf Verwirkung kann ggf. auch dem Betriebsveräußerer zugestanden werden, unabhängig davon, ob und ggf. wann er von den für die Verwirkung maßgeblichen Aspekten erfahren hat.[934]

 

Rz. 951

Zur Verwirkung des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers sind zwischenzeitlich mehrere Entscheidungen ergangen, aus denen allerdings überwiegend die Tendenz abzulesen ist, die Geltendmachung des Widerspruchsrechts möglichst nicht an einer Verwirkung scheitern zu lassen.

 

Rz. 952

Ein Recht kann schon generell nur unter engen Voraussetzungen verwirken. Es reicht nicht aus, dass der Berechtigte das Recht längere Zeit nicht in Anspruch genommen hat (Zeitmoment). Hinzukommen muss das sog. Umstandsmoment. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen werden. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Der Berechtigte muss unter solchen Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken mussten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes beim Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.[935]

 

Rz. 953

Die Frist zum Widerspruch gegen einen Betriebsübergang beginnt bei unterbliebener oder unvollständiger Unterrichtung durch den Veräußerer nicht zu laufen. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts tritt erst ein, wenn nach längerem Zeitraum ein Vertrauenstatbestand beim Veräußerer geschaffen wurde, dass das Widerspruchsrecht vom Arbeitnehmer in Kenntnis des bestehenden Rechts nicht mehr ausgeübt wird.[936]

 

Rz. 954

Das BAG hat es dahingestellt sein lassen, ob mit dem Ablauf von elf Monaten das Zeitmoment erfüllt ist. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang die Arbeit bei dem Betriebsinhaber weitergeführt hatte, ist für das Umstandsmoment nicht ausreichend.[937] Es soll auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an­kommen.[938]

 

Rz. 955

Wurde der Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß i.S.v. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet, aber im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB von dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers (grundlegende Informationen) in Textform in Kenntnis gesetzt und über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt, führt eine widerspruchslose Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts. Der für die Verwirkung maßgebliche Zeitraum der widerspruchslosen Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber beginnt frühestens mit dem Betriebsübergang. Läuft die Frist des § 613a Abs. 6 BGB erst nach dem Betriebsübergang ab, ist der Zeitpunkt des Ablaufs dieser Frist maßgeblich.[939]

 

Rz. 956

Erhält ein Arbeitnehmer nach Betriebsübergang vom Betriebserwerber eine Kündigung und erhebt er dagegen keine Kündigungsschutzklage, so kann dadurch das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment erfüllt sein. Um die Erfüllung des Umstandsmoments zu vermeiden, ist erforderlich, dass entweder eine Kündigungsschutzklage erhoben oder binnen der Frist des § 4 S. 1 KSchG die Unwirksamkeit der Kündigung in sonstiger Weise gegenüber der Betriebserwerberin oder auch der Betriebsveräußerin geltend gemacht wird. Die Unwirksamkeit der von dem Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung kann auch dadurch geltend gemacht werden, dass binnen der Dreiwochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes, also binnen der noch offenen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge des Betriebsübergangs erklärt wird. Dergestalt lässt der Arbeitnehmer die von dem Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung zu einem Zeitpunkt ins Leere gehen, zu dem noch die Möglichkeit zu einer gegen den Betriebserwerber zu richtenden Kündigungsschutzklage besteht. Eine Disposition des Arbeitnehmers durch Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage kann in diesem Fall nicht angenommen werden.[940]

 

Rz. 957

Das Recht des Arbeitnehmers, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber zu widersprechen, kann verwirkt werden, wenn die einmonatige Widerspruchsfrist wegen einer fehlerhaften Unterrichtung über den Betriebsübergang noch nicht zu laufen begonnen hat. Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment liegt regelmäßig nicht vor, wenn bei zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Betriebsübergängen der Arbeitnehmer zunächst dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Zweiterwerber und erst später dem Übergang auf den Ersterwerber widerspricht.[941]

 

Rz. 958

Auch das LAG Düsseldorf hat sich in mehreren Entsch...

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