Rz. 859

Als weitgehend geklärt angesehen werden konnten schon nach der früheren Rechtslage auch die Fragen zu einem Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer und zu den Fristen für dessen Ausübung im Rahmen eines Betriebsüberganges.[863]

 

Rz. 860

Der Arbeitnehmer sollte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zumindest dann wahlweise gegenüber dem Veräußerer (auch nach dem Übergang) oder dem Erwerber widersprechen können, wenn keine Unterrichtung über den Betriebsübergang erfolgt war.[864]

 

Rz. 861

Der Widerspruch des Arbeitnehmers war nach der früheren BAG-Rechtsprechung im Regelfall bis zum Betriebsübergang zeitlich unbefristet zulässig, ohne dass bis dahin etwa die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG analog gelten würde.[865] Nach dem Übergang sollte der Arbeitnehmer allerdings unverzüglich nach Kenntniserlangung widersprechen müssen, wobei als Erklärungsfrist die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG analog gelten sollte.[866]

 

Rz. 862

Geklärt schien nach der früheren Rechtsprechung des BAG auch, dass einem Arbeitnehmer, der ohne triftigen Grund dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widerspricht, regelmäßig ohne Durchführung einer Sozialauswahl vom bisherigen Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt werden kann, wenn dort kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht; eine Ausnahme gilt allerdings für (etwa tarifvertraglich geschützte) ordentlich nicht kündbare Arbeitnehmer.[867]

 

Rz. 863

Dann hat das BAG allerdings entschieden, dass beim bisherigen Arbeitgeber die auszusprechende Kündigung unter Beachtung der Sozialauswahl zu erfolgen habe.[868] Allerdings sei jedoch dabei (im Rahmen der Sozialauswahl!) zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsmöglichkeit beim Erwerber freiwillig aufgegeben und damit den Kündigungsgrund selbst geschaffen habe.

 

Rz. 864

Inzwischen hat das BAG diese Rechtsprechung unter der Geltung der Neufassung des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG seit dem 1.1.2004 noch einmal modifiziert bzw. konkretisiert:[869]

Zitat

"Auch die Arbeitnehmer, die einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber nach § 613a Abs. 6 BGB widersprochen haben, können sich bei einer nachfolgenden, vom Betriebsveräußerer erklärten Kündigung auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG berufen. Die Gründe für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber sind seit 1.1.2004 bei der Abwägung der sozialen Auswahlkriterien nicht mehr zu berücksichtigen, da die Auswahlkriterien (Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) vom Gesetzgeber nunmehr abschließend benannt worden sind."

 

Rz. 865

Außerdem musste schon nach der Rechtsprechung des BAG zum bisherigem Recht der Arbeitgeber einem davon betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des bevorstehenden (Teil-)Betriebsüberganges widersprechen werde.[870]

 

Rz. 866

Im Allgemeinen soll ohnehin eine vorübergehende Beschäftigung des widersprechenden Arbeitnehmers beim Betriebserwerber grundsätzlich zumutbar i.S.v. § 615 BGB sein, so dass der Arbeitnehmer bei einer Weigerung dort bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu arbeiten, seine Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug riskiert.[871]

 

Rz. 867

Handelt es sich bei dem Arbeitnehmer um einen ordentlich unkündbaren Mitarbeiter, sind nach der Auffassung des BAG die Kündigungsmöglichkeiten noch weiter eingeschränkt:[872]

Zitat

"Bei der außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist unzumutbar wäre.[873] Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist dies regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn aus betrieblichen Gründen die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten. Eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist kommt nur dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, dass wegen des tariflichen oder einzelvertraglichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist. Dies kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, bei denen vermieden werden muss, dass der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen.[874] In erheblich weiterem Umfang als bei einer ordentlichen Kündigung ist es dem Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist gegenüber dem unkündbaren Arbeitnehmer zumutbar, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden."

 

Rz. 868

Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben, s...

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