Rz. 56

Alternativ, aber nicht gleichzeitig, kann sich der Rechtsanwalt auch an die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wenden; § 191f BRAO. Zulässig ist dieses Verfahren bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 50.000,00 EUR. Das Verfahren gilt also für Gebührenforderungen und Schadensersatzforderungen gleichermaßen; § 4 der Satzung der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Zuständig ist die Schlichtungsstelle bei der Kammer, der der Rechtsanwalt angehört. Das Verfahren ist kostenlos.

 

Rz. 57

Die Schlichtungsstelle kann die Schlichtung nach § 4 der Satzung der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft ablehnen

bei der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche,
bei Streitigkeiten aus anderen Kammerbezirken,
bei Streitigkeiten über 50.000 EUR (gemessen am Wert der Gesamtstreitigkeit),
wenn die Streitigkeit bereits rechtshängig ist es sei denn, das Ruhen des Verfahrens zum Zweck der einvernehmlichen Streitbeilegung wurde angeordnet,
wenn die Streitigkeit offensichtlich aussichtslos oder mutwillig ist, (z.B. bei Verjährung der Forderung, vorausgegangene Abweisung des PKH-Antrags wegen Aussichtslosigkeit)
bereits ein Vergleich über den Streitgegenstand zustande gekommen ist,
wenn bereits eine Strafanzeige erstattet worden ist oder eine berufsrechtliche Überprüfung des beanstandeten Verhaltens bei Staatsanwaltschaft, Anwaltskammer oder den Anwaltsgerichten beantragt ist und dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist,
wenn die Streitigkeit bereits bei einer Verbraucherschlichtungsstelle behandelt wird,
für den Streitgegenstand bereits eine Eintragung in das Klageregister zur Musterfeststellung nach § 609 ZPO stattgefunden hat und die Klage noch rechtshängig ist.

Die Schlichtungsstelle kann die Schlichtung auch ablehnen, wenn die Klärung der Sachlage zu aufwändig, von Beweisen oder der Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängig ist.

 

Rz. 58

Das Verfahren beginnt mit einer schriftlichen Sachverhaltsschilderung bei der Schlichtungsstelle in Textform. Die erforderlichen Unterlagen sind beizufügen. Auch muss der Antragssteller zusichern, dass kein der vorgenannten Ausschlussgründe vorliegen. Nun kann der Schlichter weitere Fragen und Auskünfte einholen. Er ist dabei nicht allein an den Vortrag des Antragstellers gebunden.

Der Schlichter kann allein entscheiden, ob die Sache überhaupt angenommen wird und ob sie durch den Einzelschlichter oder durch ein aus drei Schlichtern bestehendes Kollegialorgan bearbeitet wird. Während der Einzelschlichter selbst kein Rechtsanwalt sein darf, muss im Kollegialorgan mindestens ein Rechtsanwalt vertreten sein.

Nach Annahme der Schlichtung wird der Gegner informiert und ihm Frist zur schriftlichen Stellungnahme gewährt. Über das Ergebnis können wie im schriftlichen Verfahren weitere schriftliche Stellungnahmen ausgetauscht werden. Dabei kann sie Fristen bestimmen, nach denen der Beteiligte mit weiteren Darlegungen ausgeschlossen ist.

Der Schlichtungsvorschlag kann von den Parteien angenommen werden oder nicht. Bei Nichtannahme kann eine Mitteilung als Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EGZPO erteilt werden.

Haben die Parteien den Schlichtungsvorschlag angenommen, kann er nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden.

Der Erfolg dieser Schlichtungsverfahren wird mit immerhin einem Drittel geschlichteter Fälle angegeben.[70] Im Jahr 2019 wurden bundesweit 1.064 Anträge an die Schlichtungsstellen gerichtet. 455 wurden von der Schlichtungsstelle aus den oben genannten Gründen abgelehnt. In 470 Fällen wurde ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet. 58 % dieser Vorschläge wurden angenommen. In 62 weiteren Fällen kam es zu einer Einigung nach Vermittlung durch die Schlichtungsstelle. Und in 54 Fällen erfolgte nach Einreichung des Antrags eine Zahlung durch den in Anspruch genommenen ohne, dass die Schlichtungsstelle einen Vorschlag unterbreitet hätte.[71] Man kann also davon ausgehen, dass mehr als 1/3 der Fälle der an die Schlichtungsstelle herangetragenen und deutlich mehr als 50 % der angenommenen Fälle zu einem Ergebnis führen.

[70] Gustavus, "Gebührenvermittlung statt Honorarklage", http://www.schlichten-in-berlin.de/blob/bschlichtung/fallback1431024440408/fallback1431024692726/2257696/71f26e215ba09262db9ccb53d65e8870/Artikel_Gebuehrenvermittlung_statt_Honorarklage-data.pdf.
[71] Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft 2019, S. 18. 21, 23, https://www.schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft.de/sites/default/files/taetigkeitsbericht_2019.pdf

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