Keine AGG-Entschädigung für abgelehnten Bewerber
Im Bewerbungsprozess müssen Arbeitgeber insbesondere die Verfahrens- und Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen einhalten. Wenn sie diese nicht beachten, riskieren sie bei einer Absage häufig AGG-Klagen der nicht berücksichtigten Bewerber. Diese sind vor Gericht oftmals erfolgreich, da bei solchen Fehlern eine Diskriminierung wegen der Behinderung vermutet wird, die der Arbeitgeber widerlegen muss. Vorliegend hatte der Arbeitgeber mit seiner Argumentation vor dem LAG Düsseldorf Erfolg. Dabei ging es auch um die Frage, wann ein Bewerbungsverfahren abgeschlossen ist.
Der Fall: Ablehnung eines schwerbehinderten Bewerbers
Der schwerbehinderte Mensch bewarb sich auf die Stelle als Scrum Master/ Agile Coach und erhielt eine Absage. Seiner Meinung nach wurde er wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren diskriminiert. Er rügte vor allem einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Der Arbeitgeber habe zwar die Stellenanzeige der Agentur für Arbeit übermittelt und auf der Jobbörse veröffentlicht. Er habe jedoch keinen Vermittlungsauftrag an die nach § 187 Abs. 4 SGB IX bei der Agentur für Arbeit eingerichtete besondere Stelle gemacht. Vor Gericht klagte der abgelehnte Bewerber eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG ein.
Der Arbeitgeber verteidigte sich damit, dass die Entscheidung für einen anderen Bewerber bereits gefallen sei, bevor die Bewerbung des schwerbehinderten Bewerbers eingegangen sei. Der Kandidat habe zu diesem Zeitpunkt bereits per E-Mail zugesagt. Eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung sei daher ausgeschlossen.
LAG Düsseldorf: Kein Anspruch auf AGG-Entschädigung
Das LAG Düsseldorf entschied, dass der Bewerber keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat. Der Arbeitgeber habe sich erfolgreich exkulpieren können, hieß es in der Begründung.
Das Gericht stellte fest, dass der Bewerber durch die Absage benachteiligt wurde, weil der Bewerber, der die Stelle bekommen hat, ihm gegenüber vorgezogen wurde. Einen Anspruch auf Entschädigung habe er aber nur, wenn diese Benachteiligung auch wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei. Dass dies nicht der Fall war, habe vorliegend der Arbeitgeber beweisen müssen. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Stellenanzeige an die Agentur für Arbeit übermittelt, aber, wie vom Bewerber gerügt, keinen Vermittlungsauftrag an eine qualifizierte Stelle gegeben habe, stellte nach Meinung des Gerichts einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 164 Abs. 1, S. 2 SGB IX dar. Für eine ordnungsgemäße Meldung offener Stellen bei der Agentur für Arbeit reiche es nicht aus, das Stellenangebot über die Jobbörse der Agentur für Arbeit zu veröffentlichen.
Arbeitgeber muss fehlende Diskriminierung beweisen
Bei einem Verstoß von Verfahrensvorschriften zuungunsten von Menschen mit einer Behinderung wird nach gängiger BAG-Rechtsprechung eine Diskriminierung wegen der Behinderung vermutet. In der Folge muss der Arbeitgeber das Gegenteil beweisen. Das galt auch im vorliegenden Fall, befand das LAG Düsseldorf, die Vermutung habe der Arbeitgeber hier aber erfolgreich widerlegt. Es sei es ihm gelungen, durch Zeugenaussagen unter Vorlage von Email-Schriftverkehr nachzuweisen, dass das Bewerbungsverfahren schon vor Eingang der Bewerbung des Klägers abgeschlossen war.
Bewerbungsverfahren bereits beendet
Das Gericht war überzeugt, dass die Entscheidung, die Stelle mit einem anderen Kandidaten zu besetzen, final am 24. August 2021 um 11.09 Uhr getroffen wurde. Damit sei das Auswahlverfahren beendet gewesen. Die Bewerbung des schwerbehinderten Kandidaten sei erst eine Stunde später eingegangen. Der Grund für die Absage sei daher die Tatsache, dass das Stellenbesetzungsverfahren bereits beendet war gewesen, die Behinderung des erfolglosen Bewerbers habe keine Rolle gespielt.
Hinweis: LAG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2024, Az. 3 Sa 556/22
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