Duschen kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein
Ein Containermechaniker hat keinen Bürojob. Bei seiner Arbeit schleift er rostige und schadhafte Stellen ab und lackiert mit Pinsel oder Spritzpistolen nach. Nicht nur seine Kleidung, sondern auch sein Körper wird dabei regelmäßig schmutzig. Am Ende seines Arbeitstages zieht er sich daher nicht nur um, sondern duscht auch, bevor er nach Hause geht. Diese Zeiten vergütete ihm der Arbeitgeber im vorliegenden Fall jedoch nicht.
Ob Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten zu der vom Arbeitgeber zu vergütende Arbeitszeit gehören, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Die Frage, ob auch Duschen vergütungspflichtige Arbeitszeit ist, bedarf einer differenzierten Beurteilung, hat das Bundesarbeitsgericht in dem jetzt veröffentlichten Fall deutlich gemacht.
Der Fall: Arbeitnehmer verlangt Vergütung für Umkleide- und Duschzeiten
Der Containermechaniker ist seit 2009 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seine Arbeit muss er in der ihm zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung antreten. Dabei muss er sich zu Beginn und Ende der Schicht am Zeiterfassungsterminal ein- und ausstempeln, wobei die Umkleide- und Duschzeiten nicht erfasst werden dürfen. Vielmehr ist er angehalten, hier nicht den Zeitpunkt des Betretens des Betriebes oder des Betretens der Umkleide einzugeben, sondern den in den Schichtplänen vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtbeginns. Dies macht auch vor Ort ein Aushang deutlich: "Das Umkleiden/Duschen während der Arbeitszeit ist – nach wie vor – nicht statthaft und wird in keiner Art und Weise toleriert."
Nachforderung von über 20.000 Euro
Der Arbeitnehmer verlangte vom Arbeitgeber, die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wege vom Umkleideraum zu seiner Arbeitsstätte als Arbeitszeit anzuerkennen und als solche zu bezahlen. Dabei berechnete er für den Weg von der Pforte zur Umkleide täglich 10 Minuten, für das Umkleiden 10 Minuten, für den Weg von der Umkleide an den Arbeitsplatz 5 Minuten, vom Arbeitsplatz zur Umkleide 5 Minuten, für das Reinigen, Duschen und Umziehen 15 Minuten und für den Weg von der Umkleide zur Pforte erneut 10 Minuten - zusammengerechnet täglich 55 Minuten. Dafür forderte er eine Nachvergütung in Höhe von insgesamt rund 20.000 Euro für die Zeit von Januar 2017 bis August 2020.
Wegezeit ist laut Arbeitgeber Arbeitszeit, Duschen und Umziehen nicht
Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, die geltend gemachten Zeiten seien keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten. Er verwies darauf, dass sich im einschlägigen Tarifvertrag keine Regelung dazu finde. Sowohl die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung als auch der Betriebsvereinbarung zeige, dass die Arbeitszeit am Arbeitsplatz beginne und ende und die geltend gemachten Zeiten daher nicht zur Arbeitszeit gehörten.
Insbesondere für das Duschen könne keine Vergütungspflicht aus § 611a Abs. 2 BGB abgeleitet werden, da das Duschen weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich sei. Abgesehen davon bezweifelte der Arbeitgeber die Dauer der vom Arbeitnehmer behaupteten Zeiten.
BAG: Arbeitgeber muss Wege, Duschen und Umziehen vergüten
Bereits die Vorinstanz, das LAG Nürnberg urteilte, dass der Arbeitgeber die Zeit für das Umkleiden vor und nach der Arbeit, für die Reinigung nach der Arbeit und für die Wege von der Umkleide an den Arbeitsplatz und vom Arbeitsplatz zur Umkleide gemäß § 611a Abs. 2 BGB vergüten muss. Auch das Bundesarbeitsgericht bestätigte in seinem aktuellen Urteil, dass weder durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sei, ob Umkleide-, Reinigungs- und innerbetrieblichen Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu behandeln sind. Daher sei die Beurteilung nach § 611a Abs.2 BGB vorzunehmen.
In Bezug auf die Umkleidezeiten verwies das Gericht auf die eigene Rechtsprechung. Im konkreten Fall bestätigte das BAG, dass der Containermechaniker verpflichtet sei, vom Arbeitgeber gestellte Schutzkleidung bei der Arbeit zu tragen und nach der Arbeit zur Reinigung zu geben. Dazu müsse er sowohl vor als auch nach der Arbeit die Umkleide aufsuchen, sich dort die bereitgestellte Schutzkleidung suchen und anziehen und sich danach an den Arbeitsplatz begeben. Dies sei vergütungspflichtige Arbeitszeit - ebenso wie die innerbetrieblichen Wege, da sie dadurch veranlasst seien, dass der Arbeitgeber das Umkleiden vorgebe, das aber nur in einer vom Arbeitsplatz getrennten Umkleidestelle möglich sei.
Wann Duschen als Arbeitszeit gilt
Auch die Zeit, die der Arbeitnehmer nach der Arbeit zur Körperreinigung benötigt, kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein, stellte das BAG erstmals fest. Im Sinne der Rechtsprechung zu den Umkleidezeiten komme es hier darauf an, ob das Duschen oder Waschen ausschließlich fremdnützig sei. Nicht jedes Waschen wegen einer Verunreinigung bei der Arbeit sei vergütungspflichtige Arbeitszeit, betonte das BAG. Dies müsse detailliert betrachtet werden.
Aus Sicht des Gerichtes ist eine Fremdnützigkeit aber zu bejahen, wenn sich der Arbeitnehmer - wie im konkreten Fall - bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann. Die Körperreinigung sei dann notwendiger Bestandteil der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeit und daher fremdnützig. Damit sei sie auch vergütungspflichtig als Arbeitszeit im Sinne von § 611a BGB.
Das BAG verwies die Sache jedoch zur erneuten Feststellung der vergütungspflichtigen Zeiten zurück an das LAG Nürnberg. Dies hatte die Zeiten für Umkleiden, Körperreinigen und Wege zwischen der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück rechtsfehlerhaft auf arbeitstäglich 21 Minuten geschätzt, rügte das BAG.
Hinweis: BAG, Urteil vom 23. April 2024, Az. 5 AZR 212/23; Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 6. Juni 2023, Az: 7 Sa 275/22
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