#WOLC19: Working Out Loud sucht nach dem Business Value

Beim diesjährigen Working Out Loud Camp in Berlin wurden zwei Entwicklungen deutlich: Die Methode breitet sich immer weiter aus, gleichzeitig stehen die Enthusiasten unter Rechtfertigungsdruck und müssen den Nutzen nachweisen.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten bietet Working Out Loud (WOL) die Chance, mit wenig Budget und unter geringem Personaleinsatz notwendige Transformationen in Organisationen anzustoßen und die dafür notwendigen Skills, ein Umdenken und entsprechende Handlungsweisen zu entwickeln. Das steht bei den 220 Teilnehmern außer Frage, die in diesem Jahr beim Working Out Loud Camp in Berlin ihre Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen ausgetauscht haben.

Die Bewegung findet immer mehr Anhänger. Die Besucherzahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt und immer mehr Unternehmen setzen WOL als Methode in der ein oder anderen Weise ein. Weiterhin sind es die großen Unternehmen (Bosch, Daimler, Continental oder die Deutsche Bahn), die als wesentliche Treiber gelten. Mit dem Anstieg der Besucherzahlen musste das Camp auch kurzfristig auf das Siemens-Gelände in Berlin ausweichen, weil der ursprünglich geplante Veranstaltungsort schlicht zu klein gewesen wäre.

Austausch und Interaktion unter 220 Besuchern

Die wachsende Besucherzahl veränderte auch den Charakter der Veranstaltung. „Es ist etwas ganz anderes, Events in dieser Größenordnung zu veranstalten“, sagte Sabine Kluge. Sie hat sich früh auf die Peer-Coaching-Methode WOL spezialisiert und organisierte nun zum dritten Mal das Camp. Die Pausen und das Vorabendevent boten zwar reichlich Zeit für Diskussionen unter den Teilnehmern beziehungsweise „Teilgebern“, wie man dort sagte. Das Barcamp-Format mit offenen Workshops wurde aber auf einen halben Tag gekürzt.

Dafür gab es starke Impulse: John Stepper, der Erfinder von WOL, erzählte in seiner Keynote von seinem persönlichen „Why“ („step by step, take back Control for your life“). Auf einem Podium wurde mit Master-Absolventinnen diskutiert, die sich aus pädagogischer und wirtschaftspsychologischer Perspektive mit der Wirksamkeit von WOL beschäftigten. Und die Organisationssoziologin Judith Muster von der Universität Potsdam war zum Gespräch eingeladen.

Die Bewegung aus organisationssoziologischer Sicht

In den Gesprächen bei Kaffee oder Mittagessen zeigte sich, dass WOL weiterhin den Charakter einer Bewegung hat: Viele Unternehmen stellen keine Arbeitszeit oder Personal für WOL zur Verfügung oder dampfen bestehende Projekte ein. Es lässt sich immer wieder verlauten, dass Besucher auf private Kosten nach Berlin gereist sind.

Judith Muster riet der WOL-Bewegung dazu, sich zu professionalisieren: Es mache einen wesentlichen Unterschied, ob WOL als Bewegung in informellen Strukturen einer Organisation verbleibt oder ob es gelingt, Organisationsstrukturen und -regeln an WOL anzupassen, gewissermaßen zu formalisieren und die Methode so stärker in der Organisation zu verankern. Dabei könne WOL zwar den Bewegungscharakter und die damit einhergehende Offenheit verlieren, aber „im Konfliktfall halten sich Organisationen immer an die Formalstruktur.“ Eine Anbindung der Bewegung an die Organisation sorge deshalb für mehr Sicherheit, auch für einzelne Personen, die sich für WOL engagieren.

Working Out Loud: Erfolge messen?

Katharina Krentz, Consultant New Work bei Bosch, ist die Person, die vor vier Jahren den Kontakt mit John Stepper aufnahm und WOL erstmals nach Deutschland holte. Auch sie kämpft derzeit um formale Anerkennung. Denn mit dem Wachstum der Initiative bei Bosch kommen auf Krentz neue Anforderungen zu: „Die Nachfrage hat stark zugenommen und wir experimentieren viel mit neuen Anwendungsfällen von WOL als Enabler“, sagte sie. „Dafür müssen wir noch besser erklären, was WOL bewirkt und wie wir dies auch nachweisen können.“

In einer Barcamp-Session regte Krentz deshalb an, sich über messbare Erfolge auszutauschen und KPIs für WOL zu entwickeln. In einem Folgetermin sollen die gesammelten Vorschläge verfeinert werden, sodass der WOL-Gemeinde im Bestfall ein Werkzeugkasten zur Erfolgsmessung zur Verfügung gestellt werden kann. Krentz will dabei auch Bosch-CEO Volkmar Denner, von Haus aus Physiker und Ingenieur, den Wert und Erfolg ihrer Initiative darlegen. Sie ist zuversichtlich, dass sich der Einsatz lohnt und dass es gelingen wird, den Mehrwert fürs Business zu belegen: „Wir schaffen das, wir müssen nur lernen, die gleiche Sprache zu sprechen.“

Den Nutzen für Organisationen sichtbar machen

„Wir versuchen KPIs zu identifizieren und bekannt zu machen,“ sagt auch Gastgeberin Kluge, „weil die Einsicht über den Nutzen noch nicht bei allen Führungskräften vorhanden ist.“ Gerade in schwierigen Zeiten besinne man sich auf Kontrollmechanismen, Kostensenkung und Umsatzsteigerung. Dabei habe organisationales Lernen und WOL oft keinen Platz, weil es nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar und mittelfristig ein betriebswirtschaftliches Problem löse, meint Kluge.

Bei der Veranstaltung gibt es keinen Zweifel daran, dass WOL diesen Nutzen für die Transformation erfüllt. Deshalb blicken die Besucher optimistisch in die Zukunft. Oder wie Katharina Krentz es formuliert: „WOL ist in der Welt und wird nicht mehr verschwinden.“


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Schlagworte zum Thema:  New Work, Organisationsentwicklung, Lernmethoden