1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 87 BetrVG betrifft den Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich in den von § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten auf eine Vorgehensweise oder Regelung einigen. Sie können zu diesem Zweck eine Betriebsvereinbarung schließen oder eine sonstige Abrede treffen. Gelingt dies nicht, entscheidet die Einigungsstelle, deren Spruch mit bindender Wirkung die Einigung zwischen den Betriebspartnern ersetzt (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Missachtet der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, sind einseitig getroffene Maßnahmen regelmäßig unwirksam.

 

Rz. 2

Zweck der Mitbestimmung ist die gleichberechtigte Teilhabe der durch den Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmer an Entscheidungen, die sie innerhalb des sozialen Gebindes der Betriebsgemeinschaft betreffen und die sonst im Wege des Direktionsrechts vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden könnten. Die Frage, ob dahinter auch ein allgemeiner arbeitsrechtlicher Schutzgedanke steht, kann bejaht werden, wenn man diesen Schutzgedanken weit versteht. Bei der Mitbestimmung geht es aber nicht um die Egalisierung eines vertraglichen Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist vielmehr der Teilhabegedanke in sozialen Angelegenheiten, der bei der Mitbestimmung klar im Vordergrund steht.

 

Rz. 3

Ausweislich der systematischen Stellung des § 87 BetrVG als erste Norm des dritten Abschnitts des Gesetzes sind von der Mitbestimmung die

  • "sozialen Angelegenheiten" betroffen.

Das Gesetz kennt daneben noch die Abschnitte

Die Intensität der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nimmt mit zunehmender Abschnittszahl ab. Folglich ist sie bei den sozialen Angelegenheiten am stärksten und bei den wirtschaftlichen Angelegenheiten am schwächsten ausgeprägt. § 87 Abs. 1 BetrVG ist Ausdruck eines Konsenszwangs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dieser Gesetzessystematik ist durch eine einschränkende Interpretation des § 87 BetrVG dahingehend Rechnung zu tragen, dass bei der Auslegung der Mitbestimmungstatbestände die Einordnung als "soziale Angelegenheit" nicht verloren gehen darf.[1]

 

Rz. 4

Das Mitbestimmungsrecht ist kein Vetorecht. Das Schweigen des Betriebsrats in einem Fall der echten Mitbestimmung kann daher nicht als Zustimmung gewertet werden (BAG, Urteil v. 29.1.2008, 3AZR 42/06). Eine Zustimmung wird auch nicht nach dem Ablauf einer Frist fingiert. Der Arbeitgeber muss daher das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchführen und sollte dies dokumentieren. Es empfiehlt sich deshalb auch bei einem Verzicht des Betriebsrats auf die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts ein schriftliches Einverständnis des Betriebsrats einzuholen.

 

Rz. 5

Eine materiell-rechtliche Verwirkung von Mitbestimmungsrechten kommt nicht in Betracht (BAG, Beschluss v. 28.8.2007, 1 ABR 70/06; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 4.3.2008, 2 TaBV 42/07). Das BAG hat auch Zweifel an der Möglichkeit einer prozessrechtlichen Verwirkung geäußert. Voraussetzung einer prozessrechtlichen Verwirkung wäre, dass eine Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhoben wird und Umstände vorliegen, aufgrund derer der Anspruchsgegner annehmen durfte, er werde nicht mehr gerichtlich belangt werden. Zudem muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist. Regelmäßig wird daher auch eine prozessrechtliche Verwirkung nicht anzunehmen sein.

[1] Näheres dazu Rz. 43 ff.

1.1 Anwendungsbereich/erschöpfender Katalog; persönlicher Geltungsbereich

 

Rz. 6

Die Vorschriften des § 87 Abs. 1 BetrVG gelten auch für den Gesamtbetriebsrat und den Konzernbetriebsrat im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit (s. § 50 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat und § 58 BetrVG für den Konzernbetriebsrat). Indes haben die Jugend- und Auszubildendenvertretungen auf allen Ebenen im Bereich der sozialen Angelegenheiten keine eigenen Zuständigkeiten. Für die Bordvertretung (§ 115 BetrVG) und den Seebetriebsrat (§ 116 BetrVG) wird auf § 87 BetrVG verwiesen.

 

Rz. 7

Der in § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 BetrVG aufgeführte Katalog von Mitbestimmungstatbeständen ist aus Sicht des Gesetzes abschließend. Ob und in welchem Umfang er durch andere Gestaltungsmittel erweitert werden kann, ist umstritten. Es ist zwischen der Erweiterung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag zu unterscheiden.

 

Rz. 8

Mittels Betriebsvereinbarung kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht geschaffen werden. Darin ist HSWG/Glaubitz, BetrVG, § 87 Anm. 40 zuzustimmen, die ausführen, dass die gesetzliche Regelung das unverrückbare Fundament darstelle, welches Arbeitgeber und Betriebsrat der Gestaltung ihrer Beziehungen zugrunde zu legen haben. ...

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