1 Wahlschutz

 

Rz. 1

§ 20 Abs. 1 und 2 BetrVG sollen eine ungehinderte Betriebsratswahl sicherstellen. Die einzelnen Verbote richten sich gegen alle. Nicht nur Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften dürfen die Wahl nicht behindern oder beeinflussen. Nicht untersagt ist das Erwirken einer einstweiligen Verfügung gegen eine Betriebsratswahl. Maßnahmen gegen unzulässige Wahlen oder Wahlhandlungen sind jedoch keine (verbotene) Behinderung oder Beeinflussung von Betriebsratswahlen.

1.1 Verbot der Wahlbehinderung

1.1.1 Allgemeines Behinderungsverbot

 

Rz. 2

Eine unzulässige Wahlbehinderung liegt vor, wenn die Einleitung oder die Durchführung der Wahl durch ein rechtswidriges Verhalten erschwert oder unmöglich gemacht wird.[1] Eine Behinderung liegt unter anderem vor, wenn der Arbeitgeber nicht die erforderlichen Sachmittel wie z. B. Wahlzettel, Wahlraum zur Verfügung stellt oder erforderliche Auskünfte gibt, ferner, wenn er den Wahlvorstand nicht in erforderlichem Umfang von der Arbeit freistellt.

Bestandteil der Wahl ist auch die Wahlwerbung, die nicht behindert werden darf. Umgekehrt stellt Wahlwerbung bis hin zur Propaganda für oder gegen einen Kandidaten oder eine Liste keine Behinderung der Wahl dar[2] (vgl. aber LAG Hamburg, Beschluss v. 12.3.1998, 2 TaBV 2/98, nach dem Arbeitgeber und leitende Angestellte nicht durch Sammlung von Stützunterschriften oder ähnliche Maßnahmen die Voraussetzungen für die Einreichung einer Liste aktiv schaffen dürfen).

[2] Fitting, § 20 BetrVG Rz. 11.

1.1.2 Schutz des Wahlrechts

 

Rz. 3

§ 20 Abs. 1 S. 2 BetrVG verbietet ausdrücklich, dass der Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt wird. Die Arbeitnehmer werden dadurch vor rechtswidrigen Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit geschützt. Der Arbeitgeber darf insbesondere auswärtige Tätigkeiten nicht deshalb gezielt auf den Wahltag legen, um die betroffenen Arbeitnehmer von der Wahl abzuhalten. Auf der anderen Seite ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, im Übrigen erforderliche Dienstreisen oder Auswärtstätigkeiten unterbrechen oder verschieben zu lassen. Unzulässig sind auch Versetzungen oder Kündigungen, die anlässlich der Betätigung für die Betriebsratswahl oder im Zusammenhang mit ihr gerade deswegen ausgesprochen werden, um die Wahl des Arbeitnehmers zu verhindern oder ihn wegen seines Einsatzes bei der Betriebsratswahl zu maßregeln (BAG, Urteil v. 13.10.1977, 2 AZR 387/76). Auch rechtswidrige Handlungen des Wahlvorstands können unzulässige Wahlbehinderung sein (vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 20.5.2005, 10 TaBV 94/04). So darf der Wahlvorstand beispielsweise den von ihm versendeten Briefwahlunterlagen nicht Wahlwerbeschreiben einzelner Bewerber beifügen (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.11.2019, 4 TaBV 2/19), da dies ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Wahlvorstands darstellt. Schließlich können sogar Wahlbewerber eine unzulässige Wahlbehinderung begehen (LAG München, Beschluss v. 27.2.2007, 8 TaBV 89/06).

Keine Wahlbehinderung findet jedoch statt, wenn Mitarbeiter der Personalabteilung des Arbeitgebers oder andere Beauftragte vor dem Wahllokal zwecks Beobachtung der Wahl aufgestellt werden (LAG Niedersachsen, Beschluss v. 7.5.2007, 9 TaBV 80/06).

1.2 Verbot der Wahlbeeinflussung

 

Rz. 4

Niemand darf ferner Nachteile androhen oder zufügen oder Vorteile gewähren oder versprechen, um die Wahl zu beeinflussen (§ 20 Abs. 2 BetrVG). Eine solche unzulässige Beeinflussung liegt auch vor, wenn eine Gewerkschaft einem Arbeitnehmer mit dem Ausschluss droht, falls dieser ein bestimmtes gewünschtes Verhalten an den Tag legt oder unterlässt. Zulässig ist es allerdings, wenn die Gewerkschaften ihren Mitgliedern Empfehlungen hinsichtlich des Wahlverhaltens aussprechen. Vom Bundesverfassungsgericht wurde ferner ausdrücklich gebilligt, wenn Gewerkschaften ihre Mitglieder anhalten, keine Wahlvorschläge von konkurrierenden Gewerkschaften oder anderen Gruppen zu unterzeichnen, und widrigenfalls einen Gewerkschaftsausschluss androhen (BVerfG, Beschluss v. 24.2.1999, 1 BvR 123/93). Auch vom Gericht als "überzeichnet/dramatisierend" erkannte Veröffentlichungen des Arbeitgebers über das Verhalten einzelner Wahlbewerber müssen nach der Erkenntnis einzelner Arbeitsgerichte nicht zwingend eine unzulässige Wahlbeeinflussung darstellen, wenn dadurch weder der Wahlvorstand – auch nur mittelbar – unter Druck gesetzt noch erkennbar gezielt das Wahlverhalten beeinflusst werden sollte (insbesondere wenn hinreichend Reaktionszeit auf die Erklärungen des Arbeitgebers bis zur Wahl bestanden; LAG München, Beschluss v. 26.10.2006, 4 TaBV 77/06); dieses Verhalten ist aber deutlich ein Grenzfall. Es ist sehr riskant und sollte daher in jedem Detail hinsichtlich "ob" und "wie" genau abgewogen werden. Schon die Aufforderung durch den Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer, noch zu wählen, kann eine Wahlbeeinflussung sein, wenn diese Aufforderung mit der Feststellung verbunden wird, aus der Wählerliste sei ersichtlich, dass der angesprochene Arbeitnehmer noch nicht gewählt habe (LAG München, Beschluss v. 27.1.2010...

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