1 Allgemeines

 

Rz. 1

Nach § 3 KSchG kann der Arbeitnehmer, der eine ordentliche Kündigung für sozial ungerechtfertigt hält, gegen die Kündigung binnen einer Woche beim Betriebsrat Einspruch einlegen.

§ 3 KSchG ist von geringer praktischer Bedeutung. Die Norm ist eher historisch zu erklären, da vor 1945 der Kündigungsschutzklage ein obligatorisches Verständigungsverfahren zwischen Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretung vorgeschaltet war.[1] Anstelle dieses Vorschaltverfahrens ist nunmehr die Beteiligung des Betriebsrats vor der Kündigung nach § 102 BetrVG getreten. Ist der Betriebsrat zu einer Kündigung nicht angehört worden, ordnet das Gesetz in § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Unwirksamkeit der Kündigung an.

 

Rz. 2

Der Zweck des § 3 KSchG liegt darin, dem Arbeitnehmer eine Möglichkeit zu verschaffen, den Betriebsrat (erneut) mit der Kündigung zu befassen und ihn ggf. dazu zu bringen, auch (erneut) Stellung zu der ausgesprochenen Kündigung zu beziehen. Da nach § 102 BetrVG der Betriebsrat den betreffenden Arbeitnehmer nur anhören soll, aber nicht muss, verleiht § 3 KSchG dem Arbeitnehmer somit eine stärkere Stellung als § 102 BetrVG, da er hiernach dem Betriebsrat gegenüber in jedem Fall seiner Sichtweise Geltung verschaffen kann.[2] Dabei soll der Betriebsrat zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermitteln, um so eine weitere Zusammenarbeit im Betrieb – die möglicherweise durch ein Kündigungsschutzverfahren erschwert würde – zu ermöglichen.[3]

Gleichwohl begründet das Einspruchsrecht nach § 3 KSchG keine Beratungskompetenz von Betriebsratsmitgliedern in kündigungsschutzrechtlichen Fragen. Dass der Betriebsrat im Betrieb als Ansprechpartner für die Arbeitnehmer agiert, genügt allein nicht, um geeignet zu sein, Rechtsauskünfte in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten des Arbeitnehmers zu erteilen.[4] Ebenso kommt dem Betriebsrat nach § 3 KSchG auch keine Kompetenz zur Beschaffung von Informationen bezüglich der Frage der Wirksamkeit einer einzelnen Kündigung eines Arbeitnehmers zu.

Er ist nicht Vertreter des Arbeitnehmers, sondern ihm obliegt es lediglich, eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen, soweit er einen Einspruch für begründet hält. Insofern nimmt er nur eine Vermittlerrolle wahr.[5]

[1] Vgl. näher KR/Klose, 13. Aufl. 2022, § 3 KSchG, Rz. 2-4.
[2] ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 3 KSchG, Rz. 3; zur Bedeutung des § 3 KSchG für den Beurteilungszeitpunkt der Kündigung s. Gwose, Der Beurteilungszeitpunkt der Kündigung nach dem KSchG, 2020, S. 166 f.
[3] APS/Künzl, 6. Aufl. 2021, § 3 KSchG, Rz. 2.
[5] ArbG Iserlohn, Beschluss v. 14.1.2020, 2 BV 5/19, BeckRS 2020, 16372.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

§ 3 KSchG gilt für die Beendigungs- und die Änderungskündigung[1], dem Wortlaut nach aber nur für die sozial ungerechtfertigte, d. h. die ordentliche Kündigung. Die Vorschrift kommt demgemäß nur zum Tragen, wenn das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar ist, d. h. die Wartezeit erfüllt und eine ausreichende Beschäftigtenzahl gegeben ist (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG). Außerdem muss ein Betriebsrat im Amt sein.

 

Rz. 4

Nach der ausdrücklichen Regelung in § 13 Abs. 3 KSchG ist § 3 KSchG auf Kündigungen, die aus anderen Gründen als nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG unwirksam sind, nicht anwendbar. Der Arbeitnehmer kann zwar den Betriebsrat auch in Fällen, in denen eine Kündigung aus anderen Gründen unwirksam ist, um Vermittlung bitten. Jener muss sich nach dem Gesetz mit einer solchen Kündigung jedoch nicht befassen.

 

Rz. 5

§ 3 KSchG gilt für alle Arbeitnehmer, ausgenommen dem in § 14 Abs. 2 KSchG genannten Personenkreis: Geschäftsführer, Betriebs- und Personalleiter, Kapitäne und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Für diese Personen ist der Betriebsrat nicht zuständig. Allerdings wird es diesen Personen nicht verwehrt, sich dennoch an den Betriebsrat zu wenden.[2]

[1] APS/Künzl, § 3 KSchG, Rz. 2; KR/Klose, § 3 KSchG, Rz. 28.
[2] ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 3 KSchG, Rz. 1; s. auch Heinz, BB 2019, S. 2868 in Bezug auf leitende Angestellte.

3 Einspruchsverfahren

3.1 Frist und Form des Einspruchs

 

Rz. 6

Der Arbeitnehmer kann binnen einer Woche nach Zugang der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Der Zugang richtet sich nicht nach der tatsächlichen Kenntnisnahme, sondern danach, wann der Arbeitnehmer bei normalem Verlauf von der Kündigung hätte Kenntnis nehmen können. Die Frist berechnet sich nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.

 

Beispiel

Geht die Kündigung an einem Montag zu, beginnt die Wochenfrist am Dienstag, 0 Uhr (§ 187 Abs. 1 BGB) und endet am Montag, 24 Uhr (§ 188 Abs. 2 BGB).

Die Frist ist zum Zwecke der Beschleunigung des Einspruchsverfahrens so kurz gewählt. Sie ermöglicht ggf. eine innerbetriebliche Klärung vor Erhebung einer Kündigungsschutzklage, die nach § 4 KSchG binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden muss. Die Wochenfrist ist allerdings keine Ausschlussfrist. Der Betriebsrat ka...

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