1 Allgemeines

 

Rz. 1

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Anfechtung s. § 119 Rz. 1.

2 Arglistige Täuschung als Anfechtungsgrund

2.1 Grundsätzliches

 

Rz. 2

Unter einer Täuschung ist jedes Verhalten zu verstehen, durch das ein Irrtum bezüglich objektiv nachprüfbarer Umstände erregt, bestärkt oder aufrechterhalten wird, durch die der Getäuschte zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird.[1] Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht.[2] Die Täuschung kann ebenfalls durch Vorspiegeln oder Entstellen von Tatsachen erfolgen, etwa durch das Anfertigenlassen eines handgeschriebenen Lebenslaufs, um bei einem graphologischen Gutachten bessere Werte zu erzielen.[3] Ist der Arbeitnehmer zur Offenbarung von Tatsachen verpflichtet, kann eine Täuschung auch durch Verschweigen von Tatsachen erfolgen.[4] Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vor allem die falsche Beantwortung einer zulässigen Frage des Arbeitgebers.

 
Hinweis

Auch ohne vorangegangene Frage des Arbeitgebers liegt eine Täuschung des Bewerbers durch Verschweigen vor, wenn ihm eine Offenbarungspflicht obliegt und er diese bewusst missachtet.

Für die Annahme einer Arglist ist ausreichend, dass der Täuschende in dem Bewusstsein handelt, der Getäuschte werde durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst, die er ohne seinen Irrtum nicht oder zumindest nicht zu diesen Konditionen abgegeben hätte.[5] Es genügt also, wenn der Täuschende billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt hingegen nicht.[6] Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen.[7] Nicht jede Erregung eines Irrtums begründet das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Vielmehr muss eine Rechtswidrigkeit der Täuschung bestehen, da § 123 BGB die freie Willensentschließung vor Eingriffen anderer schützen soll.[8] Somit stellt die Falschbeantwortung einer vom Arbeitgeber gestellten Frage nur eine Täuschung i. S. d. § 123 BGB dar, wenn dem Arbeitgeber ein Fragerecht zustand. Soll durch das Einreichen eines nicht selbst geschriebenen Lebenslaufs ein graphologisches Gutachten verfälscht werden, fällt diese Handlung ebenfalls nur unter den Tatbestand des § 123 BGB, wenn der Arbeitgeber zur Einholung des Gutachtens berechtigt war.[9]

2.2 Fragerecht des Arbeitgebers

2.2.1 Grundsätzliches

 

Rz. 3

Um sich vor einer Einstellung Kenntnisse über die persönlichen Verhältnisse des Bewerbers zu verschaffen, kann der Arbeitgeber ihn im Rahmen des Einstellungsgesprächs mündlich befragen. Häufig muss der Bewerber auch bereits zur Vorbereitung eines Einstellungsgesprächs einen Personalfragebogen des Arbeitgebers ausfüllen. Der Personalfragebogen ist die formularmäßige Zusammenfassung von Fragen, die Aufschluss über die persönlichen Verhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person geben sollen.[1] Diese Voraussetzungen sind jedoch auch gegeben, wenn der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch dem Bewerber Fragen anhand einer "Checkliste" vorhält und die darauf erteilten Antworten in die Liste einträgt. Ein eigenhändiges Ausfüllen des Bewerbers ist mithin nicht erforderlich.

 

Rz. 4

Die allgemeine Vertragsfreiheit umfasst auch das Recht des Arbeitgebers, sich durch Fragen – für den Vertragsabschluss relevante – Informationen über den Arbeitnehmer zu verschaffen.[2] Diese Informationsfreiheit gilt jedoch nicht uneingeschränkt.[3] So muss die Informationsfreiheit vor allem im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht[4] des Arbeitnehmers beschränkt werden.[5] Die hierzu über Jahrzehnte entwickelten Grundsätze der Fallpraxis zum Fragerecht des Arbeitgebers sind ...

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