Entscheidungsstichwort (Thema)

tarifvertraglicher Verfall des Abgeltungsanspruchs für wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit nicht in Natur genommenen gesetzlichen Mindesturlaubs und Schwerbehindertenzusatzurlaub

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und Schwerbehindertenzusatzurlaubs wandelt sich dann, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit nicht realisert werden konnte, mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen reinen Geldanspruch auf Abgeltung um. Dieser Abgeltungsanspruch ist nicht an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Freistellungsanspruch selbst. Er wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Auszahlung fällig, unabhängig davon, ob ein Freistellungsanspruch bei einem fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit hätte erfüllt werden können; er unterliegt der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT.

 

Normenkette

BUrlG §§ 1, 3, 7 Abs. 4; SGB IX § 125 Abs. 1 S. 1; BAT § 70

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen 4 Ca 415/09 Ö)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.02.2010 – 4 Ca 415/09 Ö – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um Abgeltung für im Jahr 2005 nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaub einschließlich Scherbehindertenzusatzurlaub.

Die am 00.00.1958 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 01.10.1984 bis zum 30.04.2005 beschäftigt. Ab 01.10.1993 erfolgte ihr Einsatz als Registratorin in der Registratur des Fachbereiches Soziales. Grundlage bildete der schriftliche Arbeitsvertrag vom 25.10.1993, in dem die Parteien unter § 2 u. a. die Anwendbarkeit des Bundesangestelltentarifvertrages und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung vereinbarten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 7 und 8 d. A. Bezug genommen.

Ab dem 27.09.2001 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die Entgeltfortzahlungsverpflichtung der Beklagten endete am 28. März 2002. Seit dem 17.07.2003 ist die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50. Mit Bescheid vom 26.04.2004 wurde der Klägerin rückwirkend zum 01.11.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (vgl. Bl. 23 d. A.). Dieser Bescheid wurde der Klägerin im April 2005 zugestellt, woraufhin das Arbeitsverhältnis gemäß § 59 BAT zum 30.04.2005 endete. Urlaubsabgeltung hat die Klägerin nicht erhalten.

Diese hat die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 30.04.2005 der Beklagten gegenüber erstmals mit Schreiben vom 23.01.2009 (vgl. Bl. 10 d. A.) und dann erneut über ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom 10.11.2009 geltend gemacht. Unter dem 23.11.2009 lehnte die Beklagte das Urlaubsabgeltungsbegehren der Klägerin ab und berief sich auf Verjährung.

Mit der am 09.12.2009 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 2002 bis 2005 im Umfang von 10.212,43 EUR brutto in Anspruch genommen.

Dazu hat sie folgendes vorgetragen:

Wegen Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.04.2005 keinen Urlaub nehmen können. Aufgrund der seinerzeit geltenden Rechtslage sei der Urlaubsanspruch von der Beklagten finanziell nicht abgegolten worden. Nachdem am 20.01.2009 der Europäische Gerichtshof entschieden habe, dass der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern, die während des Bezugszeitraumes einschließlich des Übertragungszeitraumes krankgeschrieben gewesen seien und den Urlaub wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht hätten nachholen können, nicht verfallen dürfe, habe die Klägerin ihren Abgeltungsanspruch gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 23.01.2009 geltend gemacht. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginne die Verjährungsfrist, nachdem der Gläubiger Kenntnis von denjenigen Umständen erlangt habe, die den Anspruch begründen würden. Die Klägerin habe erst nach Verkündung des in Bezug genommenen Urteils des Europäischen Gerichtshofes tätig werden können. Vorher sei aufgrund der abweichenden gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Geltendmachung der Ansprüche nicht möglich gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.212,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 17.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe erst nach dem Vorabentscheidungsersuchen des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf vom 02.08.2006 damit rechnen müssen, dass der europäische Gerichtshof die darin gestellten Rechts...

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