Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz eines Ersatzmitglieds nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG bei Erholungsurlaub des ordentlichen Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erholungsurlaub eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds führt grundsätzlich zu dessen Verhinderung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Mit diesem Zeitpunkt erlangt das nachrückende Ersatzmitglied den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, weil der Erholungsurlaub die Pflicht zur Betriebsratstätigkeit suspendiert.

2. Es bleibt offen, ob ein Betriebsratsmitglied während des Erholungsurlaubs Betriebsratstätigkeit ausüben darf. Ist Erholungsurlaub bewilligt, so muss aus Gründen der Rechtssicherheit das Betriebsratsmitglied jedoch so lange als verhindert gelten, wie es dem Betriebsratsvorsitzenden nicht positiv anzeigt, dass es trotz des Urlaubs Betriebsratstätigkeiten wahrnehmen will.

3. Der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG setzt mit Beginn des Arbeitstages ein, an welchem dem ordentlichen Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub bewilligt ist, ohne dass es erforderlich ist, dass das Ersatzmitglied zu konkreter Betriebsratstätigkeit herangezogen wird.

4. Eine einseitige Freistellung des Ersatzmitgliedes durch den Arbeitgeber betrifft nur das Arbeitsverhältnis und führt nicht zu einer Verhinderung des nachrückenden Ersatzmitglieds.

 

Normenkette

BetrVG § 25 Abs. 1 S. 2, § 103 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Teilurteil vom 24.11.2009; Aktenzeichen 7 Ca 1658/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 08.09.2011; Aktenzeichen 2 AZR 388/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 24.11.2009 – 7 Ca 1658/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und über die Erstattung von Detektivkosten.

Der am 06.11.1958 geborene, verheiratete, einem Kind zum Unterhalt verpflichtet Kläger war seit dem 01.07.1997 bei der Beklagten als Kleininstandhalter zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt ca. 3.860 Euro beschäftigt. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten, die ca. 100 Mitarbeiter beschäftigte, war auf die Verwaltung, den Neubau, die Sanierung und den Verkauf von Immobilien gerichtet. Im Gebiet der Stadt X. besaß und verwaltete die Beklagte ca. 6.300 Wohneinheiten.

Bei der Beklagten war ein fünfköpfiger Betriebsrat gebildet. Dieser bestand aus der Vorsitzenden Frau F., dem stellvertretenden Vorsitzenden Herrn M. und den weiteren Mitgliedern Frau H., Herrn T. und Herrn C.. Es waren mehrere Ersatzmitglieder gewählt. Erstes Ersatzmitglied war der Kläger. Dieser wurde zuletzt am 10.03.2009 zu einer Betriebsratssitzung herangezogen.

Zu den Aufgaben des Klägers gehörte es, während der Arbeitszeit die von ihm betreuten Immobilien im Stadtgebiet aufzusuchen und dort u.a. Abnahmen durchzuführen, Gespräche mit Handwerkern zu führen und sonstige Arbeiten zu erledigen. Mängelrügen der Hausverwaltungen bzw. der Mieter liefen in einer zentralen Mängelannahme bei der Beklagten auf. Die dort tätige Mitarbeiterin, Frau L., wies diese dann über einen Computer dem zuständigen Außendiensttechniker zu. Diese Arbeitsaufträge sah der Kläger auf seinem Monitor und arbeitete sie ab. Fahrten zu Immobilien führte der Kläger mit seinem privaten PKW durch. Hierfür stand ihm gegenüber der Beklagten für die dienstlich zurückgelegten Strecken ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer zu. Diese Fahrtstrecken hatte der Kläger durch Führung eines Fahrtenbuches gegenüber der Beklagten zu dokumentieren und nachzuweisen.

Bei der Beklagten war eine Kernarbeitszeit von 9.00 bis 15.00 Uhr angeordnet. Ab 6.00 Uhr konnten Arbeitszeiten erfasst werden. Die Erfassung der Arbeitszeit erfolgte mittels einer Stempelkarte bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende. Bei dienstlichen Außenterminen erfolgte beim Verlassen des Dienstgebäudes eine Buchung als Dienstgang, der durch eine entsprechende Buchung bei Rückkehr beendet wurde.

Am 26.01.2009 entschied der Geschäftsführer der Beklagten, eine Detektei mit der Überwachung des Klägers zu beauftragen, um die dienstlich zurückgelegten Strecken zu dokumentieren und die Daten anschließend mit den Eintragungen im Fahrtenbuch abzugleichen. Die Beauftragung der Detektei B. GmbH in H. erfolgte über den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 03.02.2009. Die Observationen wurden am 18.02.2009, 20.02.2009, 25.02.2009 und 26.02.2009 sowie in der Zeit vom 15.03.2009 bis zum 20.03.2009 durchgeführt. Hierfür stellte die Detektei der Beklagten insgesamt 26.032,38 Euro in Rechnung. Das Fahrtenbuch für den Monat März 2009 legte der Kläger am 03.04.2009 seinem Vorgesetzten vor. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verglich am 06.04.2009 die Eintragungen mit den Feststellungen der Detektei.

Die Observationen ergaben, dass der Kläger während seiner Arbeitszeit auch privaten Dingen nachging, wobei Umfang un...

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