Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von Zeitungszustellern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zeitungszusteller sind in der Regel als Arbeitnehmer anzusehen.

2. Dies gilt auch dann, wenn sie für mehrere Zeitungsverlage oder Vertriebsagenturen tätig werden und die Zustellungen nicht stets „in Person” (§ 613 Satz 1 BGB) durchführen, sondern sich hierbei der Mithilfe von Familienangehörigen oder anderer Personen bedienen.

3. Auf die von den Vertragspartnern übereinstimmend gewählte Bezeichnung des Zustellers als selbständig Tätiger sowie auf die Abrechnungsmodalitäten durch Erstellung von Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Mehrwertsteuer kommt es nicht an. Maßgebend ist der tatsächliche Geschäftsinhalt.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 613

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 12.10.1995; Aktenzeichen 2 Ca 4124/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.07.1997; Aktenzeichen 5 AZR 312/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.10.1995 – 2 Ca 4124/95 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Streitwert: unverändert (9.000,– DM).

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei dem zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Die Beklagte betreibt eine Agentur zum Vertrieb verschiedener Presseerzeugnisse, unter anderem der F. Sie beschäftigt neben weiteren Mitarbeitern nach eigenen Angaben 48 Zeitungszusteller – sogenannte „Zeitungsjungen” – auf Geringverdienerbasis mit Arbeitszeiten von 5 bis 90 Minuten pro Arbeitstag. Daneben sind weitere Personen, unter anderem der Kläger, als Zusteller für sie tätig, deren rechtlicher Status zumindest teilweise streitig ist.

Der am 24.11.1943 geborene Kläger war zunächst gemäß Anstellungsschreiben vom 28.07.1980 (Blatt 8 der Akten) ab 01.08.1980 als Zeitungszusteller für einen näher bezeichneten Zustellbezirk bei der Beklagten beschäftigt. Er war verpflichtet, die ihm abends ab 23.00 Uhr zur Verfügung gestellten Zeitungsexemplare den Kunden bis spätestens 07.00 Uhr am Morgen des nächsten Tages zuzustellen. Die Vergütung erfolgte stückzahlbezogen mit monatlicher Abrechnung. Im Falle einer Erkrankung war der Kläger verpflichtet, die Beklagte unverzüglich zu benachrichtigen und für eine vorübergehende Vertretung zu sorgen. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien handelte es sich bei diesem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis (Blatt 26 der Akten). Mit Schreiben vom 01.06.1987 (Blatt 35 der Akten) kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis zum 30.06.1987.

Ab 01.07.1987 wurde das Vertragsverhältnis mit der Ehefrau des Klägers fortgesetzt, die es ihrerseits zum 31.12.1988 kündigte. In der Folgezeit war zeitweise der Sohn des Klägers, R., Vertragspartner der Beklagten.

Spätestens ab 01.01.1990 war wieder der Kläger für die Beklagte tätig. Einen (erneuten) schriftlichen Vertrag schlossen die Parteien nicht. Nach Angaben der Beklagten war der Kläger an sie herangetreten und habe gebeten, künftig auf Rechnungsbasis arbeiten zu wollen. Dies habe er damit begründet, daß er zusammen mit seinem Sohn eine Firma für Zustelldienste gründen wolle. Für die einzelnen Zustellungen wolle er dann Rechnungen erstellen.

In der Folgezeit erstellte der Kläger mit einzelnen Unterbrechungen bis zuletzt monatliche Rechnungen, zunächst unter der Firmenbezeichnung „.B. T.”, später unter der Alleinbezeichnung „B.” (Blatt 117 bis 140 der Akten). Die Rechnungsbeträge basierten auf einem vereinbarten Stückentgelt pro Zeitung und pro Monat zuzüglich gesondert ausgewiesener Mehrwertsteuer. Bei den Zustellbezirken handelte es sich inzwischen um zwei Bezirke im Stadtgebiet D. Neben der Tätigkeit für die Beklagte übernahm der Kläger zumindest zeitweise zusätzlich Zustelldienste bei Dritten für anderweitige Zeitungen, unter anderem der „…” und der Tageszeitung R.

Mit Schreiben vom 06.03.1995 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31.03.1995. Hiergegen wandte sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage. In einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf vom 19.05.1995 – 8 Ca 1941/95 – einigten die Parteien sich darauf, daß ihr Vertragsverhältnis nicht aufgelöst ist.

Mit der vorliegenden Klage, die am 27.06.1995 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangen ist, begehrt der Kläger die Feststellung, daß es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt. Hierzu hat er vorgetragen:

Tatsächlich habe sich an dem ursprünglich seit August 1980 bestehenden Arbeitsverhältnis nichts geändert. Auch während der Zeit, als das Vertragsverhältnis mit seiner Ehefrau bestanden habe, sei der Vertrag von ihm erfüllt worden. Seine Ehefrau habe zu keiner Zeit die Zeitungszustellungen durchgeführt. Im Jahre 1990 habe die Beklagte die Entlohnungsmethode von sich aus umgestellt und Nettobeträge plus Mehrwertsteuer gezahlt, für die sie später Rechnungen verlangt habe. In Wirk...

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