Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestlohn

 

Leitsatz (amtlich)

Die vom Arbeitgeber pauschaliert erhobene und von ihm geschuldete Lohnsteuer nach § 40a Abs. 1 EStG ist bei der Überprüfung, ob der Mindestlohn nach TV Mindestlohn gezahlt wurde, wirtschaftlich dem Arbeitnehmer zuzurechnen.

Die Zusatzversorgungskasse kann in diesem Rechtstreit daher keine weiteren Beiträge wegen Mindestlohnunterschreitung fordern.

 

Normenkette

EStG § 40a

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 14.09.2010; Aktenzeichen 1 Ca 2002/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.08.2012; Aktenzeichen 10 AZR 589/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 14. September 2010 – 1 Ca 2002/09 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten für einzelne Monate der Jahre 2006 bis 2008 zusätzliche Beiträge zum Sozialkassensystem der Bauwirtschaft, wobei die Höhe des für kurzzeitig beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer zu entrichtenden Beitrags in Streit steht.

Die Klägerin war in dem von der Klage erfassten Zeitraum als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft nach näherer tariflicher Regelungen die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte mit Sitz in A bei B unterhält einen Hochbau- und Maurerbetrieb. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Beklagte mit ihrem Betrieb dem Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) unterfällt. Die Beklagte nimmt an dem Sozialkassenverfahren teil.

In der Zeit von Januar 2006 bis September 2008 beschäftigte die Beklagte in einigen Monaten Arbeitnehmer nur kurzfristig. Bei diesen Arbeitnehmern verzichtete sie auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte und führte gemäß § 40a Abs. 1 EStG eine pauschale Lohnsteuer ab, welche sie den Arbeitnehmern im Innenverhältnis nicht anlastete. Die Beklagte schloss mit diesen Arbeitnehmern keine schriftlichen Arbeitsverträge.

Die Beklagte zahlte den kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern im Regelfall einen Nettostundenlohn von durchschnittlich 6,65 EUR aus. Zur Wiedergabe des Inhalts der den insgesamt 38 Arbeitnehmern erteilten Abrechnungen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 21. Mai 2010 Bezug genommen (Bl. 71 – 150 d.A.).

Die Beklagte entrichtete an den Kläger vollständig die Beiträge gemäß § 18 Abs. 2 VTV, welche sie aus dem nach § 40a EStG pauschal zu versteuernden Bruttolohn berechnete, wie dieser auch in den Lohnabrechnungen ausgewiesen wurde.

Die Klägerin hat mit ihrer am 23. November 2009 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingereichten und der Beklagten am 08. April 2010 zugestellten Klage weitere Beiträge für die kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmer gefordert. Nach den Lohnabrechnungen hätten die Arbeitnehmer nur einen Bruttostundenlohn zwischen 8,31 EUR und 8,38 EUR erhalten, der jeweils verbindliche Mindestlohn sei danach unterschritten worden. Die von der Beklagten pauschaliert abgeführte Lohnsteuer in Höhe von 25 % sei weder steuer- noch sozialversicherungsrechtlich Bestandteil des Bruttolohnes. Das folge aus § 40 Abs. 3 S. 2 EStG. Dieser Maßstab sei auch der Beurteilung zu Grunde zu legen, ob der Mindestlohn eingehalten werde.

Die Klägerin hat die Differenz zwischen dem in den Lohnabrechnungen der jeweiligen Arbeitnehmer aufgeführten Bruttostundenlohn und dem Mindestlohn der Lohngruppe 1 nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) in der jeweiligen Fassung berechnet und fordert aus den Differenzbeträgen weitere Beiträge gemäß § 18 Abs. 2 VTV. Wegen dieser Beitragsberechnung wird auf die Anlagen zur Klageschrift verwiesen (Bl. 11 – 52 d.A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe mit den kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern keine wirksamen Nettolohnvereinbarungen geschlossen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.730,12 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die pauschalierte Lohnsteuer sei bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob ihre kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmer den Lohn der Lohngruppe 1 erhielten. Addiere man zu den ausgezahlten Löhnen die von ihr übernommenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und die pauschalierte Steuer, sei jedem Arbeitnehmer der Mindestlohn der Lohngruppe 1 gezahlt worden. Sie hat dazu behauptet, sie habe mit den Arbeitnehmern Nettolohnvereinbarungen getroffen, wonach sie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und die Pauschalsteuer übernehmen werde.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch am 14. September 2010 verkündetes Urteil stattgegeben. Zur Darlegung der Urteilsgründe sowie des vollständigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen (Bl. 155 – 159 d.A.).

Das Urteil d...

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