Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Bei einem Unternehmen mit Sitz im Mitgliedstaat A beschäftigte Arbeitnehmer, die zur Ausführung von Arbeiten in den Mitgliedstaat B entsandt worden sind. Im Mitgliedstaat B tarifvertraglich festgelegter Mindestlohn. Klagebefugnis einer Gewerkschaft, die ihren Sitz im Mitgliedstaat B hat. Vorschriften des Mitgliedstaats A, die eine Übertragung von Lohnforderungen an Dritte verbieten

 

Normenkette

AEUV Art. 56; Richtlinie 96/71/EG Art. 6, 5, 3; AEUV Art. 57

 

Beteiligte

Sähköalojen ammattiliitto

Sähköalojen ammattiliitto ry

Elektrobudowa Spólka Akcyjna

 

Tenor

1. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens verbietet es die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ausgelegt im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dass eine Regelung des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen, das Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat entsandt hat, seinen Sitz hat, nach der die Übertragung von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen verboten ist, eine Gewerkschaft wie die Sähköalojen ammattiliitto ry daran hindern kann, bei einem Gericht dieses anderen Mitgliedstaats, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, eine Klage zu erheben, um für die entsandten Arbeitnehmer auf sie übertragene Lohnforderungen einzuziehen, bei denen es um den Mindestlohn im Sinne der Richtlinie 96/71 geht, da diese Übertragung im Einklang mit dem in diesem anderen Mitgliedstaat geltenden Recht steht.

2. Art. 3 Abs. 1 und 7 der Richtlinie 96/71 ist im Licht der Art. 56 AEUV und 57 AEUV dahin auszulegen, dass

  • er einer Berechnung des Mindeststundenlohns und/oder Mindestakkordlohns auf der Grundlage der Einteilung der Arbeitnehmer in Lohngruppen, wie sie nach den maßgeblichen Tarifverträgen des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehen ist, nicht entgegensteht, sofern diese Berechnung und diese Einteilung nach zwingenden und transparenten Vorschriften vorgenommen werden, was zu prüfen Aufgabe des nationalen Gerichts ist;
  • ein Tagegeld wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter den gleichen Bedingungen als Bestandteil des Mindestlohns anzusehen ist, wie sie für seine Einbeziehung in den Mindestlohn gelten, der einheimischen Arbeitnehmern bei ihrer Entsendung innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats gezahlt wird;
  • eine Entschädigung für die tägliche Pendelzeit, die den Arbeitnehmern unter der Voraussetzung gezahlt wird, dass ihre tägliche Pendelzeit mehr als eine Stunde beträgt, als Bestandteil des Mindestlohns der entsandten Arbeitnehmer anzusehen ist, sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, was zu prüfen Aufgabe des nationalen Gerichts ist;
  • die Übernahme der Kosten für die Unterbringung dieser Arbeitnehmer nicht als Bestandteil ihres Mindestlohns anzusehen ist;
  • eine Zulage in Form von Essensgutscheinen, die an diese Arbeitnehmer ausgegeben werden, nicht als Bestandteil ihres Mindestlohns angesehen werden darf, und
  • die Vergütung, die den entsandten Arbeitnehmern für die Dauer des bezahlten Mindestjahresurlaubs zu gewähren ist, dem Mindestlohn entspricht, auf den diese Arbeitnehmer im Referenzzeitraum Anspruch haben.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Satakunnan käräjäoikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 12. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2013, in dem Verfahren

Sähköalojen ammattiliitto ry

gegen

Elektrobudowa Spółka Akcyjna

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer S. Rodin in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter), der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: I. Illessy, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Sähköalojen ammattiliitto ry, vertreten durch J. Kailiala, asianajaja, und J. Hellsten,
  • der Elektrobudowa Spolka Akcyjna, vertreten durch V.-M. Lanne, asianajaja, und W. Popiolek, adwokat,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch M. Wolff und C. Thorning als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Arciszewski, J. Fałdyga und D. Lutostańska als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und C. Hagerman als Bevollmächtigte,
  • der norwegischen Regierung, vertreten durch P. Wennerås als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Paasivirta und J. Enegren als Bevollmächtigte...

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