Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerfreiheit eines "Kommunalen Erziehungsgelds": Voraussetzungen des § 3 Nr.11 EStG, steuerrechtlicher Begriff der "Erziehung" - Nachholung einer vom Tatsachengericht unterlassenen Auslegung durch den BFH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bezüge aus öffentlichen Mitteln können als Beihilfe i.S. des § 3 Nr.11 EStG steuerfrei nur für denjenigen sein, dem sie bewilligt worden sind.

2. Werden Eltern aus kommunalen Mitteln Beihilfen zur Deckung von Aufwendungen für die Betreuung des Kindes durch Dritte bewilligt und erfolgt die Zahlung auf Antrag der Eltern unmittelbar an die Betreuungsperson, so sind diese Einnahmen der Betreuungsperson nicht steuerbefreit.

 

Orientierungssatz

1. Unter Erziehung i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu verstehen. Sie erfaßt alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen. Der steuerrechtliche Erziehungsbegriff beschränkt sich daher nicht auf die schulische Erziehung, sondern beinhaltet auch die Erziehung des Kleinkindes einschließlich der Gruppenerziehung. Wird eine erzieherische Tätigkeit in Verbindung mit weiteren Tätigkeiten wie Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstiger Betreuung erbracht, so bleibt der Charakter freiberuflicher Betätigung dann erhalten, wenn die anderen Tätigkeiten lediglich notwendige Hilfstätigkeiten sind und die Erziehung der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge gibt.

2. Kommunale Leistungen fallen nicht unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nr.67 EStG.

3. Steuerbefreiung nach § 3 Nr.11 EStG: Aus "öffentlichen" Mitteln stammen Geldleistungen, über die nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und deren Verwendung im einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (im Streitfall: kommunales Erziehungsgeld). Ob mit dem Begriff der "Bewilligung" zwingend ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Leistendem und Empfänger zu verlangen ist, bleibt im Streitfall unentschieden.

4. Ist vom Tatsachengericht eine notwendige Auslegung unterlassen worden, so ist das Revisionsgericht nicht gehindert, selbst eine Auslegung auf der Grundlage der dafür ausreichenden Tatsachenfeststellungen vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 43/89).

5. Eine unmittelbare Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr.11 EStG ist gegeben, wenn der Person, der die Erziehung anvertraut ist, Zuschüsse gegeben werden, um hierdurch die Erfüllung der Erziehungsaufgaben zu unterstützen. Für die Förderung der Erziehung ist nicht notwendig, daß etwa der Erzieher über bestimmte fachliche Qualifikationen verfügen muß.

6. Ein für die Betreuung einer Kleinkindergruppe gezahltes kommunales Erziehungsgeld kann steuerfrei sein, soweit es auf das eigene Kind des Betreuers entfällt.

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 11, 67; FGO § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Gerichtsbescheid vom 05.02.1996; Aktenzeichen X 400/93)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten. Die als Diakonin ausgebildete Klägerin betreute ab 1. August 1991 im eigenen Haus eine Gruppe von fünf drei- bis vierjährigen Kindern, ab 1992 ergänzt um eine eigene Tochter, an wöchentlich drei Tagen für je drei Stunden. Im Zusammenhang mit der Betreuung leistete das Jugendamt der Stadt A Zahlungen an die Klägerin, die als "Kommunales Erziehungsgeld" bezeichnet wurden und sich auf 250 DM monatlich pro Kind beliefen.

Grundlage dafür waren Richtlinien der Stadt A zur Gewährung eines Kommunalen Erziehungsgelds vom 15. November 1990 (Richtlinien 1990) bzw. vom 24. Februar 1992 (Richtlinien 1992). Dort heißt es u.a.:

"§ 1

Die Stadt A gewährt auf Antrag den Eltern von drei- bzw.

vierjährigen Kindern ein Kommunales Erziehungsgeld

entsprechend den nachfolgenden Vorschriften, wenn die

Eltern die Sorge für das Kind ausüben und in A wohnen. ...

§ 2

I. Die Eltern erhalten ein Jahr lang einen Betrag von

monatlich 150,-- DM, sofern ihr dreijähriges Kind weder in

einen Kindergarten noch in eine andere von der Stadt

geförderte Einrichtung zur Kinderbetreuung geht.

...

§ 3

I. Ein monatlicher Betrag von 250 DM wird maximal zwei Jahre

für drei- bis vierjährige Kinder gezahlt, wenn die

folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Das Kind geht weder in einen Kindergarten noch in

eine andere von der Stadt geförderte Einrichtung, wird

aber aufgrund elterlicher Initiative in einer Gruppe

von drei bis fünf Kindern betreut.

b) Die Betreuung erfolgt durch eine in der Erziehung

erfahrene Person und muß wöchentlich an mindestens

drei Tagen mit je drei Stunden stattfinden.

c) Die Elterngruppe schließt mit dem/der BetreuerIn

einen schriftlichen Betreuungsvertrag. Der

Betreuungsvertrag ist der Stadt A - Jugendamt -

vorzulegen. Veränderungen sind unverzüglich

anzuzeigen.

(Die folgenden Buchstaben d) und e) nur Richtlinien 1992:)

d) Die BetreuerInnen verpflichten sich, einmal im Monat an

einem Fachgespräch mit dem Jugendamt (Fachberaterin für

Kindertagesstätten) teilzunehmen.

e) Das Jugendamt hat die Möglichkeit, jederzeit Einblick in

die Gruppenarbeit zu nehmen.

...

§ 4

Die Gewährung des Kommunalen Erziehungsgeldes schließt die

Zugangsberechtigung zu einem Kindergarten oder einer von

der Stadt zu fördernden Einrichtung nicht aus. Wird von

den Eltern ein solcher Platz angenommen, erlischt der

Anspruch auf die Fortzahlung des Kommunalen

Erziehungsgeldes.

..."

Die Richtlinien 1992 gingen im übrigen dadurch über die

frühere Regelung hinaus, daß in Ausnahmefällen auch für

fünfjährige Kinder ein Kommunales Erziehungsgeld gezahlt

werden konnte. Nach einer ab 1. August 1992 geltenden

Dienstanweisung des Jugendamtes lag ein solcher Fall vor, wenn

trotz rechtzeitigen Antrags ein Kindergartenplatz nicht zur

Verfügung stand. Im Kindergartenjahr 1991/92 hatten etwa 95

v.H. der vier- und fünfjährigen Kinder auf Antrag einen Platz

in Kindergärten oder ähnlichen Einrichtungen erhalten.

Aufgrund eines von der Stadt entworfenen Vertragsmusters

schloß die Klägerin mit den Eltern der von ihr betreuten

Kinder am 4. Juni 1992 einen Betreuungsvertrag, in dem es u.a.

heißt:

"6. Die Eltern fordern die Stadt A auf, das Kommunale

Erziehungsgeld auf das Betreuungskonto ... von Frau ... zu

überweisen."

Gleichlautende Vereinbarungen waren auch schon für das

vorangegangene Kindergartenjahr (1. August bis 31. Juli)

getroffen worden.

Die Betreuungszeiten (dienstags bis donnerstags 9 bis 12 Uhr)

wurden im wesentlichen durch Spiele verbracht, wobei die

Klägerin die Kinder beaufsichtigte und pädagogisch auf ihr

Verhalten und den Spielverlauf einwirkte. Verköstigt wurden

die Kinder währenddessen lediglich mit Getränken, von wenigen

Ausnahmen im Zusammenhang mit im Jahresverlauf anfallenden

Festen abgesehen. In sechswöchigem Abstand nahm die Klägerin

an einem Erfahrungsaustausch mit anderen Betreuerinnen im

Rahmen des Projekts "Kommunales Erziehungsgeld" teil.

Die Einnahmen der Klägerin aus der Betreuung beliefen sich

1991 auf 6 250 DM und 1992 auf 18 000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah

die Einnahmen, soweit sie sich auf fremde Kinder bezogen, als

solche aus sonstiger selbständiger Tätigkeit i.S. des § 18

Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und

errechnete nach Abzug einer Betriebsausgabenpauschale von 90

DM pro Kind und Monat Einkünfte von 4 000 DM (1991) bzw. 9 600

DM (1992). Das für die eigene Tochter im Jahr 1992 gezahlte

Kommunale Erziehungsgeld von 3 000 DM behandelte das FA nach

Abzug der Werbungskostenpauschale von 200 DM als sonstige

Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 EStG. Sämtliche Einkünfte der

Klägerin erfaßte das FA, indem es am 16. August 1993 nach §

173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte

Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1991 und 1992

erließ.

Die hiergegen erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das

Finanzgericht (FG) sah die Bezüge als steuerbefreit gemäß § 3

Nr. 11 EStG an. Zur Begründung seiner Entscheidung

(Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 1014) führte

es im wesentlichen aus, es handele sich um Bezüge aus dem

Haushalt der Stadt, die planmäßig direkt an die Betreuerinnen

geleistet worden seien und lediglich eine Beihilfe

darstellten. Das Kommunale Erziehungsgeld sei unmittelbar zur

Förderung der Erziehung bestimmt gewesen und hätte nicht der

Entlastung der Kindergärten dienen sollen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, § 3 Nr. 11

EStG sei unzulässig weit ausgelegt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die streitigen Bezüge der Klägerin sind nicht in vollem Umfang steuerfrei.

1. Die Klägerin übt mit der Betreuung fremder Kinder in einer Spielgruppe eine erzieherische Tätigkeit selbständig aus und erzielt daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Unter Erziehung ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu verstehen. Sie erfaßt alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Dezember 1965 V 24/62 U, BFHE 84, 503, BStBl III 1966, 182; vom 21. November 1974 II R 107/68, BFHE 115, 64, BStBl II 1975, 389; vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018). Der steuerrechtliche Erziehungsbegriff beschränkt sich daher entgegen der Ansicht des FA nicht auf die schulische Erziehung, sondern beinhaltet auch die Erziehung des Kleinkindes einschließlich der Gruppenerziehung.

Wird eine erzieherische Tätigkeit in Verbindung mit weiteren Tätigkeiten wie Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstiger Betreuung erbracht, so bleibt der Charakter freiberuflicher Betätigung dann erhalten, wenn die anderen Tätigkeiten lediglich notwendige Hilfstätigkeiten sind und die Erziehung der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge gibt (Senatsurteil in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018). So verhält es sich im Streitfall. Nach den von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG beschränkten sich die von der Klägerin erbrachten Nebenleistungen auf die bei einer solchen Art von Gruppenerziehung üblichen und notwendigen Leistungen, wie kurzzeitige Unterbringung und Beaufsichtigung sowie geringfügige Verköstigung. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß nicht die bloße Betreuung und Beaufsichtigung der Tätigkeit das Gepräge gab. Dafür spricht vor allem die Häufigkeit und Dauer der Betreuungszeit. Sie hätte es nämlich nicht beiden Elternteilen ermöglicht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Zeit der Betreuung durch die Klägerin von neun Stunden wöchentlich, verteilt auf drei Tage, hätte nicht einmal für eine stundenweise Berufstätigkeit des Elternteils ausgereicht, das die Betreuung des Kindes übernommen hat. Ein sonstiges gewichtiges Interesse der Eltern, das Kind regelmäßig für eine bestimmte Zeit betreut zu wissen, ist nicht zu erkennen.

Ohne Bedeutung ist im Streitfall, daß das FG zu den Fachkenntnissen der Klägerin lediglich festgestellt hat, sie sei ausgebildete Diakonin. Selbst wenn diese Ausbildung keine besonderen erzieherischen Kenntnisse vermittelt hätte, kann doch im Hinblick auf die von der Stadt aufgestellten Eignungskriterien davon ausgegangen werden, daß die Klägerin als zugelassene Betreuungsperson über hinreichendes pädagogisches Fachwissen verfügte. Der Ablegung einer besonderen Prüfung bedarf es zur Annahme einer freiberuflich betriebenen erzieherischen Tätigkeit nicht (BFH-Urteil vom 25. April 1974 VIII R 166/73, BFHE 112, 474, BStBl II 1974, 642).

2. Die Einnahmen aus der Betreuung fremder Kinder sind entgegen der Vorentscheidung nicht steuerbefreit.

a) Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 67 EStG liegen ersichtlich nicht vor. Danach begünstigt sind nur Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und vergleichbare Leistungen der Länder. Kommunale Leistungen sind nach dem insoweit eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut der Vorschrift nicht durch § 3 Nr. 67 EStG steuerbefreit.

b) Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 11 EStG erfüllt seien. Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt worden sind, die Erziehung unmittelbar zu fördern.

Die Zahlungen an die Klägerin für die Betreuung fremder Kinder sind keine Beihilfen im Sinne dieser Vorschrift. Empfänger einer steuerbefreiten Beihilfe können nur die Personen sein, denen sie im Hinblick auf den Zweck der Leistung bewilligt worden ist. Zwar trifft § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG keine ausdrückliche Regelung zu der Person des Empfängers einer Beihilfe. Eine Einschränkung des Personenkreises ergibt sich jedoch aus dem Zweck der Steuerbefreiung, aus öffentlichen Mitteln gewährte Hilfen für Bedürftige nicht durch Besteuerung wieder zu schmälern. Dies läßt sich für Bezüge, die "wegen Hilfsbedürftigkeit" gewährt werden, ohne weiteres dem Gesetzeswortlaut entnehmen, gilt aber entsprechend auch für Beihilfen. Steuerbefreit sollen danach nur die Zahlungen für denjenigen sein, der nach der Vorstellung der bewilligenden Stelle einer Beihilfe bedarf.

Wer Empfänger des Kommunalen Erziehungsgelds sein sollte, ergibt sich nach Überzeugung des Senats eindeutig aus § 1 Abs. 1 der Richtlinien zur Gewährung eines Kommunalen Erziehungsgelds. Danach wird "auf Antrag den Eltern" von Kindern im Kindergartenalter ein Kommunales Erziehungsgeld gewährt. Der Auffassung der Kläger, Empfänger könnte nach dieser Formulierung auch die Betreuungsperson sein und die Eltern seien nur als Antragsteller erwähnt, kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Die Auffassung der Kläger ließe sich nur halten, wenn die Formulierung lauten würde "auf Antrag der Eltern". Dem steht nicht entgegen, daß in dem von der Stadt vorgesehenen Muster-Vertrag eine unmittelbare Zahlung an die Betreuungsperson vorgesehen ist. Diese Vereinbarung betrifft nur den Zahlungsweg und nicht die Inhaberschaft des Anspruchs auf Kommunales Erziehungsgeld, wie schon aus der Formulierung deutlich wird "die Eltern fordern die Stadt auf ...". Sie wäre sinnlos, wenn die Eltern keinen Anspruch hätten, aufgrund dessen sie etwas von der Stadt fordern könnten. Schließlich ist nach den Richtlinien nur vorgesehen, daß ein Betreuungsvertrag abgeschlossen wird, nicht aber, daß im Betreuungsvertrag eine unmittelbare Zahlung an die Betreuungsperson vereinbart werden muß. Ob in der Praxis immer das Vertragsmuster der Stadt mit der Zahlungsklausel verwendet worden ist, kann für die Auslegung der Rechtsverhältnisse keinen Anhaltspunkt bieten.

Zu diesem Ergebnis kann der Senat kommen, obwohl das FG eine Würdigung der Person des Beihilfeempfängers nicht vorgenommen hat. Ist vom Tatsachengericht eine notwendige Auslegung unterlassen worden, so ist das Revisionsgericht nicht gehindert, selbst eine Auslegung auf der Grundlage der dafür ausreichenden Tatsachenfeststellungen vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, BStBl II 1991, 918; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 118 Rz. 17, m.w.N.).

3. Der Bezug des Kommunalen Kindergelds im Streitjahr 1992 für die eigene Tochter ist indessen steuerbefreit. In der Person der Eltern von betreuten Kindern sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 11 EStG für das Kommunale Kindergeld erfüllt.

a) Es handelt sich um einen Bezug aus öffentlichen Mitteln. Aus öffentlichen Mitteln stammen Geldleistungen, über die nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und deren Verwendung im einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (BFH-Urteile vom 19. Juli 1972 I R 109/70, BFHE 106, 438, BStBl II 1972, 839; vom 9. April 1975 I R 251/72, BFHE 115, 374, BStBl II 1975, 577; in BFHE 139, 536, BStBl II 1984, 113; vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Aus dem Haushalt einer Kommune können Mittel nur nach Maßgabe des kommunalen Haushaltsrechts einschließlich seiner Kontrollmechanismen verausgabt werden. Das zudem aufgrund einer kommunalen Satzung gewährte Erziehungsgeld erfüllt deshalb die Voraussetzungen für öffentliche Mittel.

b) Die Bezüge sind bewilligt worden. Ob mit dem Begriff der "Bewilligung" zwingend ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Leistendem und Empfänger zu verlangen ist (v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. B 11/4), kann der Senat unentschieden lassen, denn ein solches Verhältnis besteht jedenfalls zwischen der Kommune und der anspruchsberechtigten Person.

c) Der Vorentscheidung ist darin zuzustimmen, daß mit dem Kommunalen Erziehungsgeld bezweckt wurde, die Erziehung zu fördern. Wie vorstehend ausgeführt handelt es sich bei der Tätigkeit der Betreuungspersonen um eine erzieherische Tätigkeit, bei der Unterbringung, Beaufsichtigung und Verköstigung usw. als Hilfstätigkeit anzusehen sind. Diesem erzieherischen Zweck soll die Gewährung des Kommunalen Erziehungsgelds dienen.

Gegen die Förderung der Erziehung spricht nicht, daß an die Qualifikation der Betreuer keine spezifizierten Anforderungen gestellt worden sind. Einerseits kann bei entsprechender Auslegung der Mindestqualifikation "in der Erziehung erfahrene Person" sichergestellt werden, daß die Kenntnisse und Fähigkeiten der Betreuungsperson den Anforderungen an eine Kleingruppenerziehung entsprechen. Andererseits ist durch die obligatorische Teilnahme der Betreuer an Fachgesprächen mit Fachberatern des Jugendamts und die generelle Supervision durch das Jugendamt gesichert, daß die Betreuungspersonen fortwährend geschult und unterstützt werden.

Unerheblich ist insoweit, ob die Stadt mit ihrem Betreuungsangebot Kindergartenplätze einsparen oder dem Anspruch auf Kindergartenplätze für dreijährige Kinder nach § 24 des Sozialgesetzbuches VIII genügen wollte. Denn auch bei zeitlich entsprechender Betreuung in Kindergärten stünde der Gesichtspunkt der Erziehung im Vordergrund.

d) Das Erziehungsgeld war im übrigen auch dazu bestimmt, "unmittelbar" die Erziehung zu fördern. Eine unmittelbare Förderung der Erziehung ist gegeben, wenn der Person, der die Erziehung anvertraut ist, Zuschüsse gegeben werden, um hierdurch die Erfüllung der Erziehungsaufgaben zu unterstützen (BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Das Kommunale Erziehungsgeld sollte nach den Feststellungen des FG dazu dienen, durch Betreuung drei- und vierjähriger Kinder in Kleingruppen deren Kindergartenreife herbeizuführen. Die in den Richtlinien getroffenen Regelungen stellten sicher, daß nur bei Bildung entsprechender Gruppen das Erziehungsgeld gezahlt wurde, und zwar nach dem Mustervertrag direkt an die Betreuungsperson. Das Erziehungsgeld diente damit nicht etwa zur Deckung der allgemeinen Lebenshaltungskosten der Familie, sondern unmittelbar zur Erfüllung einer konkreten Erziehungsaufgabe.

e) Gegenüber den Eltern von betreuten Kindern hat das Erziehungsgeld den Charakter einer Beihilfe, denn deren Kosten für die Erziehung sollen nach den vorstehenden Ausführungen durch das Erziehungsgeld ausgeglichen werden. Wie in seinem Urteil in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571 kann der Senat die Frage dahinstehen lassen, ob eine Beihilfe begrifflich noch vorliegt, wenn sie die gesamten Aufwendungen abdeckt, oder ob eine Eigenleistung des Beihilfeempfängers verbleiben muß (so FG Düsseldorf, Urteil vom 27. April 1977 VIII 273/76 E, EFG 1977, 467, rechtskräftig; v. Beckerath, a.a.O., Rdnr. B 11/5). Im Streitfall ist jedenfalls davon auszugehen, daß nicht sämtliche Kosten der Erziehung im Zusammenhang mit der Betreuung in einer Kleingruppe abgedeckt werden. Denn das Erziehungsgeld wird in voller Höhe zur Vergütung der Betreuungsperson verwendet. Soweit weitere Aufwendungen bei den Eltern anfallen, etwa durch Transport des Kindes zu der Betreuungsperson, findet ein Kostenersatz nicht statt.

f) Für die Steuerbefreiung des Erziehungsgelds für ein eigenes Kind ist ohne Bedeutung, ob ein Elternteil zugleich als Betreuer tätig ist. Der Charakter einer Beihilfe bleibt auch in einem solchen Fall bestehen. Zwar entstehen den Eltern in diesem Fall keine Kosten durch Vergütung der Betreuungsperson. Statt dessen sind aber die Kosten für Beköstigung, Nutzung von Räumen, Einrichtung und Spielzeug zu berücksichtigen, die im Streitfall nach den Feststellungen des FG das Erziehungsgeld überschritten. Das für eigene Kinder von Betreuungspersonen gezahlte Erziehungsgeld ist danach ebenso steuerbefreit wie das Eltern fremdbetreuter Kinder zustehende Erziehungsgeld.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für einen Erlaß der angefochtenen Bescheide wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen vorgelegen haben. Diese Feststellungen sind jetzt nachzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66324

BFH/NV 1997, 423

BStBl II 1997, 652

BFHE 183, 488

BFHE 1998, 488

BB 1997, 1834 (Leitsatz)

DB 1998, 113

DB 1998, 113 (Leitsatz)

DStR 1997, 1396-1399 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 745 (Leitsatz)

DStZ 1997, 826 (Leitsatz)

HFR 1997, 820-821 (Leitsatz und Gründe)

StRK, R.7 (Leitsatz und Gründe)

Information StW 1997, 602-603 (Leitsatz und Gründe)

LEXinform-Nr. 0144111

KFR 1998, 189

KFR, 2/98, S 189 (H 6/1998) (Leitsatz und Gründe)

NWB, Fach 3 10589-10590 (41/1998) (Gründe)

BFH/NV BFH/R 1997, 423-425 (Leitsatz und Gründe)

NJWE-FER 1997, 260-262 (Leitsatz und Gründe)

NWB-DokSt 1998, 517

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