Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Erklärt ein Arbeitgeber während einer Lohnsteuerprüfung, daß er die vom Prüfer festgestellte Nachsteuer übernehmen werde, so ist hierin regelmäßig nicht die Vereinbarung einer Netto-Entlohnung zu erblicken. Der nachgeforderte Steuerbetrag ist vielmehr grundsätzlich als zusätzlicher Arbeitslohn des betreffenden Arbeitnehmers in dem Kalenderjahr anzusehen, in dem der Arbeitgeber diesen Lohnsteuerbetrag an das Finanzamt abführt.

Ein Arbeitgeber, der bei einer Lohnsteuerprüfung auf die Lohnsteuerpflicht bestimmter Zuwendungen an seine Arbeitnehmer hingewiesen wurde, kann sich bei einer späteren Prüfung grundsätzlich nicht darauf berufen, daß der Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt hätte, mit diesen Zuwendungen zusammenhängende Werbungskosten geltend zu machen und dadurch die Höhe der Lohnsteuer zu mindern.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 38; LStDV § 46

 

Tatbestand

Bei einer im August 1958 durchgeführten Lohnsteuerprüfung stellte das Finanzamt unter anderem fest, daß die Bfin. in den Jahren 1955 bis 1958 drei Arbeitnehmern firmeneigene Kraftwagen sowohl zur dienstlichen als auch zur privaten Benutzung überlassen hatte. Das Finanzamt schätzte bei zwei Arbeitnehmern den durch die überlassung zur privaten Nutzung zugewendeten Vorteil auf 80 DM monatlich, bei dem dritten auf 50 DM monatlich. Da die Bfin. sich während der Lohnsteuerprüfung zur übernahme der sich dadurch ergebenden Mehrsteuer bereit erklärte, nahm das Finanzamt insoweit Nettoentlohnung an und berechnete die Lohnsteuer dementsprechend. Einem anderen Arbeitnehmer, der für betriebliche Fahrten seinen eigenen Kraftwagen benutzte, hatte die Bfin. dafür eine Pauschalentschädigung von 300 DM im Monat bezahlt, für die sie keine Lohnsteuer einbehalten hatte. Das Finanzamt forderte auch hierfür Lohnsteuer durch Haftungsbescheid nach. Einspruch und Berufung der Bfin. gegen diese Lohnsteuernachforderungen hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht bejahte hinsichtlich der Lohnsteuernachforderung wegen der Kraftwagenüberlassung zum privaten Gebrauch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach die Lohnsteueranforderung des Finanzamts. Da die Bfin. über den Umfang der privaten Kraftfahrzeugbenutzung der Angestellten keine Nachweise habe erbringen können, sei der ihnen zugewendete geldwerte Vorteil gemäß § 217 AO zu schätzen. Derartige Schätzungen hafte naturgemäß eine gewisse Unsicherheit an. Die von der Bfin. mit 1000 bis 1500 km jährlich angegebene private Nutzung entspreche nur etwa 3,3 bis 5 v. H. der gesamten Kraftfahrzeugbenutzung. Das Finanzamt habe demgegenüber den Anteil der privaten Benutzung mit 15,6 v. H. bzw. 9,7 v. H. angenommen. Diese Schätzung sei nicht zu beanstanden; denn in Abschn. 118 Abs. 2 EStR 1958 sei ein privater Nutzungsanteil von 20 bis 25 v. H. als angemessen bezeichnet. Da die Bfin. bereits während der Lohnsteuerprüfung sich zur übernahme der anfallenden Mehrsteuer bereit erklärt habe, liege insoweit eine Nettolohnvereinbarung vor. Hinsichtlich der an den vierten Arbeitnehmer gezahlten Pauschentschädigung sei die Lohnsteuernachforderung gleichfalls berechtigt. Die Pauschentschädigung sei Teil des Arbeitslohns. Der Arbeitnehmer habe seine Werbungskosten durch einen Antrag auf Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags oder auf Berücksichtigung im Lohnsteuerjahresausgleich geltend machen können. Von diesen Möglichkeiten habe er keinen Gebrauch gemacht, obwohl sie ihm bekanntgewesen seien. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 105/55 U vom 20. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 84, Slg. Bd. 66 S. 217) könne sich die Bfin. nicht berufen; denn in dieser Entscheidung sei die Berücksichtigung derartiger Werbungskosten im Lohnsteuerhaftungsverfahren nur ausnahmsweise zugelassen worden. Da die Bfin. bereits bei der vorhergehenden Lohnsteuerprüfung auf die Lohnsteuerpflicht der Pauschvergütung hingewiesen worden sei, liege ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Es stehe dem Finanzamt nach § 7 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes frei, welchen der beiden Gesamtschuldner es in Anspruch nehmen wolle. Es habe sich daher nicht an den Arbeitnehmer halten müssen, sondern habe die Nachsteuer von der Bfin. anfordern können. Daß der Arbeitnehmer inzwischen aus ihren Diensten ausgeschieden sei und jetzt bei der Konkurrenz arbeite, ändere nichts daran; denn das Rückgriffsrecht gegen ihn sei auch jetzt noch zu realisieren.

Die Bfin. hält auch in der Rb. die Schätzung des privaten Nutzungsanteils bei zwei Arbeitnehmern für überhöht. Sie macht geltend, daß die betreffenden Arbeitnehmer beruflich so stark in Anspruch genommen gewesen seien - und zwar auch sonntags -, daß höchstens ein Betrag von 300 DM, der 1500 privat gefahrenen Kilometern entspreche, als Arbeitslohn angesetzt werden könne. Bei dem dritten Arbeitnehmer würden Einwendungen gegen die Höhe des Ansatzes dagegen nicht erhoben. Es könne jedoch bei allen drei Arbeitnehmern keine Nettoentlohnung angenommen werden. Sie zahle seit jeher Bruttolöhne. Sie könne es sich bei der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht leisten, erstklassigen Spezialkräften, um die es sich bei den betreffenden Angestellten handle, den Arbeitslohn durch unvorhergesehene Lohnsteuernachforderungen zu kürzen. Die von ihr übernommene Lohnsteuer sei vielmehr ein einmaliger Bezug des Jahres 1958, in dem sie die Lohnsteuer gezahlt habe. Hinsichtlich der Lohnsteuer des Arbeitnehmers, der seinen eigenen Personenkraftwagen für Betriebszwecke verwendet und dafür monatlich 300 DM erhalten habe, macht sie geltend, daß sich das Finanzamt an diesen Arbeitnehmer hätte halten müssen, da dieser nicht mehr in ihren Diensten sei. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers widerspreche in einem solchen Fall der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Im übrigen müßten die aus den vorliegenden Aufstellungen ersichtlichen Werbungskosten für die Feststellung der geschuldeten Lohnsteuer mit den gezahlten Unkostenpauschbeträgen verrechnet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

überläßt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Pkw als Arbeitsmittel zur Ausübung seiner Berufstätigkeit und gestattet ihm die Benutzung für private Zwecke, so liegt in der Erlaubnis zu Privatfahrten die Zuwendung eines geldwerten Vorteils, der als Arbeitslohn der Lohnsteuer zu unterwerfen ist. Der Wert, mit dem dieser Vorteil bei der Lohnsteuer anzusetzen ist, kann erfahrungsgemäß nur durch Schätzungen ermittelt werden. Das Finanzgericht hat die Schätzungen des Finanzamts gebilligt, das Beträge der Lohnsteuer unterworfen hat, die 15,6 v. H. bzw. 9,7 v. H. der gesamten Fahrten des Kalenderjahres entsprechen. Der Senat ist an diese auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegenden Schätzungen gemäß § 288 Ziff. 1 AO gebunden, da sie nicht auf einem Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten oder auf einer Verletzung des geltenden Rechts beruhen. Es ist nicht zu verkennen, daß jede Schätzung gewisse Ungenauigkeiten enthält. Das ist nicht zu vermeiden und muß deshalb in Kauf genommen werden. Im Streitfall ist nicht festzustellen, daß die Vorinstanzen bei der Würdigung der Verhältnisse zu Ergebnissen gelangt sind, die außerhalb des Bereichs des Wahrscheinlichen liegen. Der von der Bfin. vorgeschlagene Anteil der privaten Kraftfahrzeugbenutzung, der sich zwischen 3,3 und 5 v. H. bewegt, muß demgegenüber nach der Lebenserfahrung auch unter Berücksichtigung der von der Bfin. vorgetragenen Umstände als zu niedrig bezeichnet werden. Der Senat kann daher nach dem Akteninhalt von den vorgenommenen Schätzungen nicht abgehen.

Begründet sind dagegen die Einwendungen der Bfin., soweit sie sich gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene und gebilligte Nettolohnbesteuerung wendet. Aus dem Umstand, daß die Bfin. sich während der Lohnsteuerprüfung bereit erklärt hat, die nachgeforderte Lohnsteuer zu tragen, kann nicht geschlossen werden, daß insoweit eine Nettoentlohnung erfolgt ist. Die Bfin. erlangte durch die Zahlung der nachgeforderten Lohnsteuer bürgerlich-rechtlich Ausgleichsansprüche gegen ihre Arbeitnehmer. Wenn sie diese nicht geltend machte, liegt darin die Zuwendung eines neuen geldwerten Vorteils, und zwar in dem Jahr, in dem sie auf die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitnehmer verzichtet. Der Senat hat das bereits für den Fall ausgesprochen, daß der Arbeitgeber nach Erlaß eines Lohnsteuerhaftungsbescheids davon absieht, vom Arbeitnehmer Lohnsteuer nachzufordern (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 24/56 U vom 27. September 1957, BStBl 1957 III S. 418, Slg. Bd. 65 S. 480). Nicht wesentlich anders ist es, wenn der Arbeitgeber während einer Lohnsteuerprüfung dem Prüfer gegenüber eine solche Erklärung abgibt. Die Vereinbarung eines Nettolohnes ist demgegenüber Bestandteil des Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine solche Vereinbarung muß infolgedessen, wenn sie bei der Besteuerung beachtet werden soll, zwischen den am Arbeitsvertrag Beteiligten getroffen worden sein. Eine Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt, er werde die Lohnsteuer für bestimmte Zuwendungen an seinen Arbeitnehmer selbst tragen, bewirkt keine änderung des Arbeitsvertrags und kann schon deshalb nicht als Vereinbarung einer Nettoentlohnung aufgefaßt werden. Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Unbegründet sind dagegen die Einwendungen der Bfin. gegen ihre Haftbarmachung für die Lohnsteuer des Angestellten, der seinen eigenen Pkw bei seiner Berufsarbeit benutzt und dafür eine monatliche Pauschentschädigung erhalten hat. Daß die Zahlung des Pauschbetrags als Arbeitslohn angesehen wurde, entspricht dem geltenden Recht und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt hätte, wegen seiner tatsächlichen Aufwendungen für die berufliche Benutzung seines Pkw die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte zu beantragen oder seine Aufwendungen im Lohnsteuerjahresausgleich geltend zu machen. Die Bfin. kann sich im Streitfall nicht darauf berufen, daß der Arbeitnehmer die Berücksichtigung von Werbungskosten hätte verlangen können. Ihr Hinweis auf das bereits angeführte Urteil VI 105/55 U vom 20. Dezember 1957 geht fehl. Jenes Urteil spricht aus, daß ausnahmsweise ein im Haftungsverfahren in Anspruch genommener Arbeitgeber sich auf solche Umstände berufen kann, die sich erst durch die rechtliche Beurteilung des Finanzamts im Haftungsverfahren ergeben, wenn sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sich über die Möglichkeit der Geltendmachung von Werbungskosten infolge einer anderen Beurteilung der Rechtslage im Irrtum befunden haben. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Bei der vorhergehenden Lohnsteuerprüfung war die Bfin. auf die Rechtslage hingewiesen worden, und sie hatte auch den Arbeitnehmer davon verständigt. Wenn die Bfin. es trotzdem unterlassen hat, von den Pauschalzahlungen Lohnsteuer einzubehalten, und der Arbeitnehmer seinerseits davon abgesehen hat, seine Werbungskosten rechtzeitig geltend zu machen, so ist dieser Ausnahmefall nicht gegeben. Es muß vielmehr bei dem Grundsatz verbleiben, daß die Bfin. von den Pauschbeträgen zu Unrecht eine Lohnsteuer nicht einbehalten hat und daß das Finanzamt infolgedessen berechtigt war, sie als Arbeitgeber gemäß § 46 LStDV 1957 für die geschuldete Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen. Daß das Finanzamt sich an die Bfin. gehalten hat, ist, zumal im Hinblick auf die ihr bei der vorhergehenden Lohnsteuerprüfung erteilte Belehrung, nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409978

BStBl III 1961, 139

BFHE 1961, 376

BFHE 72, 376

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