Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebungsvertrag – Wegfall der Geschäftsgrundlage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beurteilung einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung aufgrund von Urkundenfälschungen.

2. Die Geschäftsgrundlage für einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag fällt nicht ohne weiteres weg (§ 242 BGB), wenn nach dessen Abschluß zum gleichen Auflösungszeitpunkt auch noch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. Der Aufhebungsvertrag steht jedoch in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung, daß das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird. Löst dann eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag – einschließlich einer darin vereinbarten Abfindung – gegenstandslos.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1; BGB §§ 158, 242, 626

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.03.1996; Aktenzeichen 7 Sa 102/95)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 04.08.1995; Aktenzeichen 20 Ca 3072/93)

 

Tatbestand

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 19. Dezember 1989 als Mechaniker seit 1. Januar 1990 bei der Beklagten in deren Werk S tätig. In dem vom Kläger unter dem 18. Dezember 1989 ausgefüllten Personalbogen hatte er keine Kinder aufgeführt. Anläßlich des Arbeitsantritts wurde dem Kläger ein sog. Schubladenwerkzeugsatz ausgehändigt, der u. a. zwei Bohrersätze mit insgesamt 75 Bohrern enthält, nämlich den „Bohrersatz 1 bis 5”, der aus 50 Einzelbohrern im 1 mm-Abstand, und den „Bohrersatz 5 - 10”, der aus 25 Einzelbohrern im 2 mm-Abstand besteht. Das Werkzeug mußte beim Austritt wieder zurückgegeben werden.

Die Beklagte hatte beschlossen, im Werk S bis zum 31. Dezember 1993 447 Mitarbeiter abzubauen; hierüber verhält sich ein mit dem Betriebsrat abgeschlossener Interessenausgleich vom 27. Juli 1993. Darin war u. a. vorgesehen, daß interessierte Arbeitnehmer gegen Zahlung von Abfindungen ausscheiden könnten. Im Hinblick hierauf schlossen der Kläger und die Beklagte am 23. September 1993 einen Aufhebungsvertrag per 31. Dezember 1993, wonach der Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 24.600,- DM mit dem letzten Arbeitsentgelt – teilweise im Januar 1994 – und für den Fall, daß er nach Ablauf von 9 Monaten nach dem Ausscheiden immer noch arbeitslos sein sollte, eine weitere Abfindung von 24.600,- DM erhalten sollte.

Am 8. November 1993 erhielt der im Werk S beschäftigte Gruppenleiter G von der internen Materialvergabe zu seiner Verwunderung einen kompletten Bohrersatz 1 bis 5. Er stellte fest, daß die sog. BVE-Entnahmekarte mit seinem Namen unterzeichnet war, obwohl er die Unterschrift nicht geleistet hatte. Nach Meldung des Vorfalls wurde der Kläger als Besteller des Werkzeugs ermittelt und befragt und gab dabei zu, den fraglichen Bohrersatz am 22. Oktober 1993 mit einer BVE-Entnahmekarte angefordert und mit dem Namen G unterzeichnet zu haben; er erklärte weiter, schon mindestens 5 mal in dieser Weise verfahren zu sein. Inzwischen ist unstreitig, daß der Kläger am 22. Oktober 1993 insgesamt vier BVE-Entnahmekarten ausgefüllt und jeweils mit dem Namen G unterzeichnet hat. Angefordert wurden dabei ein „Bohrersatz 1 bis 5”, ein „Bohrersatz 5 bis 10”, ein „Bohrständer 1 bis 5” und ein „Bohrständer 5 bis 10”. Eine im Einverständnis des Klägers durchgeführte Spinddurchsuchung führte zur Sicherstellung von 17 Bohrern, 3 Aluminiumplatten und einem Blechgitter. Noch am 9. November 1993 wurde der Kläger von der Arbeit freigestellt.

Im Zusammenhang mit erforderlichen Werkzeugnachbeschaffungen ist im Betrieb S folgende Handhabung festgelegt: Für abgenutztes oder beschädigtes Werkzeug kann von den einzelnen Arbeitnehmern Ersatz mit einer sog. BVE-Entnahmekarte angefordert werden. Der jeweilige Arbeitnehmer füllt eine entsprechende Entnahmekarte aus, wobei auf der linken Seite unter der Rubrik „Empfänger-Anschrift” der Besteller und in der Mitte unter der Rubrik „Artikelbezeichnung nach Bosch-Norm” der Gegenstand der Bestellung aufzuführen und darunter unter der Rubrik „Berechtigte Unterschrift” eine Bestätigung der Bestellung durch einen Zeichnungsberechtigten erforderlich ist. Zur Unterschriftsleistung sind im Betrieb nur wenige in ein Verzeichnis aufgenommene Mitarbeiter berechtigt. Während der Gruppenleiter G zu den Unterschriftsberechtigten gehört, gilt dies z. B. nicht für den Werkleiter. Der Arbeitnehmer, der Werkzeug anfordern will, soll die Unterschrift des für ihn zuständigen Gruppenleiters einholen; ist dieser nicht erreichbar, dann kann er sich an eine andere in das Verzeichnis der Unterschriftsberechtigten aufgenommene Person wenden. Neben der Möglichkeit, über BVE-Entnahmekarten Ersatzwerkzeug anzufordern, können die Arbeitnehmer Ersatz auch sofort über sog. Werkzeugmarken (Pfandmarken) beim BVE-Lager ausleihen. Jedem Mitarbeiter werden derartige Werkzeugmarken ausgehändigt.

Mit Schreiben vom 10. November 1993 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie wolle das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, vorsorglich zugleich fristgerecht zum 31. Dezember 1993 kündigen. Zum Kündigungsgrund heißt es: „Urkundenfälschung (siehe Aktenvermerk vom 9.11.1993)”. Dieser Aktenvermerk war dem Anhörungsschreiben beigefügt. Das Anhörungsschreiben selbst enthält keine Angaben zum Familienstand des Klägers. Der fragliche Aktenvermerk wurde vom Mitarbeiter Gö des Werkschutzdienstes abgefaßt und vom Kläger gegengezeichnet. Dem Vermerk hat der Personalleiter W handschriftlich hinzugefügt: „Es wird noch ein Bohrersatz (5 bis 10) mit ebenfalls gefälschter Unterschrift auftauchen”. Der Betriebsrat äußerte mit Schreiben vom 11. November 1993 Bedenken gegen die beabsichtigte fristlosen Kündigung. Die Beklagte kündigte hierauf das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. November 1993 fristlos auf. Der in Aussicht genommenen vorsorglichen fristgerechten Kündigung widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 16. November 1993. Mit Schreiben vom selben Tage sprach die Beklagte vorsorglich eine ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 1993 aus.

Der Kläger hat sich darauf berufen, die Unterzeichnung der BVE-Entnahmekarten mit dem Namen eines Zeichnungsberechtigten sei betriebsüblich gewesen, wenn ein solcher nicht erreichbar gewesen sei und eine Bestellung sofort habe durchgeführt werden müssen. In seinem Falle liege jedenfalls ein schuldausschließender Verbotsirrtum vor. Er habe auch nicht die Absicht gehabt, sich Bohrer und sonstige Gegenstände anzueignen. Die beiden Bohrersätze habe er am 22. Oktober 1993 bestellt, weil er die ihm zu Anfang des Arbeitsverhältnisses überlassenen Bohrersätze vor seinem Ausscheiden habe komplettieren wollen. Er sei mehrfach aufgefordert worden, nicht einzelne Ersatzwerkzeuge, sondern komplette Sätze zu bestellen, wobei man dann das überflüssige Werkzeug in dem in der Abteilung vorhandenen Vorratsschrank zur allgemeinen Verwendung deponiert habe. Sein Schubladenwerkzeug sei nicht mehr vollständig bzw. nicht mehr funktionstüchtig gewesen. Die am 22. Oktober 1993 bestellten Bohrersätze habe er im übrigen nicht erhalten. Die 17 in seinem Spind gefundenen Bohrer habe er von dem Mitarbeiter M erhalten, der im April 1993 die Abteilung gewechselt habe. Aus diesem Anlaß habe dieser ihm einen ganzen Karton mit Werkzeug überlassen, das überzählig gewesen sei. Die Bohrer habe er fast 6 Monate im Spind zwischengelagert, weil es sich zumindest überwiegend um Zwischengrößen gehandelt habe.

Schließlich könne die von der Beklagten zur Aneignungsabsicht und zum Bestehen eines entsprechenden Tatverdachts angeführte Kündigungsbegründung nicht berücksichtigt werden, weil der Betriebsrat hierzu nicht angehört worden sei. Dem Betriebsrat sei nämlich nur mitgeteilt worden, die Kündigung solle wegen Urkundenfälschung ausgesprochen werden. Außerdem sei der Betriebsrat nicht über die Unterhaltspflichten gegenüber seinen Kindern unterrichtet worden.

Zur Begründung der um Abfindungszahlung erweiterten Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte könne sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, da der Abschluß des Aufhebungsvertrages ihrem Wunsch entsprochen habe, der Beklagten kein Schaden entstanden sei und das fragliche Werkzeug einen Wert von unter 500,- DM gehabt habe.

Nachdem erstinstanzlich eine wegen einer angeblich am 9. November 1993 mündlich ausgesprochenen Kündigung erhobene Klage ebenso wie die gegen die ordentliche Kündigung vom 16. November 1993 gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist, beantragt der Kläger noch,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 12. November 1993 nicht aufgelöst worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 49.200,- DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 24.600,- DM seit dem 1.1.1994, ferner aus dem sich aus 600,- DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1.2.1994 und aus dem sich aus 24.600,- DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1.11.1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der fristlosen Kündigung vom 12. November 1993 geendet, so daß sie auch die nach dem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung nicht mehr schulde. Der Kläger habe Urkundenfälschungen begangen, indem er die BVE-Entnahmekarten mit der Unterschrift des Herrn G versehen habe. Es werde bestritten, daß am 22. Oktober 1993 weder einer der fünf unterschriftsberechtigten Gruppenleiter noch eine der weiteren vier zur Unterschrift berechtigten Personen anwesend gewesen seien; etwas Gegenteiliges habe der Kläger auch nicht vorgetragen. Es sei schon auffällig, daß der Kläger mit dem Namen G unterzeichnet habe, obwohl der für ihn zuständige Gruppenleiter Herr Sc gewesen sei. Falsch sei die Behauptung des Klägers, es sei betriebsüblich gewesen, beim Nichtantreffen von Unterschriftsberechtigten selbst mit deren Namen zu unterzeichnen. Vor der zu diesem Gesichtspunkt beschlossenen Beweisaufnahme habe der Kläger den von ihm benannten Zeugen B zu erpressen versucht, in seinem Sinne auszusagen. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, warum er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, Werkzeug über sog. Werkzeugmarken auszuleihen.

Neben der Urkundenfälschung habe auch eine Zueignungsabsicht bestanden, wie sich aus verschiedenen Umständen ergebe. Dafür spreche, daß der Kläger komplette Bohrersätze bestellt habe, obwohl am 9. November 1993 bei der Überprüfung der Bohrersätze in seinem Schubladenwerkzeug von den insgesamt 75 Bohrern lediglich fünf gefehlt hätten; alle anderen Bohrer seien funktionstauglich vorhanden gewesen. Für die Bestellung eines kompletten Bohrersatzes habe es daher keinen Anlaß gegeben, vielmehr deute dies auf eine Bereicherungsabsicht hin, insbesondere wenn man das für relativ kurze Zeit danach geplante Ausscheiden des Klägers, dem auch noch Urlaub zugestanden habe, berücksichtige. Wenn der Kläger gegenüber dem Werkschutz das Fehlverhalten bei der Unterzeichnung der BVE-Karten sofort eingeräumt habe, so könne ihn dies nicht entlasten. Vielmehr spreche die Aufbewahrung von 17 Bohrern im Spind des Klägers ebenfalls für eine Diebstahlsabsicht, wobei bestritten werde, daß die fraglichen Bohrer aus den Beständen des Mitarbeiters M stammten und bereis ein halbes Jahr im Spind gelagert worden seien. Da der Spind ca. 200 Meter vom Arbeitsplatz des Klägers entfernt gewesen sei, passe dies auch nicht zu der Annahme, der Kläger habe die Bohrer bei der Arbeit benutzen wollen. Auf jeden Fall bestehe der dringende Verdacht, daß sich der Kläger die 17 Bohrer sowie die anderen am 22. Oktober 1993 im Wege der Urkundenfälschung bestellten Gegenstände habe zueignen wollen. Keiner der fraglichen Gegenstände, die sämtlich einschließlich des an Herrn G gelangten Bohrersatzes 1 – 5 ausgeliefert worden seien, sei ab 9. November 1993 am Arbeitsplatz des Klägers aufgefunden worden; sie seien auch später dort nicht aufgetaucht, was dafür spreche, daß der Kläger sie vor dem 9. November 1993 mitgenommen habe.

Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt, wobei der Familienstand für den Entschluß, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, keine Rolle gespielt habe. Im übrigen seien etwaige Unterhaltspflichten des Klägers unbekannt gewesen, da der Kläger entgegen der Arbeitsordnung und seinem Vorbringen im Personalbogen die fehlerhaften Angaben auch nicht richtig gestellt habe. Neben der Überreichung des Anhörungsschreibens vom 10. November 1993 und des Aktenvermerks vom 9. November 1993 sei dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt auch durch den Personalleiter W – erläutert worden. Das ergebe sich im übrigen aus der Stellungnahme des Betriebsrats.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen B, G, M, Be, K und Sch die außerordentliche Kündigung vom 16. November 1993 für unwirksam erklärt, die ordentliche Kündigung vom gleichen Tage jedoch als wirksam angesehen und die Klage insoweit abgewiesen; im übrigen hat es dem Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist im wesentlichen erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO). Das Berufungsgericht wird abschließend über die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung vom 12. November 1993 zu befinden haben (§ 626 BGB), denn die Betriebsratsanhörung war nicht fehlerhaft, § 102 BetrVG.

I.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte könne die Kündigung nur auf den Vorwurf der Urkundenfälschung stützen, weil sich die Anhörung des Betriebsrats ausschließlich hierauf bezogen habe.

Zwar sei das aufgrund der Urkundenfälschung vorliegende Fehlverhalten des Klägers an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden; denn die vom Kläger zur subjektiven Seite (Vorsatz, Irrtum usw.) gemachten Ausführungen überzeugten nicht, da er nicht vorbringe, der Beklagten wäre das von ihm behauptete, gleiche Fehlverhalten der von ihm benannten Arbeitskollegen bekannt gewesen und sei von ihr hingenommen worden. Der Kläger habe vielmehr der rigorosen Handhabung der Unterschriftsberechtigung entnehmen müssen, daß die Beklagte das von ihr eingeführte Verfahren für wichtig hielt. Gleichwohl sei es der Beklagten zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, weil neben der Tatsache, daß der unbeteiligte Arbeitnehmer G in den Verdacht geraten sei, dem Umfang nach nicht vertretbare Werkzeuganforderungen zu unterstützen, sonstige Auswirkungen des Fehlverhaltens des Klägers nicht zu berücksichtigen seien; auch sei offen, ob der Beklagten ein Schaden entstanden sei. Von einer Wiederholungsgefahr bis zum 31. Dezember 1993 könne nicht ausgegangen werden.

Mangels wirksamer außerordentlicher Kündigung stehe dem Kläger der Abfindungsanspruch zu, weil die Geschäftsgrundlage nicht entfallen sei. Beide Parteien seien beim Abschluß des Aufhebungsvertrages davon ausgegangen, das Arbeitsverhältnis werde nicht vor dem 31. Dezember 1993 enden; diese Vorstellung habe sich nicht als unrichtig erwiesen.

II.

Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe wesentliche Sachverhaltsbestandteile nicht gewürdigt und überzogene Anforderungen an die Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nach § 102 BetrVG gestellt.

1. Mit der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (u. a. BAG Urteile vom 28. Februar 1974 - 2 AZR 455/73 - BAGE 26, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972; vom 16. September 1993 - 2 AZR 267/93 - BAGE 74, 185, 194 f. = AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 2 b cc der Gründe; vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - BAGE 78, 39, 45 = AP Nr. 68, aaO, zu II 1 der Gründe; zuletzt vom 31. Januar 1996 - 2 AZR 181/95 - n.v., zu II 1 der Gründe; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 102 Rz 25; KR-Etzel, 4. Aufl., § 102 BetrVG Rz 106 f.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 259 f.) ist davon auszugehen, daß die Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Insofern genügt es nicht, daß der Arbeitgeber die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- und stichwortartig vorträgt, vielmehr ist der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt so zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (Senatsurteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - AP Nr. 73, aaO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

a) Von dieser Rechtsprechung geht auch das Landesarbeitsgericht aus, wenn es die Mitteilung der Beklagten zum Kündigungsgrund „Urkundenfälschung” im Hinblick auf § 102 Abs. 1 BetrVG genügen läßt, die Überprüfung der Kündigung allerdings allein hierauf beschränkt. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, der Arbeitgeber müsse nur den kündigungsrechtlich relevanten Sachverhalt mitteilen, auf den er die Kündigung stützen wolle, während er rechtliche Wirkungen und Wertungen nicht mitzuteilen brauche; entscheidend sei der Lebenssachverhalt, wie er dem Betriebsrat mitgeteilt worden sei, auf eine juristische Wertung komme es nicht an. Insofern beanstandet die Revision, das Landesarbeitsgericht habe hauptsächlich auf den im Anhörungsschreiben vom 10. November 1993 herausgestellten Kündigungsgrund „Urkundenfälschung” abgestellt, ohne dabei die Schilderung laut Aktenvermerk vom 9. November 1993 vollständig einzubeziehen.

aa) Bei dem Anhörungsschreiben handelt es sich um eine Erklärung nichttypischer Art, so daß deren Auslegung grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist (Senatsurteil vom 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - BAGE 78, 39, 50 = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 4 a der Gründe, m.w.N.); in diesen Fällen ist nach dieser Rechtsprechung eine Überprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin möglich, ob das Berufungsgericht eine Auslegung völlig unterlassen hat, ob diese unzureichend ist oder wesentlicher Auslegungsstoff nicht herangezogen worden ist.

Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Beurteilungsspielraums kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist in der Tat wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben.

bb) Das Anhörungsschreiben vom 10. November 1993 für sich genommen weist tatsächlich zunächst nur „Urkundenfälschung” als Kündigungsgrund aus. Im Anhörungsschreiben wird aber auf einen Aktenvermerk, der unstreitig dem Anhörungsschreiben beigefügt war, ausdrücklich hingewiesen. Nach dem Inhalt dieses Aktenvermerkes hat der Kläger zugegeben, zumindest eine BVE-Entnahmekarte am 22. Oktober 1993 selbst ausgefüllt und fälschlich mit dem Namen G unterschrieben zu haben; es ist dann weiter davon die Rede, aufgrund dessen seien Spezialbohrer 1 – 5 abgeholt worden. Bereits hieraus ergibt sich, daß nicht allein die „Urkundenfälschung” isoliert betrachtet Gegenstand der Mitteilung an den Betriebsrat war, sondern auch die Tatsache, daß es mit Hilfe dieser Urkundenfälschung zur Auslieferung von Spezialbohrern gekommen ist. Der Vermerk enthält ferner einen Hinweis darauf, bei der Spindnachschau seien 17 weitere Bohrer und vier Disketten sichergestellt worden, wobei der Kläger erklärt habe, er wolle diese Sachen nicht mitnehmen, sondern falls er noch andere Sachen zuhause in seinem Gewahrsam habe, diese zurückgeben oder selbst bezahlen. Faßt man diese Sachdarstellung nicht isoliert, sondern ungekünstelt nach dem Lebenssachverhalt zusammen, so ist ihr ohne weiteres zu entnehmen, daß die Beklagte mit Hilfe des Vermerks dem Betriebsrat übermitteln wollte, nicht nur wegen einer Urkundenfälschung, sondern auch wegen der damit verbundenen Aneignung der Spezialbohrer und außerdem der Aneignung von 17 Bohrern im Spind zu kündigen. Es kann demnach nicht davon die Rede sein, der Arbeitgeber habe dem Betriebsrat nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig den Kündigungssachverhalt übermittelt. Dabei kann zunächst einmal außer Betracht gelassen werden, daß nach dem Sachvorbringen der Beklagten der Personalleiter außerdem noch mündlich den Kündigungssachverhalt dem Betriebsratsvorsitzenden erläutert haben soll.

Bestehen hinsichtlich der Vollständigkeit der Sachdarstellung im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ohne Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen (Personalleiter, Betriebsratsvorsitzender) noch Zweifel, so werden sie jedenfalls durch die Stellungnahmen des Betriebsrats vom 11. und 16. November 1993 beseitigt. Danach geht der Betriebsrat selbst davon aus, der Kläger habe als Grund für die Urkundenfälschung Eigennutz nicht eingeräumt; ausdrücklich heißt es in dieser Stellungnahme „Eigennutz im Sinne von Diebstahl ist ihm nicht nachgewiesen”. Der Betriebsrat hat also durchaus den ihm geschilderten Lebenssachverhalt dahin gewertet, es solle nicht nur isoliert wegen einer Urkundenfälschung, sondern auch wegen des Diebstahlsvorwurfs gekündigt werden. Der Betriebsrat geht auch in der Stellungnahme vom 16. November 1993 davon aus, der Firma sei aus dem Fehlverhalten des Klägers kein Schaden entstanden („Diebstahl ist nicht nachgewiesen”), so daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei einer Kündigung nicht gewahrt sei. Hierauf werden alsdann Bedenken des Betriebsrats gegen die Kündigungsabsicht gestützt. Demnach kann davon ausgegangen werden, der Betriebsrat sei ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage gewesen, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme – wie auch geschehen – schlüssig zu werden.

cc) Das gilt allerdings nur eingeschränkt auf den Vorwurf der Urkundenfälschung sowie des Betruges/Diebstahls bzw. eines entsprechenden Versuchs, nicht dagegen für den selbständigen Kündigungsgrund „dringender Verdacht” einer solchen Straftat. Wie der Senat mehrfach entschieden hat (u. a. Senatsurteil vom 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung), können die Gerichte eine Kündigung nur dann unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung beurteilen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auch – zumindest hilfsweise – gerade auf den Verdacht stützt; dies kann sowohl vor dem Prozeß, etwa im Kündigungsschreiben, als auch später in den Tatsacheninstanzen geschehen (u. a. BAG Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 323/82 - n.v., zu III 2 c der Gründe). Damit wird ein andersartiger Kündigungsgrund nachgeschoben, der insoweit kollektivrechtlichen Beschränkungen (§ 102 Abs. 1 BetrVG) unterliegt, denn der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der im Tatvorwurf nicht enthalten ist (Senatsurteil vom 3. April 1986 - AP, aaO, zu II 1 c der Gründe). Insofern ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu folgen, daß die bisherige Betriebsratsanhörung nicht erkennen läßt, die Beklagte wolle die Kündigung auch auf den Umstand eines Verdachts strafbarer Handlung stützen. Davon ist weder im Anhörungsschreiben noch im Aktenvermerk vom 9. November 1993 die Rede. Zumindest im Hinblick auf die Stellungnahmen des Betriebsrats, Eigennutz im Sinne von Diebstahl sei dem Kläger nicht nachgewiesen, wäre es Sache der Beklagten gewesen klarzustellen, daß die Anhörung sich auch auf den selbständigen Kündigungsgrund „dringender Verdacht strafbarer Handlung” beziehe.

b) Soweit der Kläger in den Vorinstanzen moniert hat, dem Betriebsrat seien die für ihn geltenden Unterhaltspflichten nicht mitgeteilt worden, kann in dieser Unterlassung ein bewußter und gewollter Verstoß gegen § 102 Abs. 1 BetrVG nicht gesehen werden. Nach den für den Senat gemäß § 561 ZPO verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger selbst in dem von ihm unter dem 18. Dezember 1989 ausgefüllten Personalfragebogen keine Kinder aufgeführt. Er hat also selbst seine Unterhaltspflichten der Beklagten nicht mitgeteilt. In der späteren Überreichung der Lohnsteuerkarten – in den Lohnsteuerkarten 1990 und 1991 ist erst unter der Rubrik „II Änderungen der Eintragungen im Abschnitt I” die Zahl der Kinderfreibeträge mit 2 angegeben – kann nicht ohne weiteres eine korrekte Mitteilung von Unterhaltspflichten an den Arbeitgeber gesehen werden. Das gilt zumindest im vorliegenden Fall, in dem der Kläger aufgrund der Arbeitsordnung der Beklagten – dort Ziff. III 9 – verpflichtet war, für das Arbeitsverhältnis bedeutsame Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen unter Vorlage von Nachweisen der Personalabteilung mitzuteilen. Dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten ist der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht entgegengetreten, § 138 Abs. 3 ZPO. Zumindest kann nach diesen festgestellten Unterlassungen des Klägers nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe dem Betriebsrat bewußt und gewollt das Bestehen von Unterhaltsverpflichtungen des Klägers, die für die Beurteilung der Kündigung von Bedeutung sein könnten, vorenthalten.

Davon abgesehen entsprach es ersichtlich der subjektiven Vorstellung der Beklagten („subjektive Determinierung” der Kündigungsgründe, vgl. dazu Senatsurteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 -, AP, aaO), völlig unabhängig von den für den Kläger bestehenden Unterhaltsverpflichtungen das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen wegen einer strafbaren Handlung zu kündigen. Insofern könnten sich nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 2. März 1989 - 2 AZR 280/88 - AP Nr. 101 zu § 626 BGB) derartige Umstände nur bei einer durch Unterhaltspflichten bedingten schlechten Vermögenslage im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken; derartige Gesichtspunkte spielten aus der Sicht der Beklagten bei der Betriebsratsanhörung keine Rolle und sind hier ersichtlich vom Kläger später auch nicht geltend gemacht worden.

c) Es braucht daher nicht mehr auf die formelle Rüge der Revision eingegangen zu werden, das Landesarbeitsgericht habe §§ 139, 286 ZPO verletzt, indem es nicht deutlich gemacht habe, es könne den dem Betriebsrat überreichten Aktenvermerk vom 9. November 1993 nicht als ordnungsgemäße Mitteilung der Kündigungsgründe ansehen, so daß ergänzend die Vernehmung des Personalleiters W – zur Mitteilung des Kündigungssachverhaltes an den Betriebsrat erboten worden wäre.

2. Ist mithin von einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung (§ 102 Abs. 1 BetrVG) auch zum Vorwurf eines Vermögensdeliktes auszugehen, so ist auf die materielle Würdigung der Kündigungsgründe (§ 626 Abs. 1 BGB) durch das Landesarbeitsgericht einzugehen.

a) Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben, und ob bei der erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls daraufhin überprüft worden sind, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen (BAG Urteil vom 26. August 1976 - 2 AZR 377/75 - und vom 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP Nr. 68 und 96 zu § 626 BGB, zu I 1 bzw. II 2 der Gründe). Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts unabhängig davon nicht stand, daß die Beklagte nach den vorstehenden Erwägungen zu § 102 Abs. 1 BetrVG nicht gehindert ist, die Kündigung auch auf ein vorsätzliches Eigentumsdelikt bzw. einen entsprechenden Versuch zu stützen, so daß dieses Vorbringen materiell zu würdigen ist.

b) Das Landesarbeitsgericht ist nach den für den Senat gemäß § 561 ZPO verbindlichen Feststellungen davon ausgegangen, daß mit der Unterzeichnung der BVE-Entnahmekarten unter Vorgabe eines fremden Namens ein Fehlverhalten des Klägers vorliegt, das an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Das Landesarbeitsgericht hat dabei offen gelassen, ob dieses Verhalten einen Strafrechtstatbestand erfüllt; es hat aber zur subjektiven Seite (Vorsatz, Irrtum) ausgeführt, die Einlassung des Klägers überzeuge nicht, weil er nicht vorgebracht habe, der Beklagten wäre das von ihm behauptete gleiche Fehlverhalten von ihm benannter Arbeitskollegen bekannt gewesen und sei von ihr hingenommen worden; der Kläger habe vielmehr der rigorosen Handhabung der Unterschriftsberechtigung, wobei nicht einmal der Werkleiter zur Unterzeichnung berechtigt gewesen sei, entnehmen müssen, daß die Beklagte das von ihr eingeführte Verfahren für wichtig hielt und auf dessen Durchführung bestand. Der Kläger habe sich, wenn man von seinem Vorbringen ausgehe, beim Unterschreiben der BVE-Entnahmekarten auch nicht in einer Situation befunden, die sein Vorgehen entschuldigen könnte: Der Kläger habe nämlich nicht angeführt, keine zur Unterschrift berechtigte Person angetroffen zu haben, und daß er ohne die angeforderten Gegenstände nicht in der Lage gewesen sei, die geschuldete Arbeit zu leisten.

Diese Würdigung, die nicht mit einer ausdrücklichen Gegenrüge des Klägers angegriffen worden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit steht für den Senat fest, daß in diesem Sachverhalt – Unterzeichnung der BVE-Entnahmekarten unter einem gefälschten Namen – ein schwerwiegendes, vorsätzliches Fehlverhalten des Klägers zu sehen ist.

Bei der Zumutbarkeitsabwägung hat das Landesarbeitsgericht zu Lasten des Klägers gewürdigt, neben dem wesentlichen Gewicht der Vertragsverletzung seien die betrieblichen Interessen auch deshalb gestört gewesen, weil der unbeteiligte Arbeitnehmer G Gefahr gelaufen sei, in den Verdacht zu geraten, dem Umfang nach nicht vertretbare Werkzeuganforderungen zu unterstützen. Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings sonstige Auswirkungen des Fehlverhaltens nicht als berücksichtigungsfähig angesehen hat, insbesondere sei kein Schaden feststellbar, kann seinen Ausführungen nicht gefolgt werden. Die Revision rügt schon zutreffend, mit der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Urkundenfälschung sei bereits der Vertrauensbereich so nachhaltig erschüttert, daß es auf eine Wiederholungsgefahr – wie das Landesarbeitsgericht meine – nicht ankomme. Die Wiederholungsgefahr kann in der Tat nicht nur in Fällen eines erhöhten Kündigungsschutzes aufgrund längerer Vertragsbindung eine Rolle spielen (vgl. dazu BAG Urteil vom 14. November 1984 - 7 AZR 474/83 - AP Nr. 83 zu § 626 BGB, zu II 1 a der Gründe). Bereits in der viermaligen Urkundenfälschung liegt ein so gravierender Vertragsverstoß im Vertrauensbereich vor, daß es verfehlt erscheint, auf eine mangelnde Wiederholungsgefahr abzustellen.

Im übrigen ist ein bei der Zumutbarkeitsüberprüfung zu berücksichtigender Schaden unter zwei Aspekten nicht gewürdigt worden: Zum einen hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet, daß eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens und Betriebsklimas bereits dadurch entstanden ist, daß der Kläger mehrere Mitarbeiter, nämlich die von ihm benannten Zeugen, bezichtigt hat, ebenfalls wie er Unterschriften bei Entnahmen gefälscht zu haben.

Das Landesarbeitsgericht hat ferner übersehen, daß aufgrund der Urkundenfälschung des Klägers der Beklagten auch dadurch ein materieller Schaden entstanden ist, daß jedenfalls der angeforderte Bohrsatz 5 – 10 und die Bohrerständer 1 – 5 sowie 5 – 10 ausgeliefert wurden, aber nicht an die Beklagte zurückgelangt sind. Bei diesen später unstreitig gewordenen Umständen handelt es sich um eine Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat übermittelten Sachdarstellung, ohne daß dies den Kündigungssachverhalt wesentlich ändert (vgl. BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972; Senatsurteil vom 7. November 1996 - 2 AZR 720/95 -, n.v.). Der Kläger hatte dazu erstinstanzlich zunächst vortragen lassen, Bohrständer und den Bohrersatz 5 – 10 habe er zurückgegeben, während er später durch seinen Prozeßbevollmächtigten hat „richtigstellen” lassen, die mit den Entnahmekarten bestellten Bohrersätze habe er nicht erhalten; es handele sich um ein Mißverständnis zwischen Kläger und Prozeßbevollmächtigtem: Der Kläger habe nur den sog. Schubladenwerkzeugsatz mit den Bohrersätzen so zurückgelassen, wie er war, als die Beklagte den Kläger nach Hause geschickt habe. Ersichtlich ist der Kläger damit eine Erklärung schuldig geblieben, wo zumindest die von ihm georderten Bohrständer nach der Anforderung vom 22. Oktober 1993 und deren Auslieferung verblieben sind. Außerdem ist jedenfalls der vom Kläger mit der gefälschten BVE-Entnahmekarte angeforderte Bohrersatz 5 – 10 nicht mehr aufgetaucht, so daß auch insoweit der Beklagten ein materieller Verlust entstanden ist, den der Kläger selbst mit ca. 300,- DM und die Beklagte mit 500,- DM beziffert haben. Selbst wenn man also davon ausgeht, der Kläger habe keine Zueignungsabsicht hinsichtlich dieser Gegenstände gehabt, sind diese vom Kläger mit den gefälschten Karten angeforderten Gegenstände der Beklagten verlustig gegangen.

Die Revision rügt ferner einen Fehler des Berufungsgerichts im Rahmen der Interessenabwägung, und zwar insoweit, als es dem Kläger zugute gehalten hat, daß eine fristlose Kündigung auf dem Arbeitsmarkt eine diskriminierende Wirkung habe; dies sei nämlich bereits bei den Anforderungen, die an den wichtigen Grund für die fristlose Kündigung gestellt würden, berücksichtigt. Auch wenn man nicht soweit geht, im Rahmen der Interessenabwägung die diskriminierende Wirkung einer fristlosen Kündigung auf dem Arbeitsmarkt als bereits im wichtigen Grund abgehandelt anzusehen (vgl. dazu KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 184 g), so reicht es vorliegend nicht aus, allgemein auf die „diskriminierende Wirkung” bei Bewerbungen auf dem Arbeitsmarkt – so das Landesarbeitsgericht – abzustellen. Denn das Landesarbeitsgericht hat weder berücksichtigt, daß zumindest nach dem Sachvortrag der Beklagten der Kläger sich einer Umschulung unterziehen wollte, so daß ohnehin zunächst eine Bewerbung am Arbeitsmarkt nicht anstand, noch geht es an, ohne näheres Eingehen auf den konkreten Fall die Arbeitsmarktchancen eines 30-jährigen Facharbeiters bei der Interessenabwägung generell als negativ anzusehen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Standpunkt zu § 102 Abs. 1 BetrVG aus gesehen folgerichtig – nicht geprüft, ob nicht ein weiteres gravierendes Fehlverhalten des Klägers darin zu sehen ist, daß er sich die mit den vier BVE-Entnahmekarten angeforderten Gegenstände zueignen wollte. Hierfür könnten eine Reihe von Indizien sprechen, die die Beklagte in den Tatsacheninstanzen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat. Dies zu würdigen ist Sache der Tatsacheninstanz, ohne daß das Revisionsgericht dem vorgreifen kann.

Zu berücksichtigen ist ferner, daß das Zurückhalten des Klägers von 17 Bohrern in seinem Spind ebenfalls auf eine Zueignungsabsicht hindeuten könnte. Ersichtlich geht auch der Kläger nicht davon aus, daß diese angeblich ihm von dem Zeugen M überlassenen Werkzeuge nicht Eigentum der Beklagten seien. Nach dem Inhalt der Aussage des Zeugen M hat er das in dem Karton angesammelte Werkzeug nicht dem Kläger, sondern „den Kollegen gelassen”. Der Zeuge hat in Abrede gestellt, die im Karton enthaltenen Bohrer dem Kläger direkt übergeben zu haben; das Werkzeug habe neben dem Platz des Klägers gestanden und werde regelmäßig in der Werkbank aufbewahrt, da damit gearbeitet werde; der Spind des Klägers sei demgegenüber 200 Meter entfernt gewesen, so daß es keinen Sinn mache, dort das Werkzeug aufzubewahren.

Auch diese Umstände sind bisher vom Landesarbeitsgericht nicht gewürdigt worden, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt eines versuchten noch etwa eines vollendeten Eigentumsdelikts. Auch dem kann und will das Revisionsgericht nicht vorgreifen.

4. Auch eine abschließende Entscheidung über den geltend gemachten Zahlungsanspruch ist dem Revisionsgericht noch nicht möglich.

a) Ist das Berufungsurteil zu dem Urteilsausspruch über die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 12. November 1993 aufzuheben, so steht damit noch nicht fest, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem durch den Aufhebungsvertrag auf den 31. Dezember 1993 festgelegten Beendigungszeitpunkt aufgelöst worden ist. Damit sind die Voraussetzungen für die dem Kläger aufgrund des Aufhebungsvertrages zustehende Abfindung noch nicht festgestellt. Die Aufhebungsvereinbarung stand – wenn auch nicht ausdrücklich, so doch konkludent – unter der aufschiebenden Bedingung, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bis zum 31. Dezember 1993 fortbestand. Dies ergibt sich daraus, daß im ersten Absatz des Aufhebungsvertrages deutlich geregelt wird, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis werde im Rahmen der gegenwärtigen Personalanpassungsmaßnahmen auf Veranlassung der Firma anstelle einer Kündigung einvernehmlich zum 31. Dezember 1993 beendet. Das Arbeitsverhältnis sollte also bis 31. Dezember 1993 fortgesetzt werden und erst dann enden. Ob diese Bedingung eingetreten ist (§ 158 Abs. 1 BGB), steht derzeit noch nicht fest. Träte diese Bedingung, nämlich Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis 31. Dezember 1993, nicht ein, wäre die festgesetzte Abfindung hinfällig und die Klage insoweit abzuweisen.

b) Diese Rechtsfolge tritt auch unter Berücksichtigung des § 563 ZPO nicht etwa schon deshalb ein, wie die Revision weiter geltend macht, weil das Arbeitsverhältnis jedenfalls aufgrund der vorsorglichen ordentlichen Kündigung der Beklagten unstreitig mit dem 31. Dezember 1993 endete, nachdem der Kläger die diesbezügliche klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht angegriffen hat. Soweit die Revision meint, ein Arbeitsverhältnis könne nicht sowohl aufgrund ordentlicher Kündigung als auch aufgrund eines Aufhebungsvertrages enden, löst das jedenfalls nicht die von der Revision erstrebte Rechtsfolge aus. Richtig ist, daß ausweislich des Aufhebungsvertrages dieser zufolge der Personalabbaumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Interessenausgleich vom 27. Juli 1993 geschlossen worden und das Beendigungsdatum auf den 31. Dezember 1993 festgelegt worden ist. Daran ändert sich dadurch nichts, daß das Arbeitsverhältnis außerdem aufgrund einer späteren verhaltensbedingten Kündigung mit dem gleichen Datum und zur gleichen Zeit enden soll. Eine überholende Kausalität oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kann für diese Fallkonstellation nicht festgestellt werden.

aa) Der Aufhebungsvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall einer gleichzeitigen Beendigung aufgrund wirksamer Kündigung, obwohl er immerhin vom 23. September 1993 datiert und damit noch mehr als drei Monate des Arbeitsverhältnisses abzuwickeln waren. Die Parteien haben es also nicht – auch nicht stillschweigend – zur Grundlage des Aufhebungsvertrages gemacht, daß keine weiteren Kündigungsgründe das Arbeitsverhältnis zu dem vorgesehenen Zeitpunkt eventuell auflösen würden (vgl. dazu noch unter bb). Grundlage war vielmehr, die Unsicherheit für die Beklagte hinsichtlich der Personalplanung zu beenden, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Dies ergibt sich aus dem gesamten Vorbringen der Beklagten und aus dem Interessenausgleich. Danach wurde die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses allein aufgrund der bei der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt beschlossenen Personalanpassungsmaßnahmen vereinbart; diese Unsicherheit bezüglich des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses ist mit Abschluß des Aufhebungsvertrages für die Beklagte beseitigt worden. Die Beklagte konnte also seit dem 23. September 1993 über den Arbeitsplatz des Klägers zukunftsbezogen disponieren. Als Gegenleistung hierfür ist dem Kläger die Abfindung nach dem Aufhebungsvertrag zugebilligt worden. Diese Voraussetzungen haben sich aufgrund der ordentlichen Kündigung nicht geändert. Die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom künftigen Eintritt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1993, auf denen ihr Geschäftswille aufbaute (vgl. dazu u. a. Senatsurteil vom 10. Dezember 1992 - 2 AZR 269/92 - AP Nr. 27 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, zu B III 3 a der Gründe) haben sich nicht geändert. Es wäre vielmehr Sache der Beklagten gewesen, ihre gegebenenfalls einseitig vorhandenen Vorstellungen über ein allein betriebsbedingtes Ausscheiden, wenn schon nicht – wie für derartige Umstände allgemein üblich – in dem einschlägigen Interessenausgleich und Sozialplan, so doch wenigstens in dem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag zum Gegenstand einer Vereinbarung zu machen (ähnlich Senatsurteil vom 16. Oktober 1979 - 2 AZR 373/78 - AP Nr. 20 zu § 794 ZPO, zu III der Gründe). Das lag vorliegend umso mehr nahe, als ein Teil der Abfindung auch noch von einer weiteren im Laufe des Jahres 1994 eintretenden Bedingung (fortbestehende Arbeitslosigkeit) abhängig gemacht wurde, ohne daß auch im Hinblick hierauf ein irgendwie geartetes Wohlverhalten des Klägers vereinbart wurde. Die Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages hat sich damit nicht in dem Maße verändert, daß Leistung und Gegenleistung nicht mehr in dem zuvor vereinbarten Verhältnis stünden und die vertragliche Absprache nach den Regeln über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage anzupassen wäre, § 242 BGB.

bb) Im übrigen ist darauf abzustellen (vgl. dazu ebenfalls Senatsurteil vom 16. Oktober 1979 - 2 AZR 373/78 - AP, aaO, zu III der Gründe, mit Anm. von G. Hueck), daß ein Aufhebungsvertrag (im entschiedenen Fall ein gerichtlicher Vergleich über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses) einen zweiseitigen, quasi dinglichen Akt und keine einseitige Verpflichtungserklärung enthält, wenn auch das Versprechen zur Zahlung einer Abfindung obligatorisch ist. Auf derselben Linie liegt es, wenn man den Aufhebungsvertrag als Verfügungsgeschäft ansieht (so Falk, Aufhebungsverträge, S. 50), so daß eine gestaltende Willenserklärung (ordentliche Kündigung) nichts mehr gestalten konnte, nachdem durch das Verfügungsgeschäft der Vertrag schon aufgehoben war.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Piper, Fischer

 

Fundstellen

BAGE 00, 00

BAGE, 114

BB 1997, 1420 (L1-2)

DB 1997, 1411-1413 (LT1-2)

NJW 1997, 2836

NJW 1997, 2836 (L)

NWB 1997, 2028

BetrVG, (27) (LT1-2)

WiB 1997, 876 (L2)

ARST 1997, 166 (L2)

EWiR 1997, 689 (L2)

NZA 1997, 813

NZA 1997, 813-817 (LT1-2)

Quelle 1997, Nr 9, 24 (L1-2)

SAE 1998, 156

ZAP, EN-Nr 489/97 (L)

ZTR 1997, 380 (L1-2)

AP 00, Nr 00

ArbuR 1997, 289 (S1)

EBE/BAG Beilage 1997, Ls 126/97 (L1-2)

EzA-SD 1997, Nr 12, 10 (L1-2)

NJ 1997, 447 (L1-2)

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