Entscheidungsstichwort (Thema)

Nebentätigkeit. Nebentätigkeit eines Arztes beim Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen. Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen

 

Orientierungssatz

Nach § 7 MDK-T iVm § 83 LBG Bad./Württ. bedarf die Übernahme einer Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung durch den Arbeitgeber. Die Genehmigung ist gemäß § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Dies ist der Fall, wenn ein Arzt des medizinischen Dienstes als Nebentätigkeit Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen erstattet. Der medizinische Dienst erbringt als Körperschaft des öffentlichen Rechts seine Leistungen ausschließlich für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungen und wird von diesen durch Umlagen finanziert. Er hat daher ein berechtigtes Interesse daran, weder unmittelbar noch mittelbar deren Konkurrenten, zu denen die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen gehören, zu fördern. Dies wäre der Fall, wenn der Beklagte privaten Kranken- und Pflegeversicherungen den Sachverstand und die Erfahrungen der bei ihm angestellten Ärzte zur Verfügung stellte, indem er diesen Nebentätigkeitsgenehmigungen zur Erstattung ärztlicher Gutachten erteilte.

Daß der Arbeitgeber solche Nebentätigkeiten in der Vergangenheit für genehmigungsfähig gehalten und dies in einer Dienstanweisung festgehalten hat, begründet keine Rechte für die Zukunft. Der Arbeitgeber ist an eine von ihm selbst erlassene Dienstanweisung nur so lange gebunden, wie er sie anwendet.

 

Normenkette

MTV für die Beschäftigten (Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) – MDK-T – vom 15. Oktober 1991 §§ 7, 46-47; LBG Bad./Württ. § 83; Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Ernennungsgesetzes vom 20. April 1998 (GBl. Bad./Württ. vom 30. April 1998 S. 249) Art. 3 § 1; BGB § 242; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.12.2000; Aktenzeichen 10 Sa 27/00)

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 11.11.1999; Aktenzeichen 10 Ca 373/99)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – vom 19. Dezember 2000 – 10 Sa 27/00 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung zur Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen zu erteilen.

Der Kläger ist seit 1985 als Arzt bei dem Beklagten und dessen Rechtsvorgängerin, der LVA Württemberg beschäftigt. Nach § 2 der Arbeitsverträge vom 3. Juli 1985 und vom 7. Juli 1987 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 1992 nach dem BAT in der für die Angestellten der LVA Württemberg geltenden Fassung und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Gemäß Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 7. Juli 1987 finden seitdem der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) – MDK-T – vom 15. Oktober 1991 und die zur Änderung oder Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge und sonstigen tariflichen Vereinbarungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der MDK-T lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 7 Nebentätigkeiten

Für die Nebentätigkeiten der Beschäftigten gilt das jeweilige Landes- bzw. Bundesrecht.

§ 46 Übergangsbestimmungen (Besitzstandswahrung)

(1) Günstigere Regelungen nach bisherigen gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die bereits wirksam sind, bleiben den beim Inkrafttreten dieses Tarifvertrages im Dienste des Arbeitgebers stehenden Beschäftigten als persönlicher Besitzstand erhalten.

§ 47 Beamtenrechtliche Vorschriften

(1) Wird in diesem Tarifvertrag auf die für die Beamten geltenden Bestimmungen Bezug genommen und sind Beamte bei dem Arbeitgeber nicht beschäftigt, sind die Vorschriften anzuwenden, die für die Beamten des Landes gelten, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

…”

Nach § 83 Abs. 2 Satz 1 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg (LBG) ist die Nebentätigkeitsgenehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

In einer Dienstanweisung über die Nebentätigkeit der Ärzte des MDK Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1990 heißt es ua.:

„I. Rechtsgrundlagen

Für die Nebentätigkeit der beamteten Ärzte des MDK Baden-Württemberg gelten die Vorschriften des Landesbeamtengesetzes (§§ 82 – 88 a LBG) und der Landesnebentätigkeitsverordnung (LNTVO) in der jeweiligen Fassung sowie die nachstehende Dienstanweisung.

Nach § 11 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) finden die vorgenannten Bestimmungen auf angestellte Ärzte sinngemäß Anwendung.

III. …

6. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. …

IV. Arten von Nebentätigkeiten

1. Den Ärzten im MDK Baden-Württemberg kann die Ausübung der nachfolgend aufgeführten Nebentätigkeiten gestattet werden:

b) die Erstellung von Gutachten für gesetzliche Träger der Sozialversicherung,

c) die Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Lebensversicherungen,

…”

Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er wurde von den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen und den landwirtschaftlichen Krankenkassen gebildet und ist als medizinischer Betreuungs- und Begutachtungsdienst ausschließlich für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen tätig. Diese erbringen die zur Finanzierung des Beklagten erforderlichen Mittel gemeinsam und solidarisch durch Umlagen.

Mit Schreiben vom 14. Mai 1986 hatte die LVA Württemberg dem Kläger „in stets widerruflicher Weise” eine Nebentätigkeitsgenehmigung zur Ausübung einer Privatpraxis erteilt. Seitdem erstattete der Kläger ua. Gutachten für die BfA und für private Kranken- und Pflegeversicherungen. Wegen einer zum 1. Mai 1998 in Kraft getretenen Änderung des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg beantragte der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 1999 die Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986. Der Beklagte genehmigte mit Schreiben vom 30. Juni 1999 die Erstellung von ärztlichen Gutachten für die LVA und die BfA als Nebentätigkeit außerhalb der Arbeitszeit. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß künftig Genehmigungen zur Erstellung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen nicht mehr erteilt würden, weil diese Tätigkeit grundsätzlich dazu geeignet sei, „den Eindruck einer Vermengung von Angelegenheiten der gesetzlichen und der privaten Kranken- und Pflegeversicherung hervorzurufen …”.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei aus Gründen der Besitzstandswahrung gem. 46 MDK-T verpflichtet, ihm weiterhin Nebentätigkeiten im bisherigen Umfang zu genehmigen. Wenn er nicht weiterhin als Gutachter für private Kranken- und Pflegeversicherungen tätig sein dürfe, führe dies dazu, daß die Praxiskosten die Nebeneinkünfte überschritten. Außerdem habe der Beklagte nicht substantiiert dargelegt, daß durch die Erstellung von Gutachten auch für private Kranken- und Pflegeversicherungen dienstliche Interessen beeinträchtigt würden. Der Beklagte stehe nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu den privaten Kranken- und Pflegeversicherungen. Die zum 1. Januar 1996 erfolgte Reform des Gesundheitswesens habe zwar zu einer erheblichen Konkurrenz zwischen den Trägern der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen untereinander geführt. Das Konkurrenzverhältnis zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung sei dadurch jedoch nicht verschärft worden. Dieses Konkurrenzverhältnis habe schon immer bestanden. Im übrigen greife ein Arzt, der beim Beklagten beschäftigt sei, durch Nebentätigkeiten für private Kranken- und Pflegeversicherungen nicht in das Konkurrenzverhältnis zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen ein. Die privaten Krankenversicherungen hätten keine konkreten Kostenvorteile durch die Inanspruchnahme externer Gutachter.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen, die im Umfang der zulässigen Nebentätigkeiten der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986 entspricht.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Nebentätigkeitsgenehmigung zu Recht versagt zu haben. Zwar habe der Kläger über lange Zeit hinweg Nebentätigkeiten einschränkungslos ausüben können. Durch die am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Änderungen in §§ 173 ff. SGB V sei jedoch eine verschärfte Konkurrenzsituation zwischen den Trägern der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen und privaten Kranken- und Pflegeversicherungen entstanden. Dies habe zur Folge, daß die sogenannten „günstigen Risiken” verstärkt von den gesetzlichen zu den privaten Krankenversicherungen abwanderten. Die gesetzlichen Krankenkassen könnten daher keine Einrichtung vorhalten und finanzieren, die durch Nebentätigkeiten ihrer Ärzte den privaten Krankenversicherungen direkt oder indirekt Sachverstand zur Verfügung stelle mit der Folge, daß sich der Aufbau eines eigenen Gutachtersystems für die privaten Krankenversicherungen erübrige.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger Nebentätigkeiten im Umfang der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986 zu genehmigen mit Ausnahme der Erstattung von Gutachten für private Krankenversicherungen und Pflegeversicherungen und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Nebentätigkeiten im Umfang der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986 zu genehmigen unter Einschluß der Erstellung von Gutachten für private Krankenversicherungen und Pflegeversicherungen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Antrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, abgewiesen. Dabei ist der in der Berufung und der Revision gestellte Sachantrag dahingehend auszulegen, daß der Kläger nur noch die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung zur Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen begehrt, nachdem das Arbeitsgericht der Klage im übrigen bereits rechtskräftig entsprochen hat. Zur Erteilung einer solchen Nebentätigkeitsgenehmigung ist der Beklagte jedoch nicht verpflichtet.

1. Der Anspruch des Klägers auf Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen bestimmt sich nach § 7 MDK-T, der gem. Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 30. Juni 1992 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Danach gilt für Nebentätigkeiten das jeweilige Landes- bzw. Bundesrecht. Damit sind ersichtlich die für Beamte geltenden Nebentätigkeitsvorschriften gemeint. Nach § 47 Abs. 1 MDK-T sind die Vorschriften anzuwenden, die für die Beamten des Landes gelten, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Dies sind hier die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg.

a) Nach § 83 LBG bedarf die Übernahme jeder Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung des Dienstherrn. Die Genehmigung ist nach § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Eine einmal erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung ist zu widerrufen, wenn sich bei der Ausübung der Nebentätigkeit eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergibt (§ 83 Abs. 2 Satz 5 LBG).

Vorliegend geht es nicht um den Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung. Zwar hatte die Rechtsvorgängerin des Beklagten dem Kläger mit Schreiben vom 14. Mai 1986 eine unbefristete Nebentätigkeitsgenehmigung zur Ausübung einer Privatpraxis erteilt, die unstreitig die Erstattung von Gutachten für private Krankenversicherungen einschloß. Diese Nebentätigkeitsgenehmigung ist jedoch am 30. Juni 1999 erloschen. Nach Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Ernennungsgesetzes vom 20. April 1998 (GBl. Baden-Württemberg vom 30. April 1998 S 249) erlosch eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ohne Befristung erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung am 30. Juni 1999. Dies galt nicht, wenn der Beamte vor dem 1. April 1999 einen vollständigen Antrag auf Neuerteilung der Genehmigung gestellt hatte. In diesem Fall erlosch die zuvor erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung mit Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag auf Neuerteilung, spätestens aber am 31. Dezember 1999. Da der Beklagte am 30. Juni 1999 dem Antrag des Klägers vom 15. Februar 1999 auf Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986 nur hinsichtlich der Erstattung von Gutachten für die LVA und die BfA entsprach und ihm mit Schreiben vom selben Tag mitteilte, daß die Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen künftig nicht mehr genehmigt werde, war die Nebentätigkeitsgenehmigung vom 14. Mai 1986 damit erloschen. Es geht daher im vorliegenden Rechtsstreit um die Neuerteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung. Darauf hat der Kläger nach § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG nur Anspruch, wenn nicht die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen ist. Die durch diese Bestimmung eintretende Einschränkung der Möglichkeiten des Bediensteten, seine Arbeitskraft außerhalb des Arbeitsverhältnisses zu Erwerbszwecken auszunutzen, verstößt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht gegen Art. 12 GG (vgl. etwa 25. Juli 1996 – 6 AZR 683/95 – BAGE 83, 311, 319; 7. Dezember 1989 – 6 AZR 241/88 – ZTR 1990, 379).

Die Genehmigung darf jedoch nur aus sachlichen Gründen versagt werden. Dem Dienstherrn ist kein Ermessensspielraum bei Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt. Vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht der Versagungsgrund „Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen” vorliegt (BAG 7. Dezember 1989 – 6 AZR 241/88 – ZTR 1990, 379; 24. Juni 1999 – 6 AZR 605/97 – AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2). Ein Versagungsgrund ist gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen bei verständiger Würdigung der im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbaren Umstände und unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung wahrscheinlich ist. Dabei sind die dienstlichen Interessen im weitesten Sinne zu begreifen, nämlich soweit sie die auf die dienstliche Stellung des Bediensteten bezogenen Interessen der jeweiligen Verwaltung betreffen. Danach ist bei der Entscheidung eine Prognose aufzustellen, wobei einerseits die bloße nicht auszuschließende Möglichkeit einer fernliegenden Gefahr der Beeinträchtigung als nicht ausreichend anzusehen ist, andererseits aber auch eine im hohen Maße bestehende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung in absehbarer Zeit nicht erforderlich ist (BAG 7. Dezember 1989 – 6 AZR 241/88 – aaO mwN; 24. Juni 1999 – 6 AZR 605/97 – aaO).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte die begehrte Nebentätigkeitsgenehmigung zu Recht verweigert.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf Grund der Konkurrenzsituation zwischen den gesetzlichen und den privaten Krankenversicherungen, insbesondere um die sogenannten „günstigen Risiken”, die verstärkt zu den privaten Krankenversicherungen abwanderten, liege es im Interesse des Beklagten, Maßnahmen abzuwehren, die Einfluß auf das Konkurrenzverhältnis zwischen privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen haben könnten. Dieses Interesse würde durch eine Nebentätigkeit des Klägers als Gutachter für private Kranken- und Pflegeversicherungen der Gefahr der Beeinträchtigung ausgesetzt. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Zwar besteht zwischen dem Beklagten selbst und den privaten Kranken- und Pflegeversicherungen kein unmittelbares Konkurrenzverhältnis. Der Beklagte ist ausschließlich für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen tätig. Deshalb berührt eine Tätigkeit des Klägers für private Kranken- und Pflegeversicherungen nicht unmittelbar wirtschaftliche Interessen des Beklagten. Durch eine solche Nebentätigkeit würde jedoch das berechtigte Interesse des Beklagten, die Belange der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen zu wahren, beeinträchtigt.

Der Beklagte wurde als sozialmedizinischer Betreuungs- und Begutachtungsdienst für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen errichtet. Er wird ausschließlich durch Umlagen der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen finanziert. Er ist daher eine Institution, die allein den gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen dient. Der Beklagte selbst erbringt seine Leistungen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ausschließlich für die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen. Damit liegt es in seinem Interesse, auf die Belange der ihn finanzierenden Träger Rücksicht zu nehmen und diese, soweit möglich, zu wahren. Ihm ist deshalb auch ein Interesse daran zuzubilligen, nicht unmittelbar oder mittelbar Konkurrenten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen zu unterstützen. Dies wäre aber der Fall, wenn er durch die Erteilung entsprechender Nebentätigkeitsgenehmigungen duldet, daß bei ihm angestellte Ärzte Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen erstellen. Dadurch kämen den privaten Kranken- und Pflegeversicherungen der Sachverstand und die Erfahrungen dieser Ärzte zugute. Dies rechtfertigt es, die Genehmigung für solche Nebentätigkeiten zu versagen. Ob für private Kranken- und Pflegeversicherungen die Einholung sozialmedizinischer Gutachten im Einzelfall tatsächlich kostengünstiger ist als der Aufbau eines eigenen Gutachtersystems, ist daher unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob seit der 1996 in Kraft getretenen Änderung der §§ 173 ff. SGB V mehr Mitglieder von den gesetzlichen Krankenkassen zu den privaten Krankenversicherungen abwandern als zuvor. Unstreitig ist durch das Gesundheitsstrukturgesetz eine Konkurrenzsituation zwischen den gesetzlichen Krankenkassen untereinander entstanden. Nach §§ 173 ff. SGB V in der seit dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 können Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte in weitaus größerem Umfang als bisher wählen, bei welcher gesetzlichen Krankenkasse sie versichert sein wollen. Von dieser Gesetzesänderung sind zwar private Kranken- und Pflegeversicherungen nicht betroffen. Wenn jedoch die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen auf Grund der zwischen ihnen entstandenen Konkurrenzsituation um jedes Mitglied kämpfen müssen, ist es naheliegend, daß ihr Interesse daran, auch die Abwanderung insbesondere der sogenannten „günstigen Risiken” zu den privaten Krankenversicherungen zu verhindern, höher ist als zuvor, als jede einzelne gesetzliche Krankenkasse über einen relativ gesicherten Mitgliederbestand verfügte.

cc) Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, daß der Beklagte in Ziff. IV. 1. Buchst. c) der Dienstanweisung vom 19. Dezember 1990 die Erstattung von Gutachten für private Krankenversicherungen als genehmigungsfähig angesehen hat. Der Beklagte ist an die von ihm selbst geschaffene Dienstanweisung nur gebunden, solange er sie anwendet. Dies ist hinsichtlich der Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen zur Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten seit 1999 nicht mehr der Fall.

dd) Durch die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung wird das Interesse des Klägers an der freien Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht unangemessen beeinträchtigt. Dem Beklagten ist ein erhebliches Interesse daran zuzubilligen, die Belange der ihn finanzierenden gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen zu wahren und deren Konkurrenten nicht zu fördern. Demgegenüber kann der Kläger seine beruflichen Fähigkeiten als medizinischer Gutachter für andere Auftraggeber nutzen. Diesem Interesse des Klägers hat der Beklagte durch Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung zur Erstattung von Gutachten für die LVA und die BfA entsprochen.

2. Der Beklagte war auf Grund der Besitzstandsklausel in § 46 MDK-T nicht verpflichtet, dem Kläger die begehrte Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen. Nach dieser Vorschrift blieben günstigere Regelungen nach bisherigen gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die bereits wirksam waren, den beim Inkrafttreten des MDK-T im Dienste des Arbeitgebers stehenden Beschäftigten als persönlicher Besitzstand erhalten. Für den Kläger gab es vor Inkrafttreten des MDK-T hinsichtlich der Ausübung von Nebentätigkeiten keine günstigeren gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen. Nach den bis dahin bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen galt der BAT in der für die Angestellten der LVA Baden-Württemberg geltenden Fassung. Nach § 11 BAT finden für die Nebentätigkeiten des Angestellten die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen sinngemäß Anwendung. Damit galten für Nebentätigkeiten des Klägers auch vor Inkrafttreten des MDK-T die Vorschriften des LBG Baden-Württemberg.

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger auf Grund betrieblicher Übung die begehrte Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen. Zwar hat der Beklagte in der Vergangenheit den angestellten Ärzten Nebentätigkeitsgenehmigungen auch zur Erstellung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen erteilt. Dadurch ist aber kein Vertrauenstatbestand des Inhalts entstanden, daß solche Nebentätigkeiten auch künftig einschränkungslos genehmigt werden. Die Genehmigung der Nebentätigkeiten erfolgte auf der Grundlage der Dienstanweisung vom 19. Dezember 1990. In Ziff. I. der Dienstanweisung ist ausdrücklich vorgesehen, daß für Nebentätigkeiten die Vorschriften des LBG Anwendung finden. Ziff. III. Nr. 6. der Dienstanweisung bestimmt, ebenso wie § 83 Abs. 2 Satz 1 LBG, daß die Genehmigung zu versagen ist, wenn zu besorgen ist, daß dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. In Ziff. IV. 1. der Dienstanweisung sind schließlich beispielhaft Nebentätigkeiten aufgezählt, deren Ausübung gestattet werden „kann”. Bereits aus der Formulierung dieser Regelung ergibt sich, daß nicht ohne weiteres ein Anspruch auf Genehmigung einer solchen Nebentätigkeit besteht. Dem Arbeitgeber ist vielmehr auch in diesen Fällen die Entscheidungsbefugnis darüber eingeräumt, ob er die Nebentätigkeit genehmigt oder nicht. Dies bedeutet, daß auch solche Nebentätigkeiten nur zu genehmigen sind, wenn nicht zu besorgen ist, daß dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

4. Der Kläger kann keine Rechte daraus herleiten, daß Medizinische Dienste in anderen Bundesländern ihren angestellten Ärzten nach wie vor Nebentätigkeitsgenehmigungen zur Erstattung von Gutachten für private Kranken- und Pflegeversicherungen erteilen. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Er ist jedoch nicht verpflichtet, sie mit Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber gleichzubehandeln.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Schäferkord, Schwarck

 

Fundstellen

Haufe-Index 749369

NWB 2002, 2344

ARST 2002, 195

ZTR 2002, 429

EzA

NJOZ 2003, 1190

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