Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubserteilung während Beschäftigungsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

Erklärt der Arbeitgeber während eines Beschäftigungsverbots der Arbeitnehmerin, daß er sie von der Arbeit freistelle, da er keine andere Tätigkeit anbieten könne, so liegt darin keine Urlaubsgewährung, sondern ein Verzicht auf die Annahme der Arbeitsleistung. Die Urlaubsgewährung setzt voraus, daß der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin erkennbar macht, er befreie sie von der Arbeitspflicht, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 362, 615; BErzGG § 17; BUrlG § 7 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.05.1992; Aktenzeichen 7 Sa 194/92)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 28.11.1991; Aktenzeichen 6d Ca 541/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen verpflichtet ist.

Die Klägerin war beim Beklagten seit 1. September 1988 als Krankenschwester in der häuslichen Alten- und Krankenpflege tätig. Im Februar 1990 wurde sie schwanger. Daraufhin untersagte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt dem Beklagten am 28. März 1990 gemäß § 2 Abs. 5 und § 4 Abs. 5 Satz 2 MuSchG die Weiterbeschäftigung der Klägerin in der häuslichen Kranken- und Altenpflege.

Darauf schrieb der Beklagte am 14. April 1990 an die Klägerin:

"Betr.: Freistellung wegen Beschäftigungsverbot

durch das staatliche Gewerbeaufsichtsamt

...

Sehr geehrte Frau K ,

nach der Erteilung eines Beschäftigungsverbots

für die häusliche Krankenpflege stelle ich sie

hiermit ab dem 18.04.90 bezahlt frei, da ich

Ihnen keine andere zumutbare Tätigkeit anbieten

kann."

Nach der Entbindung im November 1990 nahm die Klägerin Erziehungsurlaub in Anspruch. Zum 30. Juni 1991 endete das Arbeitsverhältnis einvernehmlich, ohne daß die Klägerin ihre Arbeit wieder aufnahm.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin vom Beklagten die Abgeltung von 21 Urlaubstagen aus dem Jahr 1990 verlangt. Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin

2.572,15 DM brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Freistellung der Klägerin seit dem 18. April 1990 sei zumindest auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Die Klägerin habe mehr als genug freie Zeit gehabt, um Urlaub zu machen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

In dem zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht bestimmten Termin ist für den Beklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen. Die Klägerin hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I. Über die Revision der Klägerin ist auf deren Antrag durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§ 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. §§ 557, 331 ZPO). Da der Revisionsbeklagte in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist der Revision stattzugeben, wenn sie nach der Revisionsbegründung zulässig und begründet ist (BAG Urteil vom 4. Oktober 1978 - 5 AZR 326/77 - AP Nr. 3 zu § 3 LohnFG, zu I der Gründe).

II. Die Revision ist zulässig und begründet; denn die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 2.572,15 DM.

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts betrug der vereinbarte Urlaub der Klägerin für das Jahr 1990 vor Beginn des Beschäftigungsverbots 21 Urlaubstage. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht durch Erfüllung erloschen. Dazu fehlt es an der zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötigen Urlaubsgewährung (§ 7 Abs. 2 BUrlG) durch den Arbeitgeber.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaubsanspruch ein durch das BUrlG bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne daß die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts, berührt wird (vgl. BAGE 45, 184, 187 = AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch, zu II 2 b der Gründe; 54, 59, 62 = AP Nr. 19 zu § 11 BUrlG, zu 2 b der Gründe; 59, 154, 161 = AP Nr. 22 zu § 11 BUrlG, zu I 2 b der Gründe). Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muß hinreichend deutlich erkennen lassen, daß eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaubsgewährung erklärt wird. Anderenfalls ist nicht bestimmbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Abs. 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichtet (§ 615 BGB).

Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Es hat daher nicht geprüft, ob die Klägerin aus der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 14. April 1990 nach § 133 BGB erkennen mußte, daß sie zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht freigestellt werden sollte.

Der Senat ist selbst zur abschließenden Auslegung der Erklärung, auf die das Landesarbeitsgericht in seinem Tatbestand Bezug genommen hat, befugt. Besondere Umstände des Einzelfalls, die der Auslegung eine bestimmte Richtung geben können (vgl. BAG Urteil vom 12. Juli 1957 - 1 AZR 418/55 - AP Nr. 6 zu § 550 ZPO) liegen nicht vor und weitere Feststellungen kommen nicht in Betracht (vgl. BAG Urteil vom 28. Februar 1991 - 8 AZR 89/90 - AP Nr. 21 zu § 550 ZPO).

Das Schreiben des Beklagten vom 14. April 1990 kann nicht dahin ausgelegt werden, daß der Beklagte die Klägerin in Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeit frei stellen wollte. Das Schreiben enthält insoweit keinen Hinweis. Weder wird angesprochen, daß mit der Freistellung zugleich auch der Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt noch daß die Klägerin unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freigestellt werde (vgl. BAGE 54, 59, 62 = AP Nr. 19 zu § 11 BUrlG; BAGE 65, 171, 172 = AP Nr. 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit). Vielmehr ist im Schreiben ausschließlich auf das Beschäftigungsverbot Bezug genommen worden. Die schriftliche Begründung, daß er keine andere zumutbare Tätigkeit anbieten könne, mußte die Klägerin daher als Erläuterung des Beklagten auf einen Verzicht auf die Annahme ihrer Arbeitsleistung verstehen.

Abzulehnen ist auch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe ab 18. April 1990 sechs Monate lang ihren restlichen Urlaubsanspruch selbst verwirklichen können. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß der Arbeitnehmer sich nicht selbst beurlauben kann (vgl. BAG Urteil vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - AP Nr. 6 zu § 8 a MuSchG 1968, zu B III 4 der Gründe).

2. Fehlt es somit an der Erfüllungshandlung des Beklagten, so kommt es auf die weiteren vom Landesarbeitsgericht erörterten Fragen nicht an. Insbesondere bedarf es keiner Stellungnahme dazu, ob während des Beschäftigungsverbots überhaupt der Urlaubsanspruch erfüllt werden konnte.

3. Nach § 17 Abs. 2 BErzGG ist der Resturlaubsanspruch der Klägerin aus dem Urlaubsjahr 1990 auf die Zeit nach dem Erziehungsurlaub übertragen worden. Er stand der Klägerin zu Beginn des Erziehungsurlaubs noch in vollem Umfang zu (vgl. BAGE 68, 304 = AP Nr. 2 zu § 17 BErzGG). Er ist auch nicht mit Ablauf des 31. März 1991 erloschen, da § 17 Abs. 2 BErzGG als gesetzliche Sonderregelung der Verfallsvorschrift des § 7 Abs. 3 BUrlG und den entsprechenden tariflichen Bestimmungen vorgeht (BAG Urteil vom 28. Juli 1992 - 9 AZR 340/91 - AP Nr. 3 zu § 17 BErzGG auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; vom 24. Oktober 1989 - 8 AZR 253/88 - AP Nr. 52 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Mit dem Ausscheiden der Klägerin während des Erziehungsurlaubs verwandelte sich ihr Urlaubsanspruch nach § 17 Abs. 3 BErzGG in einen Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

III. Der Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht dem Beklagten der Einspruch zu (§ 338 ZPO). Der Einspruch muß durch Einreichung einer Einspruchsschrift beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (§ 340 ZPO). Die Einspruchsschrift muß die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird, sowie die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde, enthalten. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen. Sie beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils (§ 339 Abs. 1 ZPO).

Dr. Leinemann Dörner Düwell

Dr. Weiss Mache

 

Fundstellen

Haufe-Index 441782

BAGE 75, 294-298 (LT1)

BAGE, 294

BB 1994, 1012

BB 1994, 1012-1013 (LT1)

BB 1994, 289

DB 1994, 1243 (LT1)

DStR 1995, 110 (K)

NJW 1994, 2373 (LT1)

BuW 1994, 439 (K)

BuW 1994, 512 (K)

EBE/BAG 1994, 78-79 (LT1)

DRsp, VI(604) 202b (LT1)

ARST 1994, 151-152 (LT1)

NZA 1994, 652

NZA 1994, 652-653 (LT1)

SAE 1995, 193-194 (LT1)

ZAP, EN-Nr 288/94 (S)

ZAP, EN-Nr 508/94 (S)

ZTR 1994, 301 (LT1)

AP § 7 BUrlG (LT1), Nr 16

AR-Blattei, ES 1640 Nr 358 (LT1)

EzA-SD 1994, Nr 10, 12-13 (LT1)

EzA § 7 BUrlG, Nr 92 (LT1)

EzBAT § 47 BAT Erfüllung, Nr 8 (LT1)

GdS-Zeitung 1994, Nr 8, 14-15 (KT)

JZ 1994, 484 (S)

MDR 1995, 74-75 (LT1)

PersF 1994, 763 (K)

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