Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung teilzeit- und vollbeschäftigter Lehrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Teilzeitbeschäftigte angestellte Lehrer haben für die Unterrichtsstunden, die sie über die vertraglich vereinbarte Stundenzahl hinaus erbringen, Anspruch auf anteilige Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT).

2. Soweit die Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2l I) § 34 Abs. 1 Satz 3 BAT für unanwendbar erklären und auf die für beamtete Lehrer geltenden Vorschriften verweisen, die für Zusatzstunden nur eine erheblich geringere Vergütung vorsehen, ist die Bestimmung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG unwirksam.

 

Normenkette

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur MVergV vom 6. August 1974; BAT § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 3, § 70; BBesG § 48; BeschFG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1; LBG-NW § 78a Abs. 2 S. 3; SR 2l I Nr. 3; Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 der DDR § 5

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 16.12.1997; Aktenzeichen 5 Sa 157/97)

ArbG Münster (Urteil vom 14.11.1996; Aktenzeichen 2 Ca 1742/96)

 

Tenor

1. Die Revisionen des Klägers und des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Dezember 1997 – 5 Sa 157/97 – werden zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat 1/5, das beklagte Land 4/5 der Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem teilzeitbeschäftigten Kläger für die Erteilung von außerplanmäßigem Unterricht zustehenden Vergütung.

Der Kläger stand vom 1. Februar 1994 bis zum 6. März 1996 als Lehrer in den Diensten des beklagten Landes. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom März 1994 und kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (im folgenden BAT) und die ihn ergänzenden Tarifwerke in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger war eingruppiert in VergGr. III der Anlage 1 a BAT; das entspricht einer Vergütung von etwa 54,00 DM pro Unterrichtsstunde. Die vertraglich vereinbarte Unterrichtsverpflichtung belief sich auf zwölf Stunden.

In der Zeit von August 1995 bis 4. Februar 1996 erteilte der Kläger weisungsgemäß jeweils zwei weitere Wochenstunden Unterricht. Vom 7. September 1995 bis zum 13. November 1995 und vom 24. November 1995 bis zum 4. Februar 1996 hatte er darüber hinaus in Vertretung einer erkrankten Kollegin sieben weitere Wochenstunden zu unterrichten.

Das beklagte Land vergütete diese zusätzlichen Unterrichtsstunden nach Maßgabe der Sonderregelungen 2l I (Angestellte als Lehrkräfte) BAT, die auf die Bestimmungen für entsprechende Beamte verweisen, in Verbindung mit den Runderlassen des Kultusministeriums vom 11. Juni 1979 (GABl. NW. S. 296) und vom 22. August 1980 (GABl. NW. S. 507) mit je 30,71 DM brutto pro Unterrichtsstunde; von den im Januar 1996 vom Kläger insgesamt 30 geleisteten Zusatzstunden wurden ihm nur 24 Stunden vergütet.

Mit Schreiben seiner Gewerkschaft vom 14. März 1996 beanspruchte der Kläger für die ab 7. September 1995 geleistete „regelmäßige Mehrarbeit … eine anteilige BAT-Vergütung … abzüglich der bereits geleisteten Einzelstundenvergütung”.

Mit seiner dem beklagten Land am 21. August 1996 zugestellten Klage hat der Kläger seine – rechnerisch unstreitigen – Ansprüche für die Zeit ab September 1996 weiterverfolgt. Er hat vorgetragen: Die niedrigere Vergütung der von teilzeitbeschäftigten Lehrern unterhalb der Pflichtstundenzahl von Vollzeitkräften zusätzlich geleisteten Überstunden verstoße gegen § 2 BeschFG. Denn für dieselbe Stundenzahl erhalte er eine geringere Vergütung als vollzeitbeschäftigte Lehrer. Auch die Sonderzuwendung 1995 erhöhe sich dementsprechend um 1.689,42 DM brutto. Auch die erhöhte Sonderzuwendung habe er mit dem Schreiben vom 14. März 1996 rechtzeitig geltend gemacht. Der Kläger hat entsprechende Zahlungsanträge gestellt.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen: Es behandele teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Lehrer hinsichtlich der Vergütung von Mehrarbeit gleich. Vergleichsmaßstab für die Überprüfung einer Ungleichbehandlung könne nur die jeweils arbeitsvertraglich geschuldete Leistung sein. Die Mehrarbeit eines teilzeitbeschäftigten Lehrers könne nicht mit der arbeitsvertraglich geschuldeten regulären Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Lehrers verglichen werden. Unterstelle man aber eine Ungleichbehandlung, so sei diese sachlich gerechtfertigt. Denn die Mehrarbeit sei nur vorübergehend zu leisten, wo hingegen die Vollzeitkraft in dieser Zeit ihre vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeit erbringe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie auf Zahlung einer höheren Stundenvergütung gerichtet ist, und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Erhöhung der Zuwendung gerichtet ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen sie ihre Anträge weiter, soweit sie bisher unterlegen sind.

 

Entscheidungsgründe

Keine der Revisionen hat Erfolg.

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger einen Anspruch auf die Differenz zur anteiligen Vergütung für die über die individuelle Pflichtstundenzahl geleisteten Unterrichtsstunden zuerkannt.

Nr. 3 SR 2l I BAT verstößt insoweit gegen § 2 Abs. 1 BeschFG, als die Vorschrift hinsichtlich der Vergütung von Unterrichtsstunden, die teilzeitbeschäftigte Lehrer weisungsgemäß über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus leisten, die Bestimmungen des BAT für teilzeitbeschäftigte Angestellte für unanwendbar erklärt und auf diejenigen für entsprechende Beamte verweist.

1. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom März 1994 und kraft beiderseitiger Tarifbindung finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag und die ihn ergänzenden Tarifwerke auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Nach § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, 2 BAT erhalten „nichtvollbeschäftigte Angestellte … von der Vergütung (§ 26), die für entsprechende vollbeschäftigte Angestellte festgelegt ist, den Teil, der dem Maß der mit ihm vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Arbeitsstunden, die der Angestellte darüber hinaus leistet, können durch entsprechende Arbeitsbefreiung und auf Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen ausgeglichen werden”. Gemäß § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT erhält der Angestellte, „soweit ein Ausgleich nicht erfolgt, … für jede zusätzliche Arbeitsstunde den auf eine Stunde entfallenden Anteil der Vergütung eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten”. Nach § 35 Abs. 1, § 17 BAT erhalten Angestellte für Überstunden Zeitzuschläge. Überstunden sind nur die über die regelmäßige Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 BAT) vollbeschäftigter Arbeitnehmer hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Diese Regelung verstößt weder gegen das gemeinschaftsrechtliche Lohngleichheitsgebot (Art. 119 EG-Vertrag, Richtlinie Nr. 75/117/EWG) noch gegen Art. 3 Abs. 1, 3 GG und § 2 BeschFG (BAG Urteil vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327 = AP Nr. 6 zu § 35 BAT).

Danach erhalten teilzeitbeschäftigte Angestellte für jede Arbeitsstunde, die nicht durch entsprechende Arbeitsbefreiung ausgeglichen wird, dieselbe Vergütung wie vollbeschäftigte Angestellte. Für Arbeitsstunden, die sie über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus leisten, erhalten sie nur dann Zeitzuschläge, wenn damit die Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten überschritten wird.

Nr. 3 SR 2l I BAT bestimmt, daß § 15, § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 und § 35 BAT auf angestellte Lehrer an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen keine Anwendung finden und die Bestimmungen für entsprechende Beamte gelten.

In dieser Verweisung liegt keine unzulässige Delegation der Rechtsetzungsbefugnis. Die Tarifvertragsparteien können im Grundsatz davon ausgehen, daß die beamtenrechtliche Regelung wegen der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Beamten (§ 79 BBG, § 48 BRRG) sachgerecht ist (BAGE 39, 138, 144 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; BAGE 75, 133, 140 = AP Nr. 11 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). SR 2l I Nr. 3 BAT verweist nicht nur auf die für Beamte einschlägigen Gesetze und Rechtsverordnungen, sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsanordnungen und Erlasse (BAGE 39, 138, 144 = aaO; BAGE 84, 335, 338).

2. Danach sollen auch für angestellte Lehrer folgende beamtenrechtliche Bestimmungen Anwendung finden:

Nach § 78 a Abs. 1 LBG-NW ist „der Beamte … verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, so ist ihm innerhalb von drei Monaten für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren”. Nach § 78 a Abs. 2 Satz 1 LBG-NW können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern, wenn die Dienstbefreiung aus dienstlich zwingenden Gründen nicht möglich ist, „für einen Zeitraum von längstens vierzig Stunden im Monat eine Mehrarbeitsvergütung erhalten”. § 78 a Abs. 2 Satz 3 LBG-NW verweist für die Gewährung der Mehrarbeitsvergütung auf § 48 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). § 48 Abs. 1 BBesG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu regeln, soweit die Mehrarbeit nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen wird.

§ 1 der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) bestimmt, daß „Vergütungen für Mehrarbeit … nur nach Maßgabe dieser Verordnung gezahlt werden” dürfen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 MVergV kann auch beamteten Lehrern im Schuldienst für Mehrarbeit eine Vergütung gewährt werden. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MArbVVwV) vom 6. August 1974 (GMBl. S. 386) heißt es, daß „Mehrarbeit” der über die regelmäßige Arbeitszeit geleistete Dienst ist und auch von teilzeitbeschäftigten Beamten geleistet werden kann. Regelmäßige Arbeitszeit ist danach die in bundes- und landesrechtlichen Vorschriften festgesetzte „oder nach den Vorschriften über die Teilzeitbeschäftigung angeordnete wöchentliche Arbeitszeit der Beamten”. Nach Ziff. 1.3.1 zu § 1 MVergV der genannten Verwaltungsvorschrift liegt „Mehrarbeit im Schuldienst … vor, wenn Unterricht über die nach dem Lebensalter der Lehrkraft allgemein festgesetzte Stundenzahl – Pflichtstunden – erteilt wird”. In § 3 Abs. 1 Nr. 2 MVergV heißt es wiederum, daß eine Mehrarbeitsvergütung nur dann gewährt wird, wenn sie die sich aus der regelmäßigen Arbeitszeit ergebende jeweilige monatliche Arbeitszeit übersteigt. Die im Streitzeitraum geltende Fassung des § 3 Abs. 2 MVergV (BGBl. 1992 I, S. 528) bestimmt, daß „die Vergütung … höchstens bis zu 40 Mehrarbeitsstunden im Kalendermonat gewährt” wird. Nach § 5 Abs. 2 MVergV gelten „bei Mehrarbeit im Schuldienst … bei Anwendung

  1. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 drei Unterrichtsstunden als fünf Stunden,
  2. des § 3 Abs. 2 24 Unterrichtsstunden als 40 Mehrarbeitsstunden”.

In Ziff. 3 der Verwaltungsvorschrift zu § 3 MVergV heißt es, daß „abgeltbare Mehrarbeit … nur vor(liegt), wenn die für den Kalendermonat ermittelten … Mehrarbeitsstunden fünf und bei Lehrern drei Stunden (Unterrichtsstunden – § 5 Abs. 2 Nr. 1 –) überschreiten”. Weiter heißt es in dieser Bestimmung: „Dies gilt auch bei einer Teilzeitbeschäftigung. Bei einer solchen Überschreitung ist Mehrarbeit bereits von der ersten Stunde an abzugelten”.

Die Höhe der Vergütung der Mehrarbeit im Schuldienst ergibt sich aus dem Erlaß des Kultusministeriums vom 22. August 1980 (GABl. NW. S. 507).

Nach diesen Vorschriften hatte der Kläger für die sechs über 24 Unterrichtsstunden im Januar geleisteten Zusatzstunden keine Vergütung und für die anderen Zusatzstunden nur die Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 30,71 DM brutto pro Unterrichtsstunde zu beanspruchen. Damit erhielt er für seine Zusatzstunden insgesamt erheblich weniger als die Vergütung, die er und die anderen angestellten Lehrer für die vertraglich geschuldeten Unterrichtsstunden erhalten.

3. Diese unterschiedliche Behandlung verstößt gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. § 2 Abs. 1 BeschFG gilt auch für den Bereich der Vergütung. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BeschFG sind hier erfüllt. Der Kläger wird wegen der Teilzeit ungleich behandelt; dafür gibt es keine sachlichen Gründe.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrern unterschiedlich behandelt wird.

Allerdings behandelt das beklagte Land Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte insofern gleich, als diese für die weisungsgemäß über die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden dieselbe Vergütung erhalten, und sie beide, soweit die Zahl von 24 zusätzlichen Unterrichtsstunden überschritten wird, keine Vergütung erhalten. Teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Lehrer werden aber insofern unterschiedlich behandelt, als Teilzeitbeschäftigte bei Überschreiten ihrer individuell geschuldeten wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl bis zum Erreichen der geschuldeten Pflichtstundenzahl einer Vollzeitkraft überhaupt keine oder nur eine erheblich niedrigere Vergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer für die gleiche Stundenzahl. Der Vergleich mit den Vollzeitbeschäftigten ist der entscheidende Vergleichsmaßstab.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15. Dezember 1994 – C 399/92 u.a. – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Teilzeit) liegt eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 119 EG-Vertrag und Art. 1 der EG-Richtlinie Nr. 75/117 (Lohngleichheitsrichtlinie) immer dann vor, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die Vollzeitbeschäftigten gezahlte Gesamtvergütung höher ist als die Teilzeitbeschäftigten gezahlte. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG Urteile vom 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie und – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173, 179 = AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie; vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327 = AP Nr. 6 zu § 35 BAT). In den genannten Fällen wurde darum gestritten, ob die teilzeitbeschäftigten Kläger Überstundenzuschläge schon bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit beanspruchen konnten, obwohl die einschlägigen Tarifverträge die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur bei Überschreiten der für Vollzeitbeschäftigte festgelegten Regelarbeitszeit vorsahen. Das Bundesarbeitsgericht hat die darauf gerichteten Klagen abgewiesen, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, es gäbe für die unterschiedliche Behandlung sachliche Gründe. Die Frage, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 BeschFG vorliegt, hat es dagegen dahinstehen lassen.

Ob überhaupt bei gleicher Bezahlung für die gleiche Stundenzahl eine Ungleichbehandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 BeschFG in Frage kommt, kann auch hier offen bleiben. Jedenfalls ist eine Ungleichbehandlung im Sinne dieser Vorschrift in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu Art. 119 EG-Vertrag immer dann zu bejahen, wenn für die gleiche Stundenzahl nicht die gleiche Gesamtvergütung gezahlt wird. Es ist nicht sinnvoll, hinsichtlich der Frage, ob verschiedene Arbeitnehmer gleich oder ungleich behandelt werden, zwischen Art. 119 EG-Vertrag und § 2 Abs. 1 BeschFG zu differenzieren. Gegen eine Differenzierung sprechen auch Praktikabilitätsgesichtspunkte.

b) Der Kläger wurde „wegen der Teilzeit” schlechter bezahlt. § 2 Abs. 1 BeschFG erlaubt die Ungleichbehandlung, wenn sie nicht „wegen der Teilzeit” erfolgt, und wenn „sachliche Gründe” die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die Grenzen zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen sind fließend (Senatsurteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985). Eine Ungleichbehandlung „wegen der Teilzeitarbeit” liegt immer dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft. Das ist hier der Fall. Denn das beklagte Land behandelt nur teilzeitbeschäftigte Lehrer schlechter. Nur diese erhalten für Unterrichtsstunden bis zur Pflichtstundenzahl vollbeschäftigter Lehrer zum Teil eine geringere und zum Teil überhaupt keine Vergütung.

c) Für diese Ungleichbehandlung gibt es keine sachlichen Gründe.

Die amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 nennt als mögliche Gründe für eine zulässige Schlechterstellung von Teilzeitkräften Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung, soziale Lage oder unterschiedliche Arbeitsplatzanforderungen (RegE BT-Drucks. 10/2102 S. 24). Diese Aufzählung ist nicht abschließend (BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 518/90 – AP Nr. 18 zu § 2 BeschFG 1985).

Durch die tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen sollen die angestellten Lehrer den beamteten Lehrern gleichgestellt werden. Damit läßt sich die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern untereinander nicht rechtfertigen. Ein Vergleich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes mit Beamten ist wegen erheblicher Unterschiede beider Rechtsverhältnisse grundsätzlich ungeeignet, um daraus Rechtsfolgen herzuleiten (BAGE 71, 29 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAGE 73, 262 = AP Nr. 32 zu § 2 BeschFG 1985; BAGE 75, 133 = AP Nr. 11 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Das gilt auch für Vergütungsansprüche (BAGE 75, 133 = aaO).

Das beklagte Land hat zur Rechtfertigung einer etwaigen Ungleichbehandlung nur vorgetragen, bei den teilzeitbeschäftigten Lehrern handele es sich um vorübergehende Mehrarbeit, während die vollbeschäftigten Lehrer in dieser Zeit ihre vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitsleistung erbrächten. Dieses Vorbringen erschöpft sich in der Beschreibung der Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten. Aus ihr ergibt sich keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung.

Weitere Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Da der Kläger jeweils über längere Zeiträume Zusatzstunden gegeben hat, läßt sich die niedrigere Vergütung auch nicht damit rechtfertigen, daß dafür weniger Vor- und Nacharbeit erforderlich wäre.

d) Die Ungleichbehandlung ist auch nicht deshalb zulässig, weil sie auf Tarifvertrag beruht. Zwar kann nach § 6 Abs. 1 BeschFG durch Tarifvertrag von den Vorschriften des zweiten Abschnitts des Beschäftigungsförderungsgesetzes (Teilzeitarbeit) auch zu ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 6 Abs. 1 BeschFG eröffnet aber den Tarifvertragsparteien nicht die Möglichkeit, Teilzeitbeschäftigte aus unsachlichen Gründen schlechter zu behandeln (BAGE 62, 334 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985; BAGE 76, 90, 100 = AP Nr. 31 zu § 23 a BAT; BAGE 79, 236 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAGE 82, 344, 347 = AP Nr. 49 zu § 2 BeschFG 1985).

e) Daraus ergibt sich: Nr. 3 SR 2l I BAT ist im dargestellten Umfang unwirksam. Teilzeitbeschäftigte Lehrer haben danach Anspruch auf die sonst üblicherweise für Unterrichtsstunden gezahlte Vergütung, soweit die Pflichtstundenzahl vollbeschäftigter Lehrer nicht überschritten wird. Die Höhe der üblichen Vergütung ergibt sich aus § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT, also der Tarifvorschrift, die nach der unwirksamen Bestimmung der Nr. 3 SR 2l I BAT auf angestellte Lehrer nicht anwendbar sein sollte. Danach war die vom Kläger beanspruchte anteilige Vergütung geschuldet, so daß die Vorinstanzen dem Kläger zu Recht den Differenzbetrag zur anteiligen Stundenvergütung zugesprochen haben.

II. Auch die Revision des Klägers ist unbegründet. Der sich aus dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 ergebende Anspruch auf Zahlung einer höheren Zuwendung ist nach § 70 BAT verfallen. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe seine am 1. Dezember 1995 fällige Forderung frühestens mit Klageschrift und nicht schon mit dem Schreiben vom 14. März 1996 geltend gemacht. Das beklagte Land habe dieses Schreiben nur dahin verstehen können, daß der Kläger seine zusätzlichen Unterrichtsstunden als solche habe höher vergütet wissen wollen. Dafür sprächen die Ausdrücke „regelmäßige Mehrarbeit” und „anteilige BAT-Vergütung” ebenso wie der Wunsch, es möge „diese Vergütung abzüglich der bereits geleisteten Einzelstundenvergütung” geleistet werden. Die höhere Sondervergütung stelle aber keine Vergütung für regelmäßige Mehrarbeit dar, sondern nehme lediglich rechnerisch auf die Höhe des Septembergehalts bezug (§ 2 Abs. 1 TV-Zuwendung i. V. m. § 47 Abs. 2 BAT). Das Schreiben vom 14. März 1996 lasse nicht erkennen, daß über die „anteilige BAT-Vergütung für die Unterrichtstätigkeit als solche hinaus eine Erhöhung der einmaligen Jahreszuwendung begehrt werde”.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Bei dem Schreiben vom 14. März 1996 handelt es sich um eine individuelle Erklärung. Die Auslegung derartiger nichttypischer Erklärungen ist nach ständiger Rechtsprechung in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt und ob sie rechtlich möglich ist. Danach ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist möglich. Die Revision macht nur geltend, der Begriff BAT-Vergütung erfasse grundsätzlich neben den regelmäßigen monatlichen Zahlungen die jährliche Sonderzuwendung. Es sei an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht worden, daß nur die monatliche BAT-Vergütung geltend gemacht werden sollte. Die Formulierung könne deshalb nur so verstanden werden, daß alle sich aus dem BAT ergebenden Vergütungsansprüche des Klägers erfaßt sein sollten. Dabei übersieht die Revision, daß der Ausdruck „BAT-Vergütung” in dem Schreiben nicht isoliert steht. Es heißt dort weiter, der Kläger mache „diese Vergütung abzüglich der bereits geleisteten Einzelstundenvergütung geltend”. Das läßt durchaus die Auslegung zu, der Kläger habe damit nur eine erhöhte Stundenvergütung und nicht auch eine erhöhte Zuwendung geltend gemacht.

 

Unterschriften

Griebeling, Reinecke, Bepler, Buschmann, Winterfeld

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 21.04.1999 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436302

BAGE, 262

BB 1999, 1013

BB 1999, 1816

DB 1999, 2116

NWB 1999, 1790

NVwZ-RR 1999, 659

ARST 1999, 281

FA 1999, 307

NZA 1999, 939

ZAP 1999, 552

ZTR 1999, 410

AP, 0

PersR 1999, 412

RiA 2000, 58

ZfPR 2000, 114

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Standard. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge