Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Änderungskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 2 KSchG ist auf die außerordentliche Änderungskündigung entsprechend anwendbar (Bestätigung von BAG Urteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 161/83 = AP Nr 3 zu § 55 BAT zu II 4 der Gründe).

2. Die analoge Anwendung des § 2 KSchG auf die außerordentliche Änderungskündigung bedeutet, daß der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt unverzüglich erklären muß.

3. In der widerspruchs- und vorbehaltslosen Weiterarbeit zu geänderten Arbeitsbedingungen kann dann eine Annahme des Änderungsangebots gesehen werden, wenn sich die neuen Arbeitsbedingungen alsbald auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

 

Normenkette

KSchG § 2 Fassung 1969-08-25, § 4 Fassung 1969-08-25

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.07.1985; Aktenzeichen 11 Sa 37/85)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 26.03.1985; Aktenzeichen 1 Ca 273/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 6. Juni 1984.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1957 beschäftigt. Seit 1968 leitet er in seiner Eigenschaft als Werkstattmeister auf dem ihm und seiner Ehefrau gehörenden und von der Beklagten gepachteten Grundstück in E eine Reparaturwerkstatt der Beklagten für landwirtschaftliche Maschinen. Seine monatlichen Bezüge betrugen zuletzt 2.813,-- DM brutto.

Der Sohn des Klägers verkauft und repariert in C unter der Firma "F " Rasenmäher, Motorsägen und Kleinmotorengeräte. Zwischen diesem, dem Kläger und der Beklagten wurde am 21. April 1981 ein Kooperationsvertrag geschlossen, nach dem es dem Kläger gestattet war, "in die Führung und in die technische Oberaufsicht" des Betriebes seines Sohnes einzutreten. Der Sohn des Klägers verpflichtete sich, die notwendigen Geräte und Ersatzteile bei der Beklagten zu beziehen; ihm war auch ein Kundenkreis nach regionalen Kriterien zugewiesen.

Mit Schreiben vom 6. Juni 1984 kündigte die Beklagte "wegen des besprochenen groben Vertrauensbruches ... das bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung"; gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger "ab sofort eine Tätigkeit als Meistergeselle in der Reparaturwerkstatt H " an. Am 7. Juni 1984 nahm der Kläger dort seine weitere Tätigkeit auf, ohne einen Vorbehalt im Sinne des § 2 KSchG zu erklären.

Mit der Klage vom 9. Juni 1984, am 12. Juni 1984 bei Gericht eingegangen und am 20. Juni 1984 der Beklagten zugestellt, begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung und die Verurteilung der Beklagten zur Beschäftigung des Klägers in E als Meister.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen

den Parteien durch die von der Beklagten am

6. Juni 1984 ausgesprochene Änderungskündigung

aus wichtigem Grund nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte - bei Meidung eines für jeden Fall

der Zuwiderhandlung festzusetzenden Zwangsgeldes,

dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt

wird - zu verurteilen, den Kläger zu den bisheri-

gen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, am 24. Mai 1984 habe sie davon Kenntnis erhalten, daß der Kunde D im Frühjahr 1983 in der Werkstatt der Beklagten eine Motorsäge bestellt habe, die jedoch von der Firma des Sohnes des Klägers geliefert und in Rechnung gestellt worden sei. Außerdem habe der Kläger einen Mitarbeiter zu überreden versucht, im Urlaub im Betrieb seines Sohnes zu arbeiten. Der Kläger habe auch auf der Produktivitätsmeldung für die Beklagte Monteurstunden eines Mitarbeiters aufgeschrieben, um seine eigene Produktivität in günstigerem Licht erscheinen zu lassen. Er habe zudem während der Arbeitszeit längere Gespräche geführt, die keinen dienstlichen Bezug gehabt hätten. Schließlich habe sie, die Beklagte, am 22. Juni 1984 erfahren, daß der Kläger in der Zeit vor Ausspruch der Kündigung zwei Aufträge über die Lieferung eines Rasenmähers und eines Aufsitzmähers seinem Sohn zugespielt habe; in letzterem Fall sei das Gerät zudem vom Kläger während seiner Dienstzeit repariert, die Rechnung aber vom Sohn des Klägers gestellt worden.

Der Kläger hat erwidert, er habe weder Aufträge noch Bestellungen, die an die Beklagte gerichtet gewesen seien, seinem Sohn als Inhaber eines Konkurrenzgeschäftes weitergeleitet. Er habe auch nicht einen Mitarbeiter zu überreden versucht, im Urlaub im Betrieb seines Sohnes zu arbeiten. Vielmehr habe der Mitarbeiter R sich erboten, im Betrieb seines Sohnes auszuhelfen, als dieser auf einem Meisterkurs gewesen sei, mit der Begründung, er habe noch genügend Resturlaub. Er habe auch keine unrichtige Produktivitätsmeldung abgegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26. März 1985 der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat der Beklagten hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, auf die Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglich gestellten Anträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Es hat festgestellt, der Kläger habe ab 7. Juni 1984 in H die Tätigkeit als Meistergeselle vorbehaltlos angenommen und die ihm zugewiesenen Arbeiten ohne Protest ausgeführt.

Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, mit der vorbehaltlosen Arbeitsaufnahme habe der Kläger das Änderungsangebot angenommen. Der Vorbehalt könne nur zusammen mit der Annahme erklärt werden. Weder aus der Annahme selbst noch aus den Umständen, unter denen die Annahme erfolgt sei, sei ein auch wie immer gearteter Vorbehalt erkennbar. Vorliegend könne auch der Klageerhebung ein Vorbehalt nicht entnommen werden, da zur Zeit der Zustellung der Klage der Beklagten die Vertragsannahme längst zugegangen gewesen sei. Die Annahme des Angebots sei auch nicht wegen Irrtums angefochten worden. Zwar könne auch in der Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Anfechtung liegen. Voraussetzung hierfür sei aber, daß der unzweideutige Wille erkennbar sei, die Willenserklärung gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen. Daran fehle es gerade. Im übrigen könne der Kläger sich allenfalls auf einen Rechtsfolgenirrtum berufen. Hätten die Parteien also einen Vertrag zu geänderten Bedingungen geschlossen, sei die angefochtene Kündigung gegenstandslos.

B. Den Ausführungen des Berufungsgerichts war im wesentlichen zu folgen.

I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG gelten für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 a entsprechend. Nach § 548 ZPO unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind. Gerade dies ist bei der Wiedereinsetzung der Fall. Sie ist nach § 238 Abs. 3 ZPO unanfechtbar.

II. Das Landesarbeitsgericht hat im unstreitigen Teil seines Tatbestandes festgestellt, der Kläger habe vorbehaltlos ab 7. Juni 1984 in H die Tätigkeit als Meistergeselle aufgenommen. Die Feststellung ist nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden. Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, der Kläger habe ohne weitere Erklärungen vor, bei oder nach der Arbeitsaufnahme in H die Arbeit aufgenommen und er habe die ihm dort zugewiesene Arbeit ohne Protest ausgeführt. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 561 ZPO).

III.1. Das Berufungsgericht geht mit der herrschenden Meinung in der Literatur (Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 2 Rz 2 a; KR-Rost, 2. Aufl., § 2 KSchG Rz 32; Schaub, RdA 1970, 230, 233; Schwerdtner in 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 555, 558; Becker-Schaffner, BlStSozArbR 1975, 273, 274; a.A. Herschel/-Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 2 Rz 52 und Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, 4. Aufl., Rz 539) davon aus, § 2 KSchG sei auf die außerordentliche Änderungskündigung entsprechend anwendbar.

2. Der Senat hat sich im Urteil vom 17. Mai 1984 (- 2 AZR 161/83 - AP Nr. 3 zu § 55 BAT, zu II 4 der Gründe mit zust. Anm. von Scheuring) dieser Meinung angeschlossen und dazu ausgeführt, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG enthalte keine Verweisung auf die das Änderungsschutzverfahren bei ordentlichen Änderungskündigungen regelnde Vorschrift des § 4 Satz 2 KSchG. In der Norm selbst sei kein besonderes Verfahren für die Klage gegen eine außerordentliche Änderungskündigung vorgesehen. Der Formulierung, die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung könne "nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 geltend gemacht" werden, sei jedoch nicht zu entnehmen, daß eine solche Kündigung nicht nur innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG, sondern auch ohne Rücksicht auf deren Inhalt lediglich mit dem in dieser Norm vorgesehenen Mittel der Kündigungsschutzklage sollte bekämpft werden können. Die Möglichkeit gegen eine Änderungskündigung Änderungsschutzklage zu erheben, sei erst nach Schaffung des KSchG 1951 in der Literatur entwickelt und von der Rechtsprechung (Senatsurteil vom 25. April 1963 - 2 AZR 435/62 - AP Nr. 17 zu § 620 BGB Änderungskündigung, zu 1 der Gründe) gebilligt worden. Nach der gesetzlichen Konzeption des KSchG 1951, das allein die Erhebung einer Kündigungsschutzklage geregelt habe, sei deshalb eine Regelung des Inhalts, daß auch gegen eine außerordentliche Änderungskündigung Änderungsschutzklage erhoben werden könne, ausgeschlossen. Das habe sich mit der Normierung der Änderungskündigung und der Änderungsschutzklage in den §§ 2 und 4 Satz 2 KSchG 1969 geändert. Es wäre deshalb folgerichtig gewesen, die Möglichkeit der Änderungsschutzklage auch auf die von der Rechtsprechung anerkannte außerordentliche Änderungskündigung zu erstrecken. Eine solche Regelung sei ferner sachlich deshalb geboten, weil in zunehmendem Umfang gerade ältere Arbeitnehmer aufgrund tariflicher Regelungen "unkündbar" geworden seien und ihren Arbeitsplatz gefährden müßten, wenn sie gegen eine außerordentliche Änderungskündigung gerichtlich vorgehen wollten, ihnen aber die Möglichkeit der Änderungsschutzklage verwehrt wäre (so zutreffend Schwerdtner, aaO, S. 558). Es spreche deshalb alles dafür, daß der Gesetzgeber die Änderungsschutzklage in diesen Fällen nicht habe ausschließen wollen, sondern nur übersehen habe, auch § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG an die neuen Vorschriften des § 2 und § 4 Satz 2 KSchG 1969 anzupassen, und insoweit lediglich ein Redaktionsversehen vorliege. Deshalb sei eine analoge Anwendung des § 4 Satz 2 KSchG auf die außerordentliche Änderungskündigung zulässig.

An dieser Ansicht hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Auch das Interesse des Arbeitgebers an einer unverzüglichen Klärung der Frage, ob der Arbeitnehmer das Angebot annimmt oder nicht, steht einer analogen Anwendung nicht entgegen.

Nach § 2 Satz 2 KSchG hat der Arbeitnehmer den Vorbehalt nämlich innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erklären. Dies bedeutet, daß dann, wenn die Kündigungsfrist kürzer als drei Wochen ist, der Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist zu erklären ist (Hueck, aaO, § 2 Rz 28; KR-Rost, aaO, § 2 Rz 68; Becker--Schaffner, aaO, 275; Bleistein, BlStSozArbR 1970, 204, 205; Falkenberg, BB 1970, 537, 538; Palme, BlStSozArbR 1976, 257, 258; Richardi, ZfA 1971, 73, 98; Schaub, RdA 1970, 230, 234). Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut. Eine teleologische Reduktion scheidet aus (a.A.: Wenzel, MDR 1969, 968, 976 und Schwerdtner, aaO, S. 561 ff.), weil der Gesetzeswortlaut dem Willen des Gesetzgebers voll entspricht. Nach der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. V/3913, S. 8) muß "im Interesse der Rechtssicherheit der Arbeitnehmer diesen Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist oder, falls diese länger als drei Wochen ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung dem Arbeitgeber erklären." Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung besteht keine Kündigungsfrist, die analoge Anwendung des § 2 KSchG bedeutet daher, daß der Arbeitnehmer unverzüglich die Annahme unter Vorbehalt erklären muß (so auch KR-Rost, aaO, Rz 33 und Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, § 2 Anm. 3), denn die Änderung der Arbeitsbedingungen soll vom Zugang der fristlosen Kündigung an gelten und der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung.

IV. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe durch konkludentes Verhalten das Änderungsangebot angenommen.

1. Der Senat hat zwar im Urteil vom 12. Januar 1961 (BAG 10, 288 = AP Nr. 10 zu § 620 BGB Änderungskündigung) ausgeführt, in der schlichten Fortsetzung der Arbeit vor Ablauf der Klagefrist liege kein Verzicht auf die Kündigungsschutzklage, wenn dem Arbeitnehmer gegenüber eine Änderungskündigung zum Zwecke der Lohnkürzung ausgesprochen worden sei. Die schlichte Weiterarbeit vor Ablauf der Dreiwochenfrist könne regelmäßig nur als V e r s u c h gewertet werden, v o r l ä u f i g das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fortzusetzen, jedoch unter dem vom Arbeitgeber bei Würdigung der Interessenlage des Gekündigten vernünftigerweise erkennbaren Vorbehalt, die Änderungskündigung erweise sich als wirksam.

2. Der Senatsentscheidung kommt für den vorliegenden Fall aber schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sie zu einer ordentlichen und nicht außerordentlichen Kündigung ergangen ist, und auf der Rechtslage vor Einfügung des § 2 KSchG beruht. Schon zur damaligen Rechtslage hat Alfred Hueck in der Anm. zu AP Nr. 10 zu § 620 BGB Änderungskündigung dem Senat nur insoweit zugestimmt, als dieser in der Fortsetzung der Arbeit durch den Arbeitnehmer bis zum A b l a u f der Kündigungsfrist nicht ohne weiteres eine stillschweigende Zustimmung zur Änderung der Arbeitsbedingungen gesehen hat. Schon damals mußte aber nach Hueck etwas anderes gelten, wenn der Arbeitnehmer ohne Widerspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist weiterarbeitete. Denn nach dem Willen des Arbeitgebers soll das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist e n d e n, wenn der Arbeitnehmer mit den geänderten Arbeitsbedingungen nicht einverstanden ist. Es liegt nach Hueck (aaO) für den Arbeitgeber bei vorbehaltloser Fortsetzung der Arbeit durch den Arbeitnehmer die Annahme sehr nahe, daß der Arbeitnehmer sein Angebot akzeptiere.

Durch die Einführung von § 2 Satz 2 KSchG ist nun gesetzlich geregelt, daß der Arbeitnehmer den Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist erklären muß. Ein nach dem Ablauf der Kündigungsfrist ausgesprochener Vorbehalt ist verspätet. Daraus ergibt sich zwar nicht zwingend, daß ein Arbeitnehmer, der zu geänderten Arbeitsbedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterarbeitet, ohne einen Vorbehalt zu erklären, in jedem Falle das Änderungsangebot annehmen will. Es spricht dafür aber eine große Wahrscheinlichkeit (a.A. KR-Rost, aaO, § 2 Rz 62 ff.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in verschiedenen Entscheidungen die Auffassung vertreten, in der widerspruchslosen Weiterarbeit des Arbeitnehmers könne eine Einverständniserklärung zu dem Änderungsangebot gesehen werden: So hat der Erste Senat (Urteil vom 8. Juli 1960 - 1 AZR 72/60 - AP Nr. 2 zu § 305 BGB) und ihm folgend der Dritte Senat (Urteil vom 17. Juli 1965 - 3 AZR 302/64 - AP Nr. 101 zu § 242 BGB Ruhegehalt) ausgeführt, werde vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Vertragsänderung vorgeschlagen, so werde auch beim Fehlen einer Änderungskündigung in der widerspruchslosen Weiterarbeit des Arbeitnehmers dann in der Regel eine Einverständniserklärung zu sehen sein, wenn neue Bedingungen für die eigentliche Arbeitsleistung angeboten wurden. Mangels einer Änderungskündigung sei eine solche Annahmeerklärung in der Weiterarbeit in der Regel allerdings dann nicht zu sehen, wenn es sich um Bedingungen wie z.B. eine vorgeschlagene Änderung einer Ruhegeldordnung handele, die für den Arbeitnehmer nicht unmittelbar und zugleich bei der Arbeit praktisch würden. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 20. Mai 1976 (- 2 AZR 202/75 - AP Nr. 4 zu § 305 BGB) in Fortentwicklung von BAG AP Nr. 101 zu § 242 BGB Ruhegehalt bestätigt, daß ein Arbeitnehmer, der sich zu dem Angebot einer verschlechternden Vertragsänderung nicht äußere, sondern widerspruchslos die Arbeit fortsetze, durch schlüssiges Verhalten jedenfalls dann die Änderung des Arbeitsvertrages annehme, wenn er von der Durchführung der nachteiligen Vertragsgestaltung unmittelbar und sogleich betroffen werde.

V. Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles angenommen, der Kläger habe durch schlüssiges Verhalten das Änderungsangebot der Beklagten vorbehaltlos angenommen. Einen revisionsrechtlich erheblichen Rechtsfehler lassen die Ausführungen nicht erkennen:

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger sei aufgrund der außerordentlichen Änderungskündigung und der Art der angebotenen Änderungen unmittelbar und sogleich von dem nachteiligen Änderungsangebot betroffen gewesen. Die Beklagte hatte dem Kläger angeboten, vom nächsten Tage an in H als Meistergeselle zu arbeiten. Das bedeutete für ihn eine erheblich abhängigere Tätigkeit gegenüber seiner bisherigen Stellung als Leiter einer Reparaturwerkstatt. Außerdem hatte er eine erhebliche Fahrzeit hinzunehmen. Dennoch hat der Kläger die Arbeit am nächsten Tage in H aufgenommen, ohne in irgendeiner Form gegen die Zuweisung der nach seinem Arbeitsvertrag nicht geschuldeten Tätigkeit zu protestieren.

2. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger mit der vorbehaltlosen Aufnahme seiner Arbeit in H das Änderungsangebot der Beklagten angenommen hat, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Annahmeerklärung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist. Notwendiger Bestandteil dieser Willenserklärung ist zunächst ein wahrnehmbarer Erklärungsakt. Dieser kann - wie das Berufungsgericht gesehen hat - auch ein konkludentes Verhalten sein. Das setzt einen konkreten Geschehenszusammenhang voraus, der unter Beachtung der Verkehrssitte einen Erklärungswert für die Handlung ergibt.

Es ist nicht erkennbar, inwiefern ein Rechtsfehler vorliegen soll, wenn das Landesarbeitsgericht in der vorbehaltslosen Arbeitsaufnahme des Klägers ein solches schlüssiges Verhalten gesehen hat, denn dieses Verhalten des Klägers gestattet gemäß §§ 133, 157 BGB keine andere Deutung als die, daß der Kläger mit dem Änderungsangebot einverstanden war. Das Landesarbeitsgericht weist zu Recht daraufhin, daß der Kläger eine Tätigkeit aufgenommen hat, die er vertraglich bisher nicht schuldete, die also ihre rechtsgeschäftliche Grundlage allein dadurch erhält, daß der Kläger das entsprechende Vertragsangebot der Beklagten annimmt. Diese hat den Kläger nicht gegen seinen Willen versetzen wollen. Sie hat gerade das Einverständnis des Klägers verlangt, sollte das Arbeitsverhältnis überhaupt fortbestehen. Das Berufungsgericht hat dann weiter darauf abgestellt, eine bloß faktische Bedeutung könne unter den gegebenen Umständen der Arbeitsaufnahme nicht beigemessen werden, weil kein Anhaltspunkt dafür zu sehen sei, die neue Tätigkeit werde ohne Zusammenhang zum unterbreiteten Änderungsangebot erbracht.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, die subjektiven Tatbestandselemente bezüglich der Vertragsannahme lägen vor. Es trifft zu, daß nach neuerer Erkenntnis nicht mehr darauf abgestellt wird, ob die Erklärung vom Erklärungsbewußtsein getragen wird, ob also der Kläger sich bewußt war, durch seine Arbeitsaufnahme in H ein Rechtsgeschäft mit abweichendem Vertragsinhalt abzuschließen. Entscheidend ist, wie die Erklärung oder das Verhalten von dem Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände verstanden werden mußte (BAG 39, 271, 276; BGHZ 91, 324, 329 f.).

3. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht vorliegend den konkreten Umständen des Einzelfalles entnommen hat, der Kläger habe das Änderungsangebot der Beklagten vorbehaltlos angenommen und hierbei noch einmal darauf verweist, der Kläger habe bei der Arbeitsaufnahme einen Vorbehalt nicht erkennen lassen. Er habe dann bis zur Zustellung der Klage am 20. Juni 1984 weitergearbeitet, ohne auch bis zu diesem Zeitpunkt der Beklagten in irgendeiner Weise mitgeteilt zu haben, daß er mit den geänderten Arbeitsbedingungen nicht einverstanden sei und sich dagegen in irgendeiner Weise zur Wehr zu setzen beabsichtige.

VI. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, die Vertragsannahme sei nicht wegen Irrtums angefochten worden.

1. Vorliegend hat der Kläger innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben. Die Kündigungsschutzklage ist zunächst eine Prozeßhandlung. Sie kann aber mit den Prozeßerklärungen gleichzeitig weitere Erklärungen enthalten, so auch eine Anfechtung wegen Irrtums.

Voraussetzung hierfür ist aber, daß der unzweideutige Wille erkennbar wird, das Rechtsgeschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen (BGH, aaO).

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht der vorliegenden Klage eine Anfechtung nicht hat entnehmen können. In der Klagebegründung wird mit keinem Wort darauf eingegangen, daß der Kläger seine Arbeit in H aufgenommen hatte. Erst als die Beklagte in der Klageerwiderung darauf hinwies, der Kläger habe die Situation wohl ähnlich gesehen wie sie und deshalb die ihm angebotene Stelle in H sofort nach Ausspruch der Änderungskündigung angetreten, ohne einen Vorbehalt nach § 2 KSchG zu erklären, hat der Kläger in einem weiteren Schriftsatz ausführen lassen, eine Annahme des Änderungsangebots sei gar nicht in Frage gekommen, auch nicht unter Vorbehalt.

2. Mit der Annahme des Änderungsangebots ist die Kündigung gegenstandslos geworden. Daher war die Revision bezüglich des Feststellungsantrages zurückzuweisen.

Hat der Kläger das Änderungsangebot der Beklagten angenommen und ist deshalb ein Arbeitsvertrag zu geänderten Arbeitsbedingungen zustande gekommen, kann er aus diesem Grunde auch nicht die Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen verlangen. Dementsprechend war die Revision auch insoweit zurückzuweisen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Triebfürst Dr. Weller Ascheid

Brocksiepe Schulze

 

Fundstellen

Haufe-Index 438061

DB 1986, 2604-2605 (LT1-3)

NZA 1987, 94-95 (LT1-3)

RdA 1986, 405

RzK, I 7c Nr 3 (LT1-3)

AP § 2 KSchG 1969 (LT1-3), Nr 16

AR-Blattei, ES 1020.1.1 Nr 7 (LT1-3)

AR-Blattei, Kündigungsschutz IA Entsch 7 (LT1-3)

EzA § 2 KSchG, Nr 7 (LT1-3)

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