Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgeld. Bezugnahmeklausel. Formulararbeitsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Verweist ein Arbeitsvertrag für den Urlaub auf die Geltung tariflicher Regelungen, ist das regelmäßig als Bezugnahme auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex “Urlaub” zu verstehen. Dazu gehört auch ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld.

Auf eine solche Bezugnahmeklausel ist die Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB nicht anzuwenden. Die Regelung ist hinreichend klar. Auf die Unklarheitenregel darf nur zurückgegriffen werden, wenn trotz Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben.

 

Orientierungssatz

  • Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Geltung tariflicher Regelungen für den Urlaub des Arbeitnehmers ist regelmäßig als Bezugnahme auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex “Urlaub” zu verstehen. Ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld wird von der Bezugnahme erfasst. Das gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag die Regelungen von Urlaubsdauer, Urlaubsentgelt und zusätzlichem Urlaubsgeld auf mehrere Tarifvorschriften verteilt.
  • Eine zeitdynamische Verweisung auf die Geltung eines Tarifvertrages setzt nicht voraus, dass im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die jeweilige Fassung des Tarifvertrages verwiesen wird. Es ist regelmäßig auch dann von einer zeitdynamischen Bezugnahme auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien allgemein auf die Geltung eines Tarifvertrages und nicht nur auf eine bestimmte Fassung verweisen, die nach dem Datum des Abschlusses oder des In-Kraft-Tretens konkretisiert ist. Dann kann regelmäßig angenommen werden, der Tarifvertrag solle in der jeweiligen Fassung gelten.
  • Auf die Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB darf nur zurückgegriffen werden, wenn trotz Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben.
 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 1, 5, § 5 Abs. 4, § 3 Abs. 1; BGB § 310 Abs. 4, § 305c Abs. 2, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1; EGBGB Art. 229 § 5; AGBG § 23 Abs. 1, § 5

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.01.2005; Aktenzeichen 14 Sa 81/04)

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 09.03.2004; Aktenzeichen 2 Ca 74/04)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 7. Januar 2005 – 14 Sa 81/04 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf höheres Urlaubsgeld für die Jahre 2001, 2002 und 2003 in Höhe von unstreitig 278,97 Euro.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen der Möbelbranche. Der Kläger ist bei ihr seit dem 15. April 1992 beschäftigt. In dem hier maßgeblichen Zeitraum war die Beklagte nicht Mitglied des Einzelhandelsverbandes.

Die Parteien schlossen zuletzt am 18. März 1997 einen von der Beklagten vorformulierten und betriebseinheitlich verwendeten schriftlichen Arbeitsvertrag. Dort heißt es in § 4:

“Der Urlaub richtet sich nach den einschlägigen tariflichen Regelungen.”

Der Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 13. Januar 1994 (MTV 1994) in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Oktober 1996 enthält in § 15 “Allgemeine Urlaubsregelungen”, regelt in § 16 die “Urlaubsdauer”, in § 17 das “Urlaubsentgelt” und in § 18 den “Elternurlaub”.

§ 19 lautet:

“Tarifliche Sonderzahlungen

Arbeitnehmer/-innen, einschließlich Auszubildende haben Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzt.

A. Zusätzliches Urlaubsgeld

1. Das Urlaubsgeld beträgt:

a) für Erwachsene 50 %, ab 1.1.1996 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitige Tarifschema,

b) für Jugendliche im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes jeweils die Hälfte des Urlaubsgeldes für Erwachsene,

c) für Auszubildende und diesen Gleichzustellende über 18 Jahre jeweils 2/3 des Urlaubsgeldes für Erwachsene.

B. Tarifliche Sonderzuwendung”

Seit dem 1. Januar 1996 erhielten die Arbeitnehmer der Beklagten ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung.

Mit Wirkung vom 1. November 1996 wurde der Änderungstarifvertrag vom 11. Oktober 1996 zum MTV 1994 für allgemeinverbindlich erklärt.

Am 26. November 1997 wurde zwischen den Tarifvertragsparteien ein weiterer Tarifvertrag zur Änderung des MTV 1994 (ÄndTV 1997) abgeschlossen. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

“§ 1

Der Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 13. Januar 1994 in der Fassung vom 11. Oktober 1996 (Manteltarifvertrag) kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, erstmals zum 31. Januar 2000, gekündigt werden.

Damit ist § 28 Ziffer 2 Manteltarifvertrag aufgehoben.

§ 2

Das Urlaubsgeld für Erwachsene (§ 19 A, Ziffer 1 a) Manteltarifvertrag) beträgt ab 1. Januar 2000 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches für das letzte tariflich vereinbarte Berufsjahr eines Verkäufers/einer Verkäuferin mit abgeschlossener Berufsausbildung, bezogen auf das derzeitige Tarifschema.”

Der ÄndTV 1997 wurde nicht für allgemeinverbindlich erklärt.

Der Manteltarifvertrag wurde zum 31. Januar 2000 gekündigt. Durch Tarifvereinbarung vom 4. April/6. Juni 2000 wurde der Manteltarifvertrag in der Fassung des ÄndTV 1997 wieder in Kraft gesetzt. Ab dem Jahr 2001 zahlte die Beklagte nur noch Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des maßgeblichen tariflichen Monatsentgelts. Der Kläger machte die Differenzbeträge in Höhe von jeweils 5 % für die Jahre 2001 bis 2003 in Höhe von insgesamt 278,97 Euro mit Schreiben vom 16. Juli 2001, mit undatiertem Schreiben im Jahr 2002 und mit Schreiben vom 9. Juli 2003 geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch auf ein Urlaubsgeld in Höhe von 55 % ergebe sich aus dem nachwirkenden MTV 1994 idF des Änderungstarifvertrages vom 11. Oktober 1996 (im Folgenden: MTV 1996).

Er hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an ihn 278,97 Euro zu zahlen zzgl. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, für den streitgegenständlichen Zeitraum sei der MTV 1994 in der Fassung des Änderungstarifvertrages 1997 anzuwenden. Deshalb habe der Kläger nur Anspruch auf ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % der Bezugsgröße.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Für die Jahre 2001, 2002 und 2003 hatte der Kläger nur Ansprüche auf Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 50 % des maßgeblichen Monatsentgelts. Diese Ansprüche sind durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB).

Als Anspruchsgrundlage für das verlangte höhere zusätzliche Urlaubsgeld kommt allein § 19 Abschnitt A Ziff. 1 Buchst. a MTV 1996 in Betracht. Danach war das zusätzliche Urlaubsgeld mit 55 % der maßgeblichen Bezugsgröße zu bemessen. Diese mit Wirkung vom 1. November 1996 für allgemeinverbindlich erklärte tarifliche Regelung war entgegen der Revision in den Jahren 2001, 2002 und 2003 nicht mehr anwendbar. Nach der vertraglichen Vereinbarung vom 18. März 1997 war für die Zeit nach Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages eine Nachwirkung ausgeschlossen.

I. Ein Anspruch auf Grund der älteren tariflichen 55 %-Regelung war nicht schon deshalb auszuschließen, weil § 2 des Manteltarifvertrages in der Fassung des ÄndTV 1997 das zusätzliche Urlaubsgeld ab dem 1. Januar 2000 von 55 % auf 50 % herabgesetzt hat und diese Regelung nach § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis der nicht beiderseits tarifgebundenen Parteien anzuwenden war. Dieser von der Beklagten vorgebrachte Einwand greift nicht durch, weil der ÄndTV 1997 nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist und die Allgemeinverbindlicherklärung des MTV 1996 sich nicht auf den ÄndTV 1997 erstreckt.

Die Tarifvertragsparteien können zwar die Tarifvertragsnormen in sachlicher Hinsicht jederzeit ändern, da sie die Regelungsbefugnis behalten (Wank in Wiedemann Tarifvertragsgesetz 6. Aufl. § 5 Rn. 117; Däubler/Lakies TVG § 5 Rn. 195; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 1278). Die abgeänderten Bestimmungen nehmen aber nicht an der Allgemeinverbindlichkeit teil. Das ergibt sich daraus, dass die Tarifvertragsparteien selbst nicht die Allgemeinverbindlichkeit ihrer Rechtsnormen vereinbaren können, sondern dafür die Rechtsetzung durch das zuständige Ministerium unentbehrlich ist (Wank in Wiedemann § 5 Rn. 118; Däubler/Lakies aaO; Kempen/Zachert/Kempen Tarifvertragsgesetz 4. Aufl. § 5 Rn. 44). Das Ministerium erklärt nach § 5 TVG nur einen bestimmten Tarifvertrag in bestimmter Fassung für allgemeinverbindlich. Die Erklärung bezieht sich nicht auf künftige, noch gar nicht bekannte Änderungen des Tarifvertrages.

II. Die Allgemeinverbindlichkeit des Änderungstarifvertrages vom 11. Oktober 1996 zum MTV 1994 endete mit Ablauf des Januars 2000.

Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages gelten für die Nichttarifgebundenen nicht mehr auf Grund der Allgemeinverbindlicherklärung, sobald sie tariflich nicht mehr in Kraft sind. Die tarifliche Geltung ist notwendige Voraussetzung für die Allgemeinverbindlichkeit (vgl. Wank in Wiedemann § 5 Rn. 119; Däubler/Lakies § 5 Rn. 196; Kempen/Zachert/Kempen aaO). Die Allgemeinverbindlicherklärung verliert mit Ablauf des Tarifvertrages oder der Ablösung durch einen Nachfolgetarifvertrag oder mit seiner Änderung ihre Wirksamkeit (ErfK/Schaub/Franzen 6. Aufl. § 5 TVG Rn. 12). So war es hier. Der MTV in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Oktober 1996 war mit Wirkung zum 31. Januar 2000 gekündigt worden. Seine Allgemeinverbindlichkeit endete somit mit Ablauf des Januars 2000.

III. Die Urlaubsgeldregelung nach § 19 Abschnitt A Ziff. 1 Buchst. a MTV 1994 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 11. Oktober 1996 (MTV 1996) wirkt auch nicht nach. Die in § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 enthaltene Bezugnahmeklausel ist eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG. Diese andere Abmachung hat die Urlaubsgeldregelung des MTV 1996 abgelöst. Das schließt eine Nachwirkung des MTV 1996 aus.

1. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages wirken nach § 4 Abs. 5 TVG solange nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dabei besteht kein Unterschied, ob der Tarifvertrag zuvor auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder wie hier auf Grund einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 4 TVG gegolten hat (vgl. BAG 18. Juni 1980 – 4 AZR 463/78 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 68). Die gesetzlich angeordnete Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG knüpft allein an den Ablauf des Tarifvertrages an und enthält keine Einschränkung auf Arbeitsverhältnisse kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit tarifgebundener Parteien (vgl. BAG 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – BAGE 69, 119).

2. Die Parteien haben allerdings eine die Nachwirkung ausschließende andere Vereinbarung getroffen. Sie haben in § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 eine konstitutive zeitdynamische Bezugnahmeklausel vereinbart, die auch die Urlaubsgeldregelung des ÄndTV 1997 umfasst. Das hat zur Ablösung der Regelungen des zusätzlichen Urlaubsgeldes nach dem MTV 1996 geführt.

a) Eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Abrede getroffen werden (BAG 28. Mai 1997 – 4 AZR 546/95 – BAGE 86, 43). Die Nachwirkung wird allerdings nur durch eine Abmachung, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, beendet. Das folgt aus der Überbrückungsfunktion der Nachwirkung. Demgemäß wird die Nachwirkung der Tarifnormen für Außenseiter nicht bereits durch das In-Kraft-Treten eines nicht oder noch nicht für allgemeinverbindlich erklärten neuen Tarifvertrages beendet (vgl. BAG 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – BAGE 69, 119; 25. Oktober 2000 – 4 AZR 212/00 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 38 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 32). Das Günstigkeitsprinzip findet im Nachwirkungszeitraum keine Anwendung (vgl. BAG 23. Februar 2005 – 4 AZR 186/04 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2).

b) Die Bezugnahmeklausel in § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 iVm. § 2 des ÄndTV 1997 wirkt für das Urlaubsgeld als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG.

aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Bezugnahmeklausel bereits vor Ablauf des Tarifvertrages vereinbart wurde. Eine andere Abmachung kann wirksam schon vor dem Beginn der Nachwirkung geschlossen werden. § 4 Abs. 5 TVG schließt die Möglichkeit einer die Nachwirkung ablösenden auf den Ablösungszeitraum gerichteten Abmachung vor Ablauf des Tarifvertrages nicht aus. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf des Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter “bis” sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Daraus könnte man schließen, dass die Nachwirkung zeitlich vor der anderen Abmachung eingetreten sein muss. Es ist allerdings kein rechtlich tragfähiger Grund dafür erkennbar, dass eine die Nachwirkung beendende arbeitsvertragliche Vereinbarung erst nach Eintritt der Nachwirkung getroffen werden kann. Von der Privatautonomie umfasst sind grundsätzlich auch Verträge, die erst in der Zukunft Wirkung entfalten sollen. Das muss auch für eine Vereinbarung gelten, die auf die Ablösung einer Nachwirkung des Tarifvertrages gerichtet ist. Maßgeblich ist insoweit, dass die Vereinbarung nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien – zumindest: auch – die Nachwirkung des beendeten Tarifvertrages beseitigen soll. Ist dies der Fall, wirkt sie als “andere Abmachung”, sobald die zwingende Wirkung des Tarifvertrages endet (vgl. BAG 23. Februar 2005 – 4 AZR 186/04 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2).

bb) Die Parteien haben arbeitsvertraglich eine solche, die Nachwirkung beendende andere Vereinbarung geschlossen. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend zu der Auslegung gelangt, § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 sei eine konstitutive, zeitdynamische Bezugnahmeklausel auf alle im Bereich des Einzelhandels in Baden-Württemberg geltenden tariflichen Regelungen über Urlaub und Urlaubsgeld.

(1) Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist vom Senat uneingeschränkt überprüfbar. Es handelt sich bei dem Arbeitsvertrag vom 18. März 1997 um einen betriebseinheitlich verwendeten Formularvertrag und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BAG 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1; 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77 – BAGE 32, 6; Senat 10. Mai 2005 – 9 AZR 294/04 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 210 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr.15). Die Revision hat die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbständig nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen vorzunehmen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BGH 21. September 2005 – VIII ZR 284/04 – DB 2005, 2575).

(2) Nach § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 richtet sich der Urlaub “nach den einschlägigen tariflichen Regelungen”. Dies sind zunächst in sachlicher Hinsicht die Regelungen, die bei kongruenter Tarifgebundenheit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG zwingend und unmittelbar gelten würden, weil die Parteien von dem Geltungsbereich des Tarifvertrages in räumlicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht erfasst werden (vgl. dazu BAG 13. November 2002 – 4 AZR 393/01 – BAGE 103, 364). Das sind hier die im Bereich des Einzelhandels Baden-Württemberg geltenden tariflichen Urlaubsregeln. Gegen die Bezugnahme nur auf einen Teil eines Tarifvertrages bestehen keine Bedenken. Die Parteien eines Arbeitsvertrages können sich nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§§ 241, 305 BGB aF, jetzt: § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB) auf die Übernahme einzelner Tarifvorschriften oder auch einzelner Regelungsbereiche beschränken (Senat 17. November 1998 – 9 AZR 584/97 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 11).

(3) Entgegen der Revision handelt es sich nicht um eine statische Verweisungsklausel. Die Vorschrift enthält zwar keine ausdrückliche sog. Jeweiligkeitsklausel. Sie nimmt aber auch nicht nur auf eine bestimmte Fassung des Tarifvertrages Bezug. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei fehlender Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrages jedoch regelmäßig anzunehmen, der Tarifvertrag solle in der jeweiligen Fassung gelten (vgl. BAG 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330; Senat 27. Februar 2002 – 9 AZR 562/00 – BAGE 100, 339; vgl. auch BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Verweisung im Arbeitsvertrag verschafft deshalb einer dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag zeitlich nachfolgenden Regelung Geltung. In diesem Fall kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag entgegenstehende individualvertragliche Vereinbarung wieder auflebt und dadurch die Rückkehr auf ein früheres Niveau bewirkt würde (vgl. dazu BAG 28. Mai 1997 – 4 AZR 546/95 – BAGE 86, 43).

(4) Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 der MTV 1996 bereits kraft Allgemeinverbindlichkeit gemäß § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand. Enthält ein Arbeitsvertrag eine Verweisung auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge und sind beide Arbeitsvertragsparteien zugleich unmittelbar tarifunterworfen, so gelten die tariflichen Bedingungen im Arbeitsverhältnis im Umfang der Inbezugnahme auf doppelter Grundlage (vgl. BAG 15. März 1991 – 2 AZR 582/90 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 28 = EzA KSchG § 2 Nr. 16; 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 29 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 18, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Annuß ZfA 2005, 405, 430, 445; Löwisch/Rieble Tarifvertragsgesetz 2. Aufl. § 3 Rn. 280). Was von beiden Vertragsteilen zum Gegenstand ihrer korrespondierenden unbedingten rechtsgeschäftlichen Erklärungen gemacht worden ist, kann nicht deshalb unwirksam werden, weil die gleiche Rechtsfolge (zufällig) auch durch eine unmittelbar zu beachtende Normenordnung statuiert wird (Annuß aaO).

cc) Die Bezugnahme auf die tariflichen Urlaubsregelungen in § 4 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1997 umfasst auch das zusätzliche Urlaubsgeld nach § 19 MTV 1996.

(1) Der Arbeitnehmer muss das Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Formulararbeitsvertrages mit einer Klausel, bei der sich der Urlaub nach den Bestimmungen eines Tarifvertrages richtet, regelmäßig als Verweisung auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex “Urlaub” verstehen. Zu diesem Komplex gehört auch ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld (Senat 17. November 1998 – 9 AZR 584/97 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 11).

(2) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die den Urlaub betreffenden Regelungen im MTV 1994 und seiner ÄndTV nicht in einer Vorschrift geregelt sind. “Allgemeine Urlaubsregelungen” sind in § 15 aufgeführt, die “Urlaubsdauer” in § 16, das “Urlaubsentgelt” in § 17, “Elternurlaub” in § 18 und “Tarifliche Sonderzahlungen” einschließlich des “zusätzlichen Urlaubsgeldes” in § 19. Entgegen der Revision lässt sich hieraus nicht entnehmen, der arbeitsvertragliche Begriff “der Urlaub” meine lediglich die Freistellung von der Arbeit und beziehe sich nur auf die Urlaubsdauer gemäß § 16 MTV. Bereits nach dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel soll sich nicht nur “die Dauer des Urlaubs”, sondern “der Urlaub” nach den tariflichen Regelungen richten. Damit ist der gesamte Urlaubskomplex in Bezug genommen. Anknüpfungspunkt der Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes ist die Gewährung von Urlaub. Trotz der formalen tarifvertraglichen Zuordnung der Leistung zu den Sonderzahlungen handelt es sich deshalb materiell um eine Urlaubsregelung.

dd) Entgegen der Auffassung der Revision steht dieser Auslegung der Bezugnahmeklausel nicht die Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB entgegen. Denn die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung ist klar.

(1) Für die Anwendung der Unklarheitenregelung muss nicht zwischen den Ansprüchen aus den Jahren 2001, 2002 und dem Jahr 2003 unterschieden werden. Bei Zweifeln über den Inhalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen war bereits vor dem 1. Januar 2003 die für den Arbeitnehmer günstigste Lösung zu wählen. Zwar sind die §§ 305 ff. BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 auf Dauerschuldverhältnisse aus Altverträgen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2003 anwendbar, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Die Vorschrift des § 305c BGB iVm. § 310 Abs. 4 BGB greift daher nicht hinsichtlich der für die Jahre 2001 und 2002 geltend gemachten Differenzbeträge ein. Schon vor der Aufhebung der Bereichsausnahme des AGBG für das Arbeitsrecht nach § 23 Abs. 1 AGBG, ist jedoch der Grundgedanke der Unklarheitenregel des § 5 AGBG von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen der Kontrolle formularmäßiger Arbeitsvertragsbedingungen anerkannt gewesen (Stoffels NJW-Schriften Bd. 11 Rn. 369; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 34; vgl. BAG 18. August 1998 – 1 AZR 589/97 – NZA 1999, 659). Sie gilt gerade auch für den Fall, dass die Tragweite einer Verweisung auf Tarifnormen zweifelhaft ist (BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

(2) Auf die Unklarheitenregel kann jedoch nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Däubler/Dorndorf AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht § 305c Rn. 28; zur Unklarheitenregelung des § 5 AGBG: Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Gesetz 9. Aufl. § 5 Rn. 25). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist regelmäßig eine zeitdynamische Bezugnahme auf den Tarifvertrag anzunehmen, wenn die Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrages fehlt (vgl. A III 2b bb (3) der Entscheidungsgründe). Die Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen zum Komplex Urlaub umfasst regelmäßig auch das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld (Senat 17. November 1998 – 9 AZR 584/97 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 11).

B. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Revisionsverfahrens gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Krasshöfer, Benrath, Neumann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1542752

BAGE 2007, 366

BB 2006, 2532

BB 2007, 2293

NWB 2006, 2746

EBE/BAG 2006, 117

FA 2006, 286

FA 2006, 302

NZA 2006, 923

ZTR 2006, 545

AP, 0

EzA-SD 2006, 7

EzA

AUR 2006, 330

RdW 2006, 631

SPA 2006, 2

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