Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen eigenmächtiger Urlaubsnahme – Darlegungslast für Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG im Detail schlüssig dargelegt, so muß der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast deutlich machen, welche der Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will. Soweit es um Tatsachen außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung geht, kann der Arbeitnehmer sich dabei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO auf Nichtwissen berufen; ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers ohne jede Begründung genügt dagegen nicht.

 

Normenkette

BGB § 626; BetrVG § 102; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.03.1998; Aktenzeichen 10 Sa 1157/97)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.03.1997; Aktenzeichen 17 Ca 5720/96)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. März 1998 – 10 Sa 1157/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die 1961 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit 15. Juli 1986 in deren Reservierungsabteilung beschäftigt. Ihre Monatsvergütung belief sich zuletzt auf brutto DM 3.600,00.

Die Klägerin, die am 10. Februar 1992 entbunden hatte, befand sich bis zum 9. Oktober 1995 in Erziehungsurlaub. Mit Fax vom 10. Oktober 1995 aus Indien legte die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 27. Oktober 1995 vor. Mit Fax vom 27. Oktober 1995 erreichte die Beklagte eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 17. November 1995. Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 20. November 1995 bis 8. Dezember 1995 attestierte der Arzt Dr. F. mit drei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und für die Zeit vom 10. bis 29. Dezember 1995 sowie 2. Januar bis 13. Januar 1996 der Arzt Dr. B. mit weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Für die Zeit danach legte die Klägerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes Dr. K. vor.

Mit Schreiben vom 10. Januar 1996 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 1996 gekündigt, dann allerdings nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage und erfolglos durchgeführtem Gütetermin vom 26. April 1996 mit weiterem Schreiben vom 29. April 1996 die Rücknahme dieser Kündigung erklärt. Mit Anwaltsschreiben vom 30. April 1996 ließ die Klägerin daraufhin erklären:

„Meine Mandantin hat mir Ihr Schreiben vom 29.04.1996 vorgelegt, so daß ich erfreut feststellen kann, daß Ihrerseits eingesehen worden ist, daß die Kündigung unberechtigt war.

Wie meine Mandantin Ihnen bereits mitgeteilt hat, ist sie zur Zeit noch arbeitsunfähig, es ist aber davon auszugehen, daß sie alsbald wieder arbeitsfähig wird.

Nun werden Sie Verständnis dafür haben, daß meine Mandantin aufgrund der bisherigen Prozeßführung nicht davon ausgehen konnte, daß die Kündigung zurückgenommen wird, so daß sie einschneidende private Dispositionen getroffen hat, die sie veranlassen, nunmehr ihren Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen.

Namens und im Auftrag meiner Mandantin darf ich Sie deshalb bitten, meiner Mandantin ab dem 05.05.1996 den gesamten Jahresurlaub zu gewähren. Dagegen dürfte aus betrieblicher Sicht nichts sprechen, da Sie nicht damit rechnen konnten, daß meine Mandantin ihren Dienst wieder aufnimmt. Andererseits ist meine Mandantin aus persönlichen Gründen dringend auf den gesamten Jahresurlaub angewiesen.”

Mit Antwortschreiben vom 3. Mai 1996 weigerte sich die Beklagte, der Klägerin ab 5. Mai 1996 den gesamten Jahresurlaub zu gewähren und wies zur Begründung darauf hin, daß im Mai/Juni Hochsaison herrsche und niemandem in der Vergangenheit hier mehr als zwei Wochen Urlaub gewährt worden sei. Entsprechend werde auch 1996 verfahren. Im übrigen könne nur arbeitsfähigen Arbeitnehmern Urlaub gewährt werden, die Klägerin jedoch sei noch arbeitsunfähig erkrankt. Abschließend wurde die Klägerin zur Arbeitsaufnahme aufgefordert, sofern sie gesundgeschrieben werde.

Die Klägerin erschien auch in der Folgezeit nicht zur Arbeit bei der Beklagten.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1996 antwortete der Bevollmächtigte der Klägerin ua.:

„Zum einen gehe ich davon aus, daß meine Mandantin alsbald wieder arbeitsfähig ist, so daß sie dann ihren Urlaub antreten kann. Die Besonderheit der Situation liegt so, daß meine Mandantin berechtigt ist, nunmehr selbst den Urlaub anzutreten.

Nach alledem darf ich Sie bitten, zu veranlassen, daß meiner Mandantin das Urlaubsentgelt gem. § 11 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz vor Antritt des Urlaubs ausgezahlt wird.

Sollte das nicht innerhalb der nächsten Woche geschehen, wird meine Mandantin Zahlungsklage erheben.”

Mit weiterem Schreiben vom 31. Mai 1996 forderte der Bevollmächtigte der Klägerin Zahlung der Vergütung für Mai 1996.

Die Beklagte nahm zur Vergütungsforderung im Schreiben vom 3. Juni 1996 wie folgt Stellung:

„… bezugnehmend auf Ihr vorgenanntes Schreiben teile ich Ihnen mit, daß sich ein fehlender Auszahlungsbetrag für den Monat Mai wahrscheinlich aus dem Umstand ergibt, daß Ihre Mandantin weiterhin krankgeschrieben ist und der Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen sein Ende gefunden hat. Warum Ihrer Mandantin Urlaubsvergütung zustehen soll, ist nicht nachvollziehbar. Ihre Mandantin ist weiterhin arbeitsunfähig geschrieben.”

Mit einem der Beklagten am 26. Juni 1996 zugestellten Schriftsatz vom 13. Juni 1996 erhob die Klägerin Zahlungsklage beim Arbeitsgericht betreffend Vergütung Mai und Juni 1996 in Höhe von je DM 3.600,00 brutto und führte in der Klagebegründung ua. aus:

„Die Klägerin weist bereits jetzt darauf hin, daß sie naturgemäß nicht in der Lage ist, nach Ende des Urlaubs ihre Arbeitskraft tatsächlich zu erbringen, solange sich die Beklagte mit erheblichen Gehaltszahlungen bzw. Zahlungen von Urlaubsvergütungen in Rückstand befindet. Die Klägerin macht deshalb diesbezüglich ein Leistungsverweigerungsrecht geltend.”

Nachdem der Beklagten ein Schreiben der Kaufmännischen Krankenkasse vom 2. Juli 1996 zugegangen war, in welchem bescheinigt wurde, daß bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit vom 10. Oktober 1995 bis 2. Mai 1996 bestanden habe, sprach die Beklagte mit einem per Boten zugestellten Schreiben vom 8. Juli 1996 die außerordentliche Kündigung zum 8. Juli 1996 und hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. Oktober 1996 aus.

Die Klägerin hat die Kündigungen mit einer am 16. Juli 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage angegriffen und die Auffassung vertreten, sie sei zur Arbeitsaufnahme trotz Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ab 3. Mai 1996 nicht verpflichtet gewesen. Sie hat vorgetragen, die Kündigungsrücknahme der Beklagen vom 29. April 1996 habe sie völlig überrascht und es sei ihr nicht möglich gewesen, bereits getroffene Dispositionen so kurzfristig aufzuheben. Ihr Urlaubsantrag sei daher sachgerecht gewesen, während andererseits die Beklagte ohne anzuerkennende betriebliche Belange die Urlaubsgewährung verweigert habe. Insbesondere sei es nicht vorstellbar, daß ihre, der Klägerin, Dienste auch nur mittelfristig bereits eingeplant gewesen seien. Die Kündigungsrücknahme sei als reine Schikane zu bewerten und die rechtswidrige Verweigerung des Urlaubs habe sie dazu berechtigt, selbst Urlaub zu nehmen, jedenfalls aber sei es der Beklagten aufgrund der Umstände des Falles verwehrt, das Arbeitsverhältnis aus dem angegebenen Grund durch Kündigung zu beenden. Im übrigen müsse bedacht werden, daß die Beklagte den Betriebsrat nicht vor der Entscheidung über den Urlaubsantrag eingeschaltet habe, ihre Weigerung also rechtlich unbeachtlich sei.

Die Klägerin hat schließlich bestritten, daß der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden ist.

Sie hat, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, beantragt

  • festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben der Beklagten vom 8. Juli 1996 ausgesprochene Kündigung weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist;
  • die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin auch über den 31. Oktober 1996 hinaus tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen unentschuldigten Fehlens ab 3. Mai 1996 und eigenmächtiger Urlaubsnahme zu Recht ausgesprochen worden. Die Klägerin habe bereits kurz vor Ende des Erziehungsurlaubs im August/September 1995 um den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung mit dem Ziel der Vermeidung einer Sperrfrist gebeten und dies damit begründet, sie könne aufgrund der persönlichen Verhältnisse und insbesondere der erforderlichen Betreuung ihres Kindes nicht mehr weiterarbeiten. Dies habe sie, die Beklagte, als Aufforderung zur Beteiligung an einer strafbaren Handlung gewertet und abgelehnt. Deshalb habe die Klägerin sich dann ab Oktober 1995 ununterbrochen krankschreiben lassen. In diesem Zusammenhang stehe auch das Verhalten der Klägerin in der Folgezeit. Die Klägerin habe insbesondere von der Rücknahme der ersten Kündigung nicht überrascht gewesen sein können, da sie selbst diese im Gütetermin angeregt habe und von der Beklagten damals ausdrücklich erwogen worden sei, der Klägerin eine vorläufige weitere Beschäftigung für die Dauer des Prozesses anzubieten. Die angeblich getroffenen Dispositionen seien nur vorgeschoben, zumal der Klägervertreter im Kammertermin am 12. März 1997 selbst erklärt habe, bei dem Urlaubsantrag der Klägerin handele es sich um eine taktische Maßnahme. In Wahrheit sei versucht worden, die Beklagte auszunutzen. Die Klägerin habe die Beklagte nach deren Schreiben vom 3. Juni 1996 bewußt im Glauben gelassen, daß die Arbeitsunfähigkeit fortbestehe, habe ferner gewußt, daß sie nicht eigenmächtig Urlaub antreten dürfe und habe schließlich die Kündigung geradezu provoziert. Im übrigen habe mangels Wiedergenesung im damaligen Zeitpunkt ohnehin nie ein ordnungsgemäßer Urlaubsantrag vorgelegen.

Schließlich hat die Beklagte vorgetragen, der Betriebsrat sei vor Kündigungsausspruch am 2. Juli 1996 mündlich und schriftlich über alle im Prozeß vorgetragenen Tatsachen unter gleichzeitiger Vorlage der gewechselten Korrespondenz unterrichtet worden. Er habe mit Schreiben vom 5. Juli 1996 sich für angehört erklärt und am gleichen Tag habe die Betriebsratsvorsitzende Frau F. gegenüber Herrn G. und Frau W. klargestellt, daß dies eine abschließende Stellungnahme sei und keine weitere Äußerung des Betriebsrats erfolgen werde. Erst danach sei gekündigt worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.

Mit ihrer durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 1998 – 5 AZN 628/98 – zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht schon die fristlose Kündigung vom 8. Juli 1996 für wirksam erachtet (§ 626 BGB).

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das unentschuldigte Fehlen der Klägerin ab 3. Mai 1996, ihre Selbstbeurlaubung und ihr Fernbleiben von der Arbeit auch nach dem 19. Juni 1996, wofür sie bis zur Zustellung der Zahlungsklage am 26. Juni 1996 kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und für das ein solches auch nie bestanden habe, sei ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, der der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht habe. Etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich des Urlaubs seien durch die Eigenmacht der Klägerin von vornherein vereitelt worden. Der Arbeitsaufnahme entgegenstehende Dispositionen habe die Klägerin zudem nur pauschal behauptet, inhaltlich habe sie dazu jedoch nichts Verwertbares vorgetragen. Die Klägerin habe die Kündigung bewußt provoziert, weshalb auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Daß der Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung ordnungsgemäß angehört worden sei, habe die Beklagte schlüssig dargelegt, die Klägerin jedoch nicht substantiiert bestritten; ein bloßes Bestreiten der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen sei unzulässig, wenn sich der Arbeitnehmer nicht beim Betriebsrat erfolglos erkundigt habe.

II. Dem tritt der Senat im Ergebnis bei.

1. Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB liegen vor.

a) Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Senatsrechtsprechung, zB 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – AP BGB § 626 Nr. 143 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 2 und 12. August 1999 – 2 AZR 748/98 – AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10 jeweils mwN). Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.

b) Unentschuldigtes Fehlen und eine eigenmächtige Urlaubsnahme einer Arbeitnehmerin sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB zu begründen. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Klägerin habe die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit verschwiegen und sei schon ab 3. Mai 1996 der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben, sie habe sich sodann am 5. Mai 1996 eigenmächtig selbst beurlaubt und habe selbst nach Ablauf der Zeit, die ihrem gesamten Jahresurlaub entsprach, ohne Entschuldigung ihre Arbeit nicht wieder aufgenommen; das von ihr später geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht habe nicht bestanden, eine abweichende Rechtsauffassung dazu sei schlichtweg nicht vertretbar. Auch daß das Landesarbeitsgericht hieraus den Schluß zog, die Klägerin habe von Anfang an das Ziel verfolgt, die Arbeit nicht wieder anzutreten, und so die Kündigung bewußt provoziert, der Beklagten sei unter diesen Umständen eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht zumutbar, ohne daß es zuvor einer vergeblichen Abmahnung der Klägerin bedurft hätte, hält den Angriffen der Revision stand.

aa) Soweit die Revision darauf hinweist, die bloße Rücknahmeerklärung der Beklagten bezüglich der Kündigung vom 10. Januar 1996 habe die Arbeitspflicht der Klägerin nicht automatisch wieder aufleben lassen, ist dies zwar zutreffend. Als einseitiges Rechtsgeschäft kann nämlich eine Kündigung nach Zugang nicht einseitig zurückgenommen werden, und in einer Kündigungsschutzklage liegt keine antizipierte Annahme des Rücknahmeangebots(BAG 19. August 1982 – 2 AZR 230/80 – BAGE 40, 56 mwN; vgl. auch BAG 17. April 1986 – 2 AZR 308/85 – AP BGB § 615 Nr. 40 = EzA BGB § 615 Nr. 47). Die Revision übersieht jedoch, daß sich die Klägerin bereits mit dem Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 30. April 1996 (nicht, wie die Revision angibt, mit Schreiben vom 3. Mai 1996) unmißverständlich mit der Rücknahme der Kündigung einverstanden erklärt hat. Daher war die Klägerin verpflichtet, die Arbeit nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit am 3. Mai 1996 bei der Beklagten wieder aufzunehmen. Seitdem fehlte die Klägerin unentschuldigt.

Entschuldigungsgründe für ihr weiteres Fernbleiben von der Arbeit hat die Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Ihren Hinweis auf anderweitige Dispositionen hat das Landesarbeitsgericht angesichts des Bestreitens der Beklagten mit Recht für völlig unsubstantiiert und daher unbeachtlich angesehen. Die Auffassung der Revision, die Klägerin sei nicht verpflichtet, ihre privaten Dispositionen offenzulegen, ist unter dem Aspekt einer Entschuldigung des Fernbleibens der Klägerin unzutreffend; der Arbeitgeber ist nämlich zur Widerlegung eines Entschuldigungsgrundes für arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen nur dann in der Lage und ggf. beweisbelastet, wenn sich ein solcher aus dem substantiierten Vorbringen des Arbeitnehmers ergibt (BAG 23. September 1992 – 2 AZR 199/92 – EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44 mwN). Soweit die Revision auf die Regelungen des BErzGG und § 12 KSchG hinweist, führt dies nicht weiter. Der Erziehungsurlaub der Klägerin war seit langem beendet; zudem dienen die in § 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BErzGG genannten Fristen dem Dispositionsinteresse des Arbeitgebers und auch § 19 BErzGG schützt in erster Linie diesen (ErfK/Dörner § 16 BErzGG Rn. 1; ErfK/Ascheid § 19 BErzGG Rn. 3). Ein anderes Arbeitsverhältnis (§ 12 KSchG) ist die Klägerin nicht eingegangen. Daß dem Arbeitnehmer nach einem nicht schon längere Zeit absehbaren Wiederaufleben seiner vertraglichen Arbeitspflicht stets eine „Schonfrist” (welche?) einzuräumen wäre, läßt sich den genannten Vorschriften in keiner Weise entnehmen. Auch eine Analogie zu § 4 Abs. 2 BeschFG scheidet aus, denn die dort genannte Ankündigungsfrist von mindestens vier Tagen betrifft nur den Ausnahmefall der vereinbarten Arbeit auf Abruf; im übrigen wäre die Frist spätestens am 5. Mai 1996 abgelaufen gewesen.

bb) Daß die Klägerin sodann eigenmächtig Urlaub nahm, beendete ihr unentschuldigtes Fehlen nicht. Im Gegenteil: Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers in der Regel eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB rechtfertigt (BAG 20. Januar 1994 – 2 AZR 521/93 – AP BGB § 626 Nr. 115 = EzA BGB § 626 nF Nr. 153 mwN). Es hat auch berücksichtigt, daß eine willkürliche Urlaubsverweigerung seitens des Arbeitgebers in der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen wäre. Wenn es eine solche letztlich offen ließ und schon deshalb zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 626 Abs. 1 BGB kam, weil die Klägerin keineswegs lediglich wegen eines willkürlich verweigerten Urlaubs der Arbeit fern blieb, so hält sich dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Davon abgesehen hat die Beklagte keineswegs berechtigten Urlaubswünschen der Klägerin zu Unrecht nicht entsprochen. Vielmehr fehlte es vorliegend schon an einer rechtlich beachtlichen Geltendmachung des Urlaubsanspruchs durch die Klägerin. Als sie mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 30. April 1996 um Urlaub für die Zeit ab 5. Mai 1996 bat, war sie noch arbeitsunfähig erkrankt. Die Klägerin hat zu keiner Zeit vorgetragen, das Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit zum 2. Mai 1996 sei schon damals ärztlicherseits festgestellt oder auch nur prognostiziert gewesen. In dem Schreiben vom 30. April 1996 hat die Klägerin solches auch nicht mitgeteilt, sondern lediglich angegeben, es sei davon auszugehen, daß sie alsbald wieder arbeitsfähig werde. Ein genauer Termin für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin war jedoch, wie die Revision selbst einräumt, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Entgegen der Ansicht der Revision spielt es sehr wohl eine Rolle, ob die Arbeitsfähigkeit der Klägerin nun schon am 3., 6. oder 7. Mai 1996 gegeben war. Einer arbeitsunfähigen Arbeitnehmerin kann nämlich kein Urlaub gewährt werden, worauf die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 3. Mai 1996 mit Recht hingewiesen hat (BAG 8. Februar 1994 – 9 AZR 332/92 – AP BAT § 47 Nr. 17 = EzA BUrlG § 7 Nr. 93 mwN). Auf die Freistellung von einer Arbeitspflicht, von der für sie nicht ausreichend abzusehen war, ob sie überhaupt bestehen würde, brauchte sich die Beklagte nicht einzulassen. Schon deshalb scheidet auch eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG aus. Im übrigen würde eine etwaige betriebsverfassungsrechtliche Unwirksamkeit der Verweigerung des Urlaubs noch nicht bedeuten, daß der Urlaub positiv bewilligt wäre; nur bei positiver Bewilligung oder nach einer erfolgreichen Leistungsklage (bzw. einer entsprechenden einstweiligen Verfügung) hätte die Klägerin den Urlaub antreten dürfen.

cc) Zudem hat die Klägerin mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nicht bestritten, sie habe der Beklagten schon gegen Ende des Erziehungsurlaubs angesonnen, ihr eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen, und ihr Prozeßbevollmächtigter habe in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 1997 erklärt, bei dem Urlaubsantrag habe es sich um eine taktische Maßnahme gehandelt. Die generell fehlende Arbeitsbereitschaft der Klägerin wird, worauf das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler abgestellt hat, ferner dadurch belegt, daß die Klägerin auch nach ihrem „Urlaub” die Arbeit nicht wieder aufnahm, obwohl sie bis zur Zustellung der Zahlungsklage am 26. Juni 1996 kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hatte und obwohl mangels Arbeitsleistung oder positiver Urlaubsbewilligung ein Vergütungsanspruch für die Zeit davor und demgemäß ein auf dessen Nichterfüllung gestütztes Zurückbehaltungsrecht nicht im entferntesten in Betracht kam. Soweit das Landesarbeitsgericht einen diesbezüglichen Rechtsirrtum der Klägerin für ausgeschlossen erachtet hat, hat die Revision dies nicht mit zulässigen Rügen angegriffen, vielmehr will sie die mögliche und auch naheliegende Würdigung des Berufungsgerichts lediglich durch ihre eigene Wertung ersetzen.

dd) Gleiches gilt für den vom Landesarbeitsgericht zusammenfassend gezogenen Schluß, die Klägerin habe von Anfang an das Ziel verfolgt, ihre Arbeit nicht wieder anzutreten, und die Kündigung bewußt provoziert. Auch zu dieser naheliegenden oder jedenfalls möglichen Würdigung des Sachverhalts will die Revision lediglich eine abweichende Beurteilung erreichen, ohne jedoch einen Rechtsfehler in der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen.

Wenn sich die Klägerin aber von vornherein nicht vertragsgerecht verhalten wollte und ihren Arbeitsplatz durch ein bei Zugang der streitigen Kündigung über zwei Monate andauerndes unentschuldigtes Fehlen bewußt aufs Spiel setzte, so bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung durch die Beklagte. Auch insoweit befindet sich das angegriffene Urteil in voller Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt 11. März 1999 – 2 AZR 507/98 – AP BGB § 626 Nr. 149 = EzA BGB § 626 nF Nr. 176 mwN).

ee) Das Landesarbeitsgericht ist schließlich zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, daß § 626 Abs. 1 BGB eine umfassende Abwägung der Interessen beider Vertragsteile erfordert. Unter Berücksichtigung dessen, daß die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen (§ 313 Abs. 3 ZPO), kann nicht unterstellt werden, daß es diesen Grundsatz bei der Subsumtion wieder aufgegeben hat. Die Sozialdaten der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben und somit zur Kenntnis genommen. Wenn das Landesarbeitsgericht gleichwohl aufgrund der oben genannten Umstände, insbesondere der Schwere der Pflichtverletzung und des Verschuldens der Klägerin, zu dem Ergebnis gekommen ist, eine weitere Zusammenarbeit sei der Beklagten iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht zumutbar, hält sich dies im Rahmen des vom Senat zu achtenden Beurteilungsspielraums der Tatsacheninstanz.

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, das Landesarbeitsgericht habe die Sozialdaten der Klägerin bei der abschließenden Interessenabwägung unberücksichtigt gelassen, könnte der Senat, wovon auch die Revision ausgeht, die Interessenabwägung selbst vornehmen, weil alle relevanten Umstände festgestellt sind. Allerdings hätte diese Interessenabwägung nicht das von der Revision angestrebte Ergebnis. Was das Gewicht der Pflichtverletzung der Klägerin und ihrer Schuld angeht, ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, wie dargelegt, nicht zu beanstanden. Der der Privatsphäre zuzurechnende Umstand, daß die Klägerin verheiratet und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig ist, hat vor diesem Hintergrund allenfalls marginale Bedeutung (vgl. Senat 27. Februar 1997 – 2 AZR 302/96 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 51 und 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch das Lebensalter der Klägerin hat keinen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsvertrag; im übrigen besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Chancen der bei Zugang der Kündigung erst 34jährigen Klägerin auf dem Arbeitsmarkt altersbedingt beeinträchtigt wären. Gewicht hat zwar die Dauer des Arbeitsverhältnisses, welches schon seit 15. Juli 1986 offenbar beanstandungsfrei bestand. Andererseits begründet eine Vertragsdauer von weniger als zehn Jahren auch noch keine derart gesteigerte soziale Schutzbedürftigkeit, daß ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ernsthaft in Zweifel zu ziehen wäre, wenn wie hier eine Arbeitnehmerin über längere Zeit ihre Arbeitspflicht bewußt und geradezu provokativ verletzt.

2. Soweit die Revision vom Landesarbeitsgericht zur Betriebsratsanhörung aufgestellte Rechtssätze mit Recht als fehlerhaft moniert, begründet dies nicht die Notwendigkeit einer Zurückverweisung gemäß § 565 ZPO. Die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, das Bestreiten einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung (§ 102 BetrVG) mit Nichtwissen sei unzulässig und unbeachtlich, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Nachfrage beim Betriebsrat nicht erfolglos ausgeschöpft habe (so auch Spitzweg/Lücke NZA 1995, 406), steht zwar mit der Rechtsprechung des Senats nicht im Einklang. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung in Zweifel gezogen hat, hat der Arbeitgeber im einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ergeben soll; der Arbeitgeber trägt dann insoweit zunächst die Darlegungs- und letztlich die Beweislast (BAG 9. Oktober 1986 – 2 AZR 649/85 – insoweit nicht veröffentlicht; 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87 – BAGE 59, 32). Auch ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers mit Nichtwissen ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts gem. § 138 Abs. 4 ZPO zunächst grundsätzlich zulässig, weil die Betriebsratsanhörung keine Handlung des Arbeitnehmers und gewöhnlich auch nicht Gegenstand seiner Wahrnehmung ist (BAG aaO; aA Spitzweg/Lücke aaO).

Das angegriffene Urteil erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als richtig (§ 563 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Beklagte habe eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung im Detail schlüssig dargelegt. Nunmehr wäre es im Rahmen der ihr obliegenden abgestuften Darlegungslast Sache der Klägerin gewesen, Konkret zu beanstanden, in welchen Punkten sie die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält(BAG 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen), wobei auch ein völliges oder teilweises Bestreiten mit Nichtwissen wegen fehlender eigener Wahrnehmung möglich und zulässig ist. Die Klägerin hat jedoch die Angaben der Beklagten weder substantiiert noch mit Nichtwissen, sondern nur pauschal ohne Berufung auf fehlende eigene Wahrnehmungen bestritten. Ein solches Bestreiten ist in der Tat unzureichend mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO (BAG 18. September 1997 – 2 AZR 657/96 – insoweit nicht veröffentlicht zu II 2 d der Gründe; 22. Januar 1998 – 2 AZR 267/97 – AP BGB § 174 Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 13 zu II 4 der Gründe; 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen zu B II 1 der Gründe; vgl. auch 12. Februar 1997 – 7 AZR 317/96 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 187 = EzA BGB § 620 Nr. 145 zu 4 der Gründe). Geht es um einen komplexen Sachverhalt wie die Anhörung des Betriebsrats, so muß die nicht beweisbelastete Partei nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast auf substantiierte Darlegungen der Gegenseite hin deutlich machen, welche Angaben sie für zutreffend erachtet und welche nicht. In diesem Fall kann es nämlich durchaus sein, daß die nicht beweisbelastete Partei einzelne der gegnerischen Angaben, sei es aufgrund eigener Wahrnehmungen, aufgrund von Informationen beteiligter Personen ihres Vertrauens oder aufgrund der Plausibilität und voraussichtlich problemlosen Beweisbarkeit des Vorbringens, für glaubhaft erachtet und nicht länger in Zweifel zieht, oder daß sie einen anderen Sachverhalt darlegen kann. Bei solch komplexen Sachverhalten genügt deshalb kein undifferenziertes pauschales Bestreiten, vielmehr muß die nicht beweisbelastete Partei ihr Bestreiten zumindest soweit substantiieren, daß für das Gericht erkennbar wird, über welche einzelnen Behauptungen der beweisbelasteten Partei Beweis erhoben werden soll. Da die Klägerin dies unterlassen und auch nicht deutlich gemacht hat, sie bestreite mangels eigener Wahrnehmungen dengesamten Sachvortrag der Beklagten zur Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen, hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen der Beklagten im Ergebnis zu Recht als zugestanden gewertet und demgemäß die Betriebsratsanhörung für ordnungsgemäß erachtet.

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Kuemmel-Pleißner, Bartz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 16.03.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 507980

BB 2000, 1528

BB 2000, 1677

DB 2000, 1524

FA 2000, 221

NZA 2000, 1332

SAE 2001, 32

ZTR 2000, 571

AP, 0

JuS 2001, 412

RdW 2000, 632

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