Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerstatus eines Sportredakteurs

 

Orientierungssatz

  • Auch im Rundfunkbereich ist von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden.
  • Bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit verbleibt und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann.
  • Durch die Prüfung der formalen und sachlichen Richtigkeit von Programmbeiträgen nimmt eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt die ihr obliegenden Pflichten und zugleich das ihr als Dienst- oder Auftraggeberin zustehende Rügerecht wahr. Diese Kontrolle verändert nicht den Status freier Mitarbeiter.
 

Normenkette

BGB § 611; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen 8 Sa 178/05)

ArbG Leipzig (Urteil vom 03.02.2005; Aktenzeichen 1 Ca 2783/04)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. April 2006 – 8 Sa 178/05 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Arbeitnehmerstatus des Klägers.

Der 1952 geborene Kläger war seit 1992 bei der Beklagten – einer öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt – in der Redaktion Sport tätig. Seit 1997 schlossen die Parteien jährlich befristete “Rahmenvereinbarungen”, nach denen der Kläger auf der Basis von künftigen Honorarverträgen als Reporter, Redakteur, Berichterstatter oder Moderator inhaltlich gestaltend am Programm der Beklagten mitwirken sollte, indem er seine Fachkenntnisse, Informationen und journalistischen Arbeitsergebnisse, seine eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Sachfragen sowie seine individuelle künstlerische oder journalistische Befähigung und Aussagekraft in die Sendungen einbrachte. Die Beklagte wendet auf den Kläger die Bestimmungen des Tarifvertrags für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 8. September 1994 an. Sie gewährt dem Kläger deshalb Erholungsurlaub, zahlt Urlaubsgeld und leistet Zuschüsse im Krankheitsfall.

Der Kläger war als Moderator mit dem Schwerpunkt Sportnachrichten sowie als Reporter und Redakteur eingesetzt. Seit dem Jahr 2000 wurde er überwiegend als Moderator des Sportblocks der überregionalen Nachrichtensendung “mdr-aktuell” tätig. Neben seiner Tätigkeit für die Beklagte arbeitete er auch für andere Auftraggeber. Seit Juni 2004 wird der Kläger nicht mehr eingesetzt, erhält aber Leistungen nach dem Tarifvertrag.

Etwa sechs bis acht Wochen vor Beginn eines Planungszeitraums übersendet die Beklagte ihren freien Mitarbeitern Vordrucke, in denen diese angeben sollen, für welche Zeiträume sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen bzw. wann sie nicht arbeiten können. Auf Grund der Angaben in den Vordrucken legt die Beklagte die Einsätze in Wochenplänen fest. Die festgelegten Dienste können von den Mitarbeitern – nach entsprechender Rücksprache – getauscht oder abgesagt werden. Der Kläger gab die Vordrucke regelmäßig mit dem Vermerk “keine (besonderen) Wünsche” zurück, bezeichnete aber auch Zeiträume, in denen er nicht arbeiten konnte. Von der Möglichkeit, Dienste zu tauschen oder abzusagen, machte er mehrfach Gebrauch.

“mdr-aktuell” wird montags bis freitags drei Mal (17.30 Uhr, 19.30 Uhr und 21.45 Uhr) und an den Wochenenden zwei Mal mit einem Sportteil (19.30 Uhr und 21.45 Uhr) gesendet. Dieser Sportteil hat einen zeitlichen Umfang von ca. drei bis sieben Minuten und besteht aus “Einspielbeiträgen” (Nachrichten im Film) sowie reinen Wortmeldungen. An der wöchentlich stattfindenden Themenkonferenz der Sportredakteure nahm der Kläger seit 6. November 2002 nicht mehr teil. Für die Sendung um 17.30 Uhr trat der Kläger seinen Dienst gegen 13.00 Uhr an. Zunächst fand mit dem Redakteur vom Dienst eine Besprechung über die aktuelle Themenlage und mögliche Inhalte der Sportnachrichten statt, wobei die Moderatoren aufgefordert sind, eigene Vorstellungen und Ideen einzubringen. Die Auswahl der Themen und die Festlegung des Ablaufs der Sendung obliegt dem zuständigen Redakteur. Die verbindliche Festlegung erfolgt in der gegen 16.00 Uhr stattfindenden Konferenz der Redakteure, an der der Kläger nicht teilnahm. Nach der Besprechung informierte sich der Kläger über die Inhalte der aktuellen Themen und formulierte die An- und Abmoderationen zu den Einspielbeiträgen sowie die reinen Wortmeldungen. Der Redakteur vom Dienst prüfte die Texte des Klägers und änderte sie, wenn sie sachlich falsch, inhaltlich nicht plausibel oder zu lang waren. Zu einem von der Beklagten festgelegten Zeitpunkt erfolgte die Auswahl der Bekleidung, danach das Schminken in der “Maske” und das sog. “Einleuchten”. Dann folgte die Präsentation in der Sendung.

Die Beklagte zahlte dem Kläger für seine Tätigkeit Honorare. Mit Schreiben vom 6. November 2002 verzichtete der Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 auf die Zusendung schriftlicher Honorarverträge. In den monatlichen Vergütungsmitteilungen und der Verzichtserklärung vom 6. November 2002 wurde die Tätigkeit des Klägers unter der Kennziffer 3056 als “Moderator o. eigenen Text” bezeichnet. Von den Honoraren wurden Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, sowie Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten. Ausweislich der Honorarbescheinigung für 2003 betrug das Bruttoeinkommen des Klägers in diesem Jahr 47.652,78 Euro.

Mit der am 26. April 2004 beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu stehen. Seine Tätigkeit in der Sendung “mdr-aktuell” sei nicht als programmgestaltend anzusehen. Er werde nicht als Moderator, sondern als Nachrichtensprecher beschäftigt. Inhalt und Länge der Nachrichten stünden fest. Hinsichtlich der Formulierungen habe er nur ein Vorschlagsrecht. Bei Interviews seien die Fragen vorgegeben. Der Redakteur vom Dienst habe ihn auch schon angewiesen, Nachrichten gegen seinen Willen vorzulesen. Soweit er Filmbeiträge erstelle, erhalte er von der Beklagten konkrete Vorgaben. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen belege, dass sich die Parteien über ein Arbeitsverhältnis geeinigt hätten.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer, sondern programmgestaltender freier Mitarbeiter. Auch als Moderator des Sportteils der Sendung “mdr-aktuell” könne er eigene Vorstellungen einbringen und bestimme den wesentlichen Inhalt sowie den Wortlaut seiner Texte selbst. Die redaktionelle rundfunkrechtliche Abnahme der Texte sei selbstverständlich, Änderungen erfolgten nur dann, wenn die Texte offenkundig sachlich falsch, inhaltlich nicht plausibel oder zu lang seien. Die Bezeichnung der Tätigkeit als “Moderator o. eigenen Text” beruhe auf einem Fehler im EDV-System. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entspreche dem Negativkatalog der Sozialversicherungsträger und sei arbeitsrechtlich unerheblich. Mit einer Erklärung vom 6. November 2002 über die Anwendung der Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter habe der Kläger überdies eingeräumt, freier Mitarbeiter zu sein.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger ist kein Arbeitnehmer der Beklagten.

1. Die angefochtene Entscheidung ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat. Beide unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (Senat 25. Mai 2005 – 5 AZR 347/04 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 117 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 6, zu I der Gründe; 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99 – BAGE 93, 310, 314 f.). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB; Senat 25. Mai 2005 – 5 AZR 347/04 – aaO; 22. April 1998 – 5 AZR 342/97 – BAGE 88, 263, 269 f. mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben (vgl. Senat 22. August 2001 – 5 AZR 502/99 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 109 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 86, zu II 2a der Gründe mwN; 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – BAGE 84, 108, 112 f. mwN). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 25. Mai 2005 – 5 AZR 347/04 – aaO; 30. September 1998 – 5 AZR 563/97 – BAGE 90, 36, 47).

Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen anzuwenden (Senat 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 223; 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 – BAGE 78, 343), wobei der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten ist. Allgemein müssen die Gerichte Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfG 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198, 205 ff.). Das verlangt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite (grundlegend BVerfG 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 ua. – BVerfGE 59, 231 ff.; 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93 ua. – AP GG Art. 5 Abs. 1 Rundfunkfreiheit Nr. 9 = EzA GG Art. 5 Nr. 25, zu II 2b bb der Gründe). Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen (BVerfG 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93 ua. – aaO, zu II 2b aa der Gründe). Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen (grundlegend BVerfG 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93 ua. – aaO; 22. August 2000 – 1 BvR 2121/94 – NZA 2000, 1097). Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen – wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden – zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit (vgl. 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93 ua. – aaO, zu II 2c bb der Gründe).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören zu den programmgestaltenden Mitarbeitern diejenigen, die “typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist”. Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben (13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 ua. – BVerfGE 59, 231, 260; BAG 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 224). Zu den nicht programmgestaltenden Tätigkeiten können auch, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, reine Sprecherleistungen zählen (vgl. BVerfG 3. Dezember 1992 – 1 BvR 1462/88 – EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 50, zu II 2b der Gründe).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Der Kläger ist programmgestaltender Mitarbeiter.

aa) Der Kläger war zum einen als Live-Kommentator und Berichterstatter von Sportereignissen eingesetzt. Dabei brachte er seine individuelle journalistische Befähigung und Aussagekraft sowie seine Fachkenntnisse und Bewertung in die jeweilige Sendung ein. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch die Live-Berichterstattung über eine Sportveranstaltung erschöpft sich nicht in der rein verbalen Wiedergabe des aktuellen Sportgeschehens. Aufgabe des jeweiligen Sportreporters ist es, die Spannung und Atmosphäre der Sportveranstaltung auf den Zuschauer zu übertragen. Dies erfordert eine starke verbale Ausdrucksfähigkeit und stimmliche Befähigung. Darüber hinaus muss der Reporter über ein breites Fachwissen hinsichtlich der dargebotenen Sportart und der jeweiligen Akteure verfügen, um reaktionsschnell das aktuelle Sportgeschehen schildern zu können (vgl. Senat 22. April 1998 – 5 AZR 191/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 96 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 69, zu III 1 der Gründe).

bb) Der Kläger war auch bei seiner zeitlich überwiegenden Tätigkeit programmgestaltend als Sportmoderator in der Sendung “mdr-aktuell” tätig. Auch wenn die abschließende Themenwahl dem Redakteur oblag, sollte der Kläger eigene Vorstellungen einbringen. Nach der Besprechung informierte er sich über die Themen, wählte dazu die wesentlichen Informationen aus der Fülle des Agenturmaterials aus. Soweit die Revision diesbezüglich rügt, das Landesarbeitsgericht habe zur Frage der Auswahl der Informationen streitigen Vortrag der Beklagten rechtsfehlerhaft unstreitig gestellt, ist in Bezug auf die Feststellung kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben worden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Im Übrigen fehlt es insofern ohnehin an einem substantiierten Bestreiten des Klägers, der selbst eingeräumt hat, sich über die vorgesehenen Themen informiert zu haben. Nach der Auswahl der Informationen formulierte der Kläger die An- und Abmoderationen zu den Einspielbeiträgen sowie die reinen Wortmeldungen, die vom Redakteur geändert wurden, wenn sie sachlich falsch, inhaltlich nicht plausibel oder zu lang waren. Anschließend präsentierte der Kläger die Texte in der Sendung und führte Live-Interviews. Somit bestand seine Tätigkeit darin, Inhalte auf eigene Art und Weise zu recherchieren, in moderierbarer Form zu schreiben und zu präsentieren. So nahm er auf den Inhalt der Sendung Einfluss und gestaltete diese mit. Seine Tätigkeit wurde durch einen journalistisch-schöpferischen Anteil geprägt. Der Kläger setzte eigene Akzente. Auf die Länge der An- und Abmoderationen sowie der Wortbeiträge kommt es für die Frage, ob eine programmgestaltende Tätigkeit vorliegt, nicht an (vgl. Senat 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218).

b) Bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit verbleibt und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann (Senat 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 224; 20. September 2000 – 5 AZR 61/99 – AP BGB § 611 Rundfunk Nr. 37 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84).

aa) Der Kläger unterlag bei der Erbringung seiner Dienste keinem inhaltlichen Weisungsrecht, das seine Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit derart weitgehend einschränkte, dass die Annahme eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist.

(1) Die Einbindung in ein festes Programmschema und die Vorgabe des Programmablaufs wirkten nicht statusbegründend. Mit der verbindlichen Bestimmung der Themen der Sportnachrichten durch den Redakteur vom Dienst nahm die Beklagte eine Abgrenzung der vom Kläger geschuldeten Leistung vor. Dies ist auch bei einem freien Dienst- oder Werkvertragsverhältnis möglich und üblich. Entsprechend ihrem Programmauftrag hat die Beklagte in ihren Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk vom 30. Mai 1991 – Rundfunkstaatsvertrag). Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag trägt der Intendant die Verantwortung für die Programmgestaltung. Dementsprechend kann die Beklagte auch ihren freien Mitarbeitern bestimmte Themen vorgeben. Sie hat nach ihrem Programmauftrag (§§ 6, 9 Rundfunkstaatsvertrag) darauf zu achten, dass eine Grundversorgung der Zuschauer mit Sportinformationen gewährleistet wird. Zu dieser Grundversorgung gehören bei der Bedeutung und dem Stellenwert des Handballsports auch die Handballergebnisse, die der Kläger am 16. Mai 2004 – nach seiner Behauptung gegen seinen Willen – verlesen musste. Der Kläger hatte zudem die Möglichkeit, die Themen im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Konferenz zu beeinflussen, und war ausdrücklich aufgefordert worden, seine Vorstellungen bei den Besprechungen mit dem jeweiligen Redakteur vom Dienst einfließen zu lassen. Dass er dieser Aufforderung auf Grund eigenen Entschlusses nicht nachkam, führt nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

(2) Zum Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten gehörte die Vorgabe der Länge der Berichte und der Moderationen sowie die graphische Umsetzung der Beiträge. Der zeitliche Umfang der Sportnachrichten im Rahmen der Nachrichten war auf maximal sieben Minuten begrenzt, ein einheitliches Layout diente der Wiedererkennbarkeit der Sendung.

(3) Die Gestaltungsfreiheit des Klägers war auch nicht durch die Abnahme der von ihm verfassten An- und Abmoderationen sowie reinen Wortbeiträge durch den Redakteur vom Dienst beeinträchtigt. Auch freie Mitarbeiter sind in der Erbringung ihrer Dienstleistung nicht völlig frei. Durch die Prüfung der sachlichen Richtigkeit sowie der Einhaltung des vorgegeben Zeitrahmens und der Beseitigung offensichtlicher Widersprüche nimmt die Beklagte die ihr als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt obliegenden Pflichten bzw. das ihr als Dienst- oder Auftraggeberin zustehende Rügerecht wahr. Mit einer Kontrolle der Qualität seiner Arbeit muss auch der freie Mitarbeiter rechnen (Senat 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 225 f.; 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – RzK I 4a Nr. 51, zu III 2 der Gründe). Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe diesen Rahmen überschritten und aus sachfremden Gründen “ständig” seine Beiträge korrigiert, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass er in Anbetracht des Bestreitens insoweit einen ausreichenden Tatsachenvortrag schuldig geblieben ist und seiner Darlegungslast nicht genügt hat. Der Kläger hat lediglich einige wenige Fälle aus einem eng begrenzten Zeitraum dargestellt, um eine umfassende inhaltliche Weisungsabhängigkeit zu begründen. Die – allein nach seiner Behauptung – exemplarischen Fälle vom 21. Mai 2004 sind hierzu jedoch weder inhaltlich noch der Anzahl nach geeignet. Im Beitrag des Klägers zum Geburtstag der FIFA wurde wegen der Länge des Textes eine Kürzung vorgenommen – im Übrigen blieb der Beitrag unverändert. Der von ihm verfasste Programmhinweis auf die Sendung vom 22. Mai 2004 wurde durch den Redakteur vom Dienst nur um die Information zu einem Studiogast ergänzt und stilistisch angepasst. Mit dem Austausch von Worten oder der Umstellung von Satzteilen ist nicht der Redakteur zum Verfasser der Nachricht geworden. Außerdem sind gelegentliche geringfügige Änderungen des Dienstgebers nicht geeignet, einem Rechtsverhältnis das Gepräge eines Arbeitsverhältnisses zu verleihen (BAG 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 222 ff.).

(4) Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe § 139 ZPO verletzt, weil es den Kläger nicht darauf hingewiesen habe, dass er nicht ausreichend zu der Behauptung vorgetragen habe, an seinen Texten seien ständig erhebliche Änderungen vorgenommen worden, ist bereits unzulässig. Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Berufungsgericht habe die richterliche Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO missachtet, muss genau angegeben werden, was die Partei auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte. Dabei ist der unterbliebene Vortrag vollständig nachzuholen (st. Rspr. Senat 25. April 2001 – 5 AZR 395/99 – AP ZPO § 253 Nr. 33 = EzA ZPO § 253 Nr. 21, zu II der Gründe; 12. April 2000 – 5 AZR 704/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72, zu II 1a der Gründe). Diesem Erfordernis entspricht die Verfahrensrüge des Klägers nicht. Im Übrigen hatte bereits das Arbeitsgericht dem Kläger mit Beschluss vom 22. Juni 2004 eine konkrete Auflage erteilt.

(5) Auch bei den Interviews verfügte der Kläger über ein erhebliches Maß an Gestaltungsfreiheit. Dies gilt selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass die Beklagte die Interviewpartner und bestimmte Fragen vorschrieb (vgl. BAG 22. April 1998 – 5 AZR 191/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 96 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 69, zu III 1 der Gründe). Die Art der Interviewführung oblag seiner freien Entscheidung und seinem journalistischen Selbstverständnis. Der Kläger hat seine Behauptung, dass die Beklagte detaillierte Fragen vorgab, trotz Bestreitens nicht substantiiert.

bb) Der Kläger war in zeitlicher Hinsicht nicht weisungsgebunden.

(1) Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht ist gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich “zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Insofern stellt die Einteilung eines Mitarbeiters in Dienstpläne ohne vorherige Absprache ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar (Senat 20. September 2000 – 5 AZR 61/99 – AP BGB § 611 Rundfunk Nr. 37 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84, zu IV 3 der Gründe; 22. April 1998 – 5 AZR 191/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 96 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 69, zu II 2 der Gründe).

(2) Die Beklagte nahm den Kläger nicht einseitig in Dienstpläne auf. Die Beklagte übersendet ihren Mitarbeitern Vordrucke, in denen die Mitarbeiter ihre Wünsche zur Diensteinteilung eintragen können. Der Kläger gab in den Vordrucken an, in welchen Zeiträumen er nicht tätig werden wollte. Diese Wünsche berücksichtigte die Beklagte im Wesentlichen. Soweit der Kläger behauptet, einseitig gegen seinen Willen eingeteilt worden zu sein, ist diese pauschale und bestrittene Behauptung nicht geeignet, eine Weisungsgebundenheit zu begründen. Gegen eine Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht spricht auch, dass der Kläger einseitig von der Möglichkeit Gebrauch machte, Dienste nicht wahrzunehmen oder zu tauschen. Dass die Beklagte über einen Diensttausch informiert werden will, ist zur Gewährung der Sendesicherheit unerlässlich. Mit der Prüfung des Diensttausches nimmt die Beklagte ihr Recht wahr, als Dienst- oder Auftraggeberin zu entscheiden, welche Mitarbeiter gemeinsam tätig werden.

(3) Der Kläger war in der Gestaltung und Organisation seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei. Er konnte bestimmen, wie viel Zeit er für die Auswertung der Informationsquellen und die Erarbeitung der Texte aufwandte. Die Anwesenheit zu feststehenden Zeiten vor und während der Sendung schließt ein freies Mitarbeiterverhältnis nicht aus. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch bei Dienst- oder Werkverträgen können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für das Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist (Senat 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218, 227; 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – RzK I 4a Nr. 51, zu III 3 der Gründe). Der Kläger hatte den Weisungen nachzukommen, die zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Fernsehsendung notwendig waren.

(4) Der Kläger wurde zudem auch für andere Auftraggeber journalistisch tätig. So lehnte er gegenüber der Beklagten die Fertigung eines Berichts über eine Reitsportveranstaltung in Papitz bei Cottbus am 1. Mai 2001 ab, um einen Bericht über eine Ende April 2001 in Passin/Mecklenburg-Vorpommern stattfindende Reitsportveranstaltung und den Reiter W… für den Fernsehsender ARTE fertigen zu können.

c) Die Parteien haben auch nicht konkludent den Abschluss eines Arbeitsvertrags vereinbart.

aa) Nach den seit dem Jahr 1997 jährlich übersandten Rahmenvereinbarungen sollte der Kläger auf der Basis von künftigen Honorarverträgen als freier Mitarbeiter bei der Beklagten tätig werden und als Reporter, Redakteur, Berichterstatter oder Moderator inhaltlich gestaltend am Programm der Beklagten mitwirken. Diese Vereinbarungen bildeten die Grundlage für die Vertragsbeziehungen der Parteien, auch wenn der Kläger die Vereinbarungen nicht gegenzeichnete. Aus der unterlassenen Gegenzeichnung kann auch angesichts des widerspruchslosen Verzichts des Klägers auf die Übersendung weiterer Honorarvereinbarungen nicht die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses gefolgert werden. Auf Grund der langjährigen widerspruchslosen Vertragsdurchführung konnte die Beklagte das Schweigen des Klägers nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als Zustimmung zu den von ihr angebotenen Vertragsbedingungen werten. Schweigen stellt zwar in der Regel keine Willenserklärung dar. Es steht jedoch dann einer Willenserklärung gleich, wenn der Schweigende nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verpflichtet war, einen abweichenden Willen zu äußern (BGH 9. Februar 1990 – V ZR 200/88 – NJW 1990, 1601 f., zu II 1 der Gründe).

bb) Soweit der Kläger darauf abstellt, die Beklagte habe für ihn Sozialversicherungsbeiträge und Steuern einbehalten sowie Arbeitgeberanteile abgeführt, führt dies nicht zur konkludenten Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses. Die sozial- und steuerrechtliche Behandlung des Mitarbeiters ist arbeitsrechtlich ohne Belang, weil für die Abgrenzung eines freien Mitarbeiterverhältnisses zu einem Arbeitsverhältnis primär auf die Umstände abzustellen ist, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht auf die Modalitäten der Bezahlung (vgl. Senat 4. Dezember 2002 – 5 AZR 667/01 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 115 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 2, zu I 1 der Gründe). Die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers lässt sich deshalb auch nicht aus dem Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 17. Juni 2004 ableiten.

cc) Letztlich führt auch die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers in den Abrechnungen als “Moderator o. eigenen Text” nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Es kommt nicht auf die Bezeichnung der geleisteten Arbeit, sondern auf die tatsächliche Durchführung an. Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers, er sei entsprechend dieser Bezeichnung als Moderator ohne eigenen Text auch eingestuft und vergütet worden, als neuer Vortrag in der Revisionsinstanz gemäß § 559 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Zudem betrug die Vergütung für “Moderation o. eigenen Text” und “Moderation m. eigenem Text” laut der vom Kläger vorgelegten Abrechnung vom 10. Januar 2004 jeweils 240,00 Euro. Dieser Betrag lag im Rahmen der Vergütung, die die Beklagte nach ihrem Tätigkeits- und Leistungskatalog sowohl für “Moderator ohne Eigentext” als auch für “Moderator bis 30 Minuten” vorsieht.

II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Hromadka, W. Hinrichs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1747981

DB 2007, 1595

FA 2008, 87

JR 2008, 308

ZTR 2007, 510

AfP 2007, 289

EzA-SD 2007, 4

NZA-RR 2007, 424

ArbRB 2007, 196

HzA aktuell 2008, 9

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