Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsfreistellung am Heiligabend

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein rechtlich geschütztes Vertrauen der Arbeitnehmer in eine dauerhafte Verpflichtung des Arbeitgebers, künftig stets an Heiligabend Arbeitsbefreiung zu gewähren, kann nicht entstehen, wenn die Maßnahme von Jahr zu Jahr neu unter dem Vorbehalt angekündigt wird, daß diese Regelung nur für das laufende Jahr gelte (Anschluß an BAG Urteil vom 12. Januar 1994 - 5 AZR 41/93 = AP Nr 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

 

Orientierungssatz

Der Streit bezog sich auch auf Sylvester und Rosenmontag.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 04.11.1992; Aktenzeichen 7 Sa 801/92)

ArbG Köln (Entscheidung vom 19.03.1992; Aktenzeichen 6 Ca 8406/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Rosenmontag, Heiligabend und Silvester Freistellung von der Arbeit und für die im Dezember 1991 sowie Rosenmontag 1992 verweigerten Freistellungen nachträglich Sonderurlaub oder eine Entschädigung zu gewähren ist.

Der Kläger ist seit 1979 Angestellter der im Rheinland ansässigen Beklagten, die das Bundesgesetzblatt, den Bundesanzeiger und andere Publikationsorgane der Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die Geschäftsführung der Beklagten erteilte seit den 50er Jahren den Arbeitnehmern für Heiligabend, Silvester und Rosenmontag Arbeitsbefreiung. Dies wurde jeweils durch einen Aushang am Schwarzen Brett mit dem Vorbehalt, daß diese Regelung nur für das jeweilige Jahr gelte, bekanntgemacht.

Anfang 1991 fiel wegen des sog. Golf-Krieges der Rosenmontagszug in Köln aus. Die Geschäftsführung sah deshalb davon ab, Dienstbefreiung zu gewähren und entschied im Herbst 1991 ebenfalls, Heiligabend sowie Silvester nicht mehr dienstfrei zu geben. Der Kläger hatte in der Vergangenheit den freien Rosenmontag stets zu einem kurzen Ski-Urlaub genutzt und den dienstfreien Heiligabend und Silvester für Urlaubszwecke verwendet. Er sah durch die Maßnahmen der Geschäftsführung seine Urlaubspläne gefährdet. Deshalb hat er am 9. Dezember 1991 zunächst Klage auf Gewährung von Freistellung für den 24. und 31. Dezember 1991 erhoben, die er am 14. Februar 1992 auf Arbeitsbefreiung für den Rosenmontag 1992 erweitert hat.

Er ist der Ansicht, daß er Anspruch auf Arbeitsbefreiung habe und ihm wegen der zu Unrecht verweigerten Arbeitsbefreiung eine Entschädigung für die entgangenen Urlaubstage zustehe. Er habe sich nämlich auf die langjährige Praxis der Beklagten verlassen dürfen. Der Vorbehalt "Diese Regelung gilt nur für das Jahr" sei zu schwach gewesen, um das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes bei den Arbeitnehmern auszuschließen. Im übrigen habe die Beklagte die Möglichkeit des Widerrufs dieser freiwilligen Leistung verwirkt, weil sie mehr als 20 Jahre lang von ihrem Widerrufsrecht bis im Jahre 1991 keinen Gebrauch gemacht habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auch

in Zukunft jeweils am Rosenmontag sowie am

24. Dezember und dem 31. Dezember eines jeden

neuen Jahres unter Fortzahlung der Bezüge von

der Arbeitsverpflichtung freizustellen;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für

die entgangenen 3 Sonderurlaubstage am 24. De-

zember und 31. Dezember sowie am Rosenmontag

(2. März 1992) einen Betrag von 586,35 DM

brutto als Entschädigung zu zahlen;

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem

Kläger 3 zusätzliche Tage als Sonderurlaub zu

gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unschlüssig abgewiesen.

Die Berufung ist vom Landesarbeitsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin seine zuletzt gestellten Sachanträge. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf künftige Freistellung noch auf Nachgewährung von Sonderurlaub oder auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 586,35 DM brutto für die verweigerte Freistellung am Heiligabend und Silvester 1991 sowie am Rosenmontag 1992 zu.

1. Weder war die Beklagte in den Jahren 1991 bis 1994 zur Arbeitsbefreiung für den Heiligabend, Silvester und Rosenmontag verpflichtet, noch besteht für die Zukunft eine derartige Bindung.

a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß ein Befreiungsanspruch des Klägers von der Arbeitspflicht bei der Einstellung nicht vereinbart worden ist.

b) Dem Landesarbeitsgericht ist weiter darin zu folgen, daß ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung für Heiligabend, Silvester und Rosenmontag nicht aufgrund einer im Betrieb der Beklagten geltenden betrieblichen Übung begründet worden ist.

aa) Als betriebliche Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 1 a der Gründe; BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe; und zuletzt BAG Urteil vom 12. Januar 1994 - 5 AZR 41/93 - EWiR 1994, 537 - LS - mit zust. Anm. von von Hoyningen-Huene). Bei der Anspruchsentstehung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers bestand, sondern darauf, wie die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Begleitumstände nach §§ 133, 157 BGB verstehen mußten (BAGE 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 b der Gründe). Will der Arbeitgeber verhindern, daß aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muß er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. Erforderlich ist, daß der Vorbehalt klar und unmißverständlich kundgetan wird (BAGE 23, 213, 221 = AP, aaO, zu I 2 c der Gründe). Dabei steht die Form des Vorbehalts dem Arbeitgeber frei. Er kann den Vorbehalt sowohl durch Aushang oder Rundschreiben als auch durch Erklärung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer bekanntgeben.

bb) Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sind diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Noch in der Revisionsbegründung führt der Kläger an, wegen der drei "freien" Tage sei es (zumindest) seit 1967 üblich gewesen, daß die jährliche Dienstbefreiung durch Aushang am Schwarzen Brett mit dem Vorbehalt versehen war, diese Regelung gelte nur für das betreffende Jahr.

Soweit die Revision ergänzend vorträgt, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe bis 1966 den Rosenmontag ohne jeden Vorbehalt freigegeben, ist dies, wie die Beklagte zu Recht rügt, neuer Vortrag. Nach § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf dieses Vorbringen vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden.

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht wegen des Vorbehalts der Beklagten in den jährlichen Aushangsschreiben das Entstehen einer betrieblichen Übung abgelehnt. Die Beklagte hat nämlich für die Arbeitnehmer erkennbar klargestellt, daß die Dienstbefreiung jeweils nur für das betreffende Jahr gelte. Angesichts dieses Umstandes durften die Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, daß die Freistellungen ohne jede Einschränkungen auf Dauer gewährt werden sollten. Sie mußten davon ausgehen, daß die Entscheidungen über die Dienstbefreiung jährlich neu getroffen werden. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Fünften Senats im Urteil vom 12. Januar 1994 (- 5 AZR 41/93 - aaO) an.

2. Bestand schon kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung, so scheidet eine Verpflichtung der Beklagten aus, dem Kläger für Heiligabend und Silvester 1991 sowie den Rosenmontag 1992 eine Entschädigung in Geld zu zahlen oder nachträglich drei Tage Sonderurlaub zu gewähren. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche setzen nämlich voraus, daß die Beklagte gegen gesetzliche oder vertragliche Pflichten verstoßen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Dr. Leinemann Dörner Düwell

Schwarz Trümner

 

Fundstellen

Haufe-Index 441825

BB 1994, 1863

BB 1994, 2493

BB 1994, 2493 (LT1)

DStR 1995, 503 (K)

EBE/BAG 1995, 2-3 (LT1)

ARST 1995, 28-29 (LT1)

JR 1995, 528

JR 1995, 528 (L)

NZA 1995, 418

NZA 1995, 418-419 (LT1)

VersorgW 1995, 284 (K)

ZAP, EN-Nr 836/94 (S)

AP § 242 BGB Betriebliche Übung (LT1), Nr 45

AR-Blattei, ES 510 Nr 30 (LT1)

EzA-SD 1994, Nr 26, 11-12 (LT1)

EzA § 242 BGB Betriebliche Übung, Nr 31 (LT1)

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