Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Vernichtung des Personalfragebogens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die dauerhafte Aufbewahrung eines Personalfragebogens, der von einem erfolglos gebliebenen Stellenbewerber auf Verlangen der Firma ausgefüllt worden ist und der unter anderem auch Angaben über die Privat- und Intimsphäre enthält, kann das verfassungsrechtlich geprägte Persönlichkeitsrecht des Bewerbers verletzen.

2. In einem solchen Fall hat der Bewerber daher, unabhängig von den Schutzvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), einen Anspruch auf Vernichtung des Fragebogens (analog § 1004 BGB).

3. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Aufbewahrung des Fragebogens hat.

4. Die Absicht, den Fragebogen bei einer nochmaligen Bewerbung zu einem Datenvergleich heranzuziehen oder den Bewerber später zu einer nochmaligen Bewerbung anzuhalten, begründet ein solches berechtigtes Interesse nicht.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.05.1981; Aktenzeichen 11 Sa 15/81)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 03.12.1980; Aktenzeichen 3 Ca 414/80)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den von dem Kläger anläßlich einer erfolglosen Bewerbung ausgefüllten Personalfragebogen zu vernichten bzw. dessen Mikroverfilmung zu unterlassen.

Der Kläger bewarb sich am 12. Januar 1980 bei der Beklagten um eine Anstellung. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens füllte er am 20. Januar 1980 einen formularmäßigen Personalfragebogen der Beklagten aus. Darin hatte er neben allgemeinen Angaben zu seiner Person u.a. auch Angaben zu seinem beruflichen Werdegang, seinen Wehrdienstzeiten sowie über Unfallschäden und Körperbehinderungen zu machen. Auf der letzten Seite des Fragebogens hat der Kläger die gleichfalls vorgedruckte Erklärung unterzeichnet, daß er der Verarbeitung seiner Daten zustimme.

Nachdem das Bewerbungsverfahren des Klägers erfolglos verlaufen war, forderte er die Beklagte auf, ihm den Personalfragebogen zurückzugeben oder diesen zu vernichten. Die Beklagte verweigerte dies. Üblicherweise werden von ihr auch die Personalfragebogen erfolgloser Bewerber mikroverfilmt und auf ein Microfiche übertragen, um sie anläßlich einer Neubewerbung wieder einsehen zu können. Die Beklagte überprüft routinemäßig jede neueingegangene Bewerbung daraufhin, ob der Bewerber bereits in der Vergangenheit einen Bewerbungsvorgang laufen hatte. Sofern dies der Fall ist, wird das entsprechende Microfiche den neuen Bewerbungsunterlagen angefügt. Dementsprechend erklärte die Beklagte, daß sie den Personalfragebogen des Klägers dann vernichten werde, wenn sie ihn auf Mikrofilm übertragen habe. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß von dem Personalfragebogen des Klägers bisher noch keine Mikrofilmaufnahme angefertigt worden ist.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er werde durch die Aufbewahrung des Personalfragebogens und die damit einhergehende Speicherung seiner Daten in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Die Beklagte sei nicht in der Lage, ihm auf Dauer die Vertraulichkeit seiner persönlichen Daten zu sichern. Dies sei nur gewährleistet, wenn der Fragebogen vernichtet werde. Im übrigen mangele es der Beklagten auch an einem berechtigten Interesse, seine Angaben auf Dauer aufzubewahren.

Die beabsichtigte Mikroverfilmung bedeute eine automatische Verarbeitung der Daten in einer Datei und unterfalle daher dem Bundesdatenschutzgesetz. Sein Begehren sei daher bereits aufgrund der Schutzbestimmungen dieses Gesetzes begründet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Personalfragebogen des Klägers zu vernichten, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, von dem vom Kläger ausgefüllten und unterschriebenen Personalfragebogen keine Mikrofilmaufnahmen herzustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei als Eigentümerin des Personalfragebogens berechtigt, diesen aufzubewahren und entsprechende Mikrofilmaufnahmen davon herzustellen. Darin liege keine datentechnische Verarbeitung in einem automatisierten Verfahren i.S. des § 2 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz; allenfalls sei § 6 Bundesdatenschutzgesetz anzuwenden. Durch organisatorische Sicherungsmaßnahmen habe sie aber ausreichend dafür gesorgt, daß die Daten des Klägers nicht zur Kenntnis Dritter gelangen könnten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, daß die Beklagte den vom Kläger ausgefüllten Personalfragebogen nach der erfolglos gebliebenen Bewerbung vernichtet.

I.

Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht angenommen, daß das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dem Kläger keinen Anspruch auf Vernichtung des Personalfragebogens gibt. Die in dem Personalfragebogen enthaltenen persönlichen Daten des Klägers unterfallen nicht dem BDSG.

1. Vom BDSG werden nur Daten erfaßt, die in Dateien verarbeitet sind. Eine Datei liegt vor, wenn es sich um eine gleichartig aufgebaute Datensammlung handelt, die nach bestimmten Merkmalen erfaßt und geordnet, nach anderen bestimmten Merkmalen umgeordnet und ausgewertet werden kann, wobei es nicht auf die dabei angewendeten Verfahren ankommt (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 BDSG). Eine Ausnahmeregelung gilt für Akten und Aktensammlungen. Diese stellen grundsätzlich keine Datei dar, es sei denn, daß sie durch automatisiertes Verfahren umgeordnet und ausgewertet werden können (§ 2 Abs. 3 Nr. 3, 2. Halbs. BDSG).

2. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Personalfragebogen des Klägers gehöre zu dessen Personalakte, genügt nicht, um den datenschutzrechtlichen Aktenbegriff des § 2 Abs. 3 Nr. 3, 2. Halbs. BDSG zu bejahen. Akten bzw. Aktensammlungen i.S. dieser Bestimmungen dürfen nicht mit dem sog. materiellen Personalaktenbegriff (vgl. § 83 BetrVG) verwechselt werden. Akten liegen nicht schon immer dann vor, wenn es sich um Unterlagen handelt, die in Ordnern, Heftern und anderen „Aktendeckeln” aufbewahrt und üblicherweise als Akte bezeichnet werden. Es kommt nicht auf die äußere Form an, weil anderenfalls das BDSG leicht umgangen werden könnte (Kroll, Datenschutz im Arbeitsverhältnis, S. 45 ff.; Wohlgemuth, Datenschutz für Arbeitnehmer, S. 20). Auch der standardisierte Personalfragebogen ist dann als Bestandteil einer Datei anzusehen, wenn er zusammen mit anderen Fragebögen in einem Ordner abgelegt wird (Kroll, aaO, S. 49). Lediglich die Akten, die eine fest vorgegebene Ordnungsstruktur besitzen, wie beispielsweise eine chronologische oder alphabetische Ordnung (Verlaufs- und Vorgangsakten), sind daher von dem Dateibegriff des § 2 Abs. 3 Nr. 3 BDSG auszunehmen (Wohlgemuth, aaO, S. 20; Simitis/Dammann/Mallmann/Reh, Bundesdatenschutzgesetz, 3. Aufl., § 2 Rz 198). Da aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß die Beklagte den Personalfragebogen des Klägers im Rahmen einer gleichartigen Sammlung von Personalfragebögen aufbewahrt, ist davon auszugehen, daß die persönlichen Daten des Klägers jedenfalls nicht in einer Datei i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 3 BDSG gespeichert werden.

II.

Auch aus allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen läßt sich ein Anspruch des Klägers auf Vernichtung des Fragebogens nicht herleiten.

1. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Fragebögen und sonstige Formblätter erfolgloser Bewerber zu vernichten, es sei denn, daß die darin mitgeteilten Umstände die Privatsphäre des Bewerbers in besonderer Weise belasteten (Bürger/Knipp, AR-Blattei, Einstellung I, Einstellung des Arbeitnehmers, C I; Brill, AuR 1968, 136, 137; vgl. auch Schleßmann, RdA 1973, 190, für das psychologische Gutachten über den Arbeitnehmer).

2. Andere Autoren bejahen dagegen eine Pflicht des Arbeitgebers, die Fragebögen nach einer erfolglosen Bewerbung zu vernichten (Degener, Das Fragerecht des Arbeitgebers gegenüber Bewerbern, S. 104; Kuhla, Datenschutz im Beamten- und Arbeitsverhältnis, § 6 I 1 a, S. 177; so wohl auch Bleistein/Matthes, Einstellung, Urlaub, Krankheit, Kündigung, S. 32, Rz 51). Diese Auffassung wird mit dem Hinweis auf ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis der Parteien begründet, ohne daß dabei datenschutzrechtliche Erwägungen zugunsten des Arbeitnehmers erwähnt werden (vgl. allerdings Kuhla, aaO).

III.

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung ist der Anspruch des Klägers auf Vernichtung des Personalfragebogens jedoch als quasi-negatorischer Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB analog gerechtfertigt. Die dauerhafte Aufbewahrung der der Beklagten anvertrauten persönlichen Daten stellt einen objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

1. Das Grundgesetz gewährt dem Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung. Dies folgt aus dem in Art. 2 Abs. 1 GG verwirklichten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts muß berücksichtigt werden, daß nach der Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfGE 34, 238, 246; 35, 202, 220; 54, 148, 153 jeweils m.w.N.). Das Recht auf Achtung der Würde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit ist auch im privaten Rechtsverkehr von jedermann zu achten (vgl. BGHZ 14, 163, 173; BGHZ Großer Senat 34, 99, 102 m.w.N.). Dies gilt auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (BAG in ständiger Rechtsprechung vgl. BAG 20, 96, 102 = AP Nr. 1 zu § 252 BGB; BAG Urteil vom 2. Juni 1982 - 2 AZR 1237/79 - AP Nr. 3 zu § 284 ZPO, zu II 1 der Gründe; Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1984 - 5 AZR 501/81 -, auch zur Veröffentlichung bestimmt). Auch bei den durch vorvertragliche Verhandlungen entstandenen Rechtsbeziehungen greift der Persönlichkeitsschutz ein.

2. Der Auffassung des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe schon deshalb ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hervorgehender Anspruch nicht zu, weil die Persönlichkeitssphäre bereits durch die Vorschriften des BDSG ausreichend und abschließend geschützt seien und es ein über diese Schutzvorschriften hinausreichendes geschütztes „Recht an eigenen Daten” nicht gebe, kann nicht gefolgt werden.

a) Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß es sich bei der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts um einen sog. Auffangtatbestand handelt, der gegenüber einer Spezialregelung des Persönlichkeitsrechts grundsätzlich zurücktritt. Soweit das Gesetz die Rechte des Betroffenen aus unzulässiger Datenverarbeitung abschließend regelt, dürfte eine Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die damit einhergehenden Abwehrrechte (§ 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog) daher ausscheiden (vgl. BGHZ 80, 311, 319; Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 5. Aufl., § 8 II, S. 114 f.). Maßgebend hierfür ist, daß die tatbestandlich konkret gefaßten Schutzbestimmungen des BDSG, die den informationellen Schutzbereich bei der organisierten Datenverarbeitung abschließend regeln, durch einen Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterlaufen würden.

b) Allerdings kann außerhalb des Schutzbereichs des BDSG der vom Berufungsgericht herangezogene Grundsatz der Spezialität schon denkgesetzlich keine Anwendung finden. Wo das BDSG aufgrund formaler Anwendungsschranken keine Schutzwirkung entfaltet, ist auf die Grundsätze des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zurückzugreifen, die dem Betroffenen nur einen schwächeren Schutz gewährleisten. Denn auch die nicht in Dateien gespeicherten Daten unterliegen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der sonstigen allgemeinen Vorschriften (Auerhammer, Bundesdatenschutzgesetz, § 1 Rz 8; Sproll, ZIP 1984, 23, 28).

c) Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, nach der weite Teile des vom BDSG nicht erfaßten Bereichs der Datenerhebung und Datenspeicherung vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen sind, verkennt, daß mit dem BDSG der verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsschutz im Hinblick auf die bei der Datenverarbeitung drohenden Gefahren erweitert und nicht bereits bestehende Rechte eingeschränkt werden sollten. Ob der im BDSG gewährleistete informationelle Schutzbereich bei der organisierten Datenverarbeitung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht identisch ist oder das Gesetz nicht vielmehr den informationellen Persönlichkeitsschutz in den Bereich der bloßen Persönlichkeitsgefährdung hinein ausgedehnt hat, ist im Schrifttum lebhaft umstritten (vgl. einerseits Simitis, aaO, § 4 Rz 37; Ordemann/Schomerus, BDSG, 3. Aufl., § 4 Anm. 2.2.2; andererseits Zöllner, Daten- und Informationsschutz im Arbeitsverhältnis, S. 6; Sproll, ZIP 1984, 23, 24 m.w.N.). Auch die von Simitis (aaO) repräsentierte Auffassung will jedoch nicht den Schutz der nicht vom BDSG erfaßten Daten eingeschränkt wissen, sondern – zugunsten des Betroffenen – jede Verletzung der Schutzvorschriften des BDSG mit einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gleichsetzen und über das Gesetz hinausgehende Schadenersatzansprüche reklamieren (vgl. Ordemann/Schomerus, aaO).

d) Die Auffassung des Berufungsgerichts steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach kann – auch nach Inkrafttreten des BDSG – außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes bei der Speicherung und Weitergabe von Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers durchaus infrage kommen (vgl. BAG Urteil vom 17. Mai 1983 - 1 AZR 1249/79 - AP Nr. 11 zu § 75 BPersVG, zu II 4 und III der Gründe, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schließt das Recht ein, darüber zu bestimmen, ob der Arbeitgeber die im Bewerbungsverfahren erfragten persönlichen Daten aufbewahren darf oder ob deren Vernichtung verlangt werden kann.

a) Das auf der Wertentscheidung des Grundgesetzes in Art. 1 und Art. 2 beruhende allgemeine Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der privaten Sphäre des Einzelnen. Hierzu gehört das Recht, in diesem Bereich für sich zu sein und ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 202, 220). Davon umfaßt wird der Schutz vor der Offenlegung personenbezogener Daten, und zwar auch solcher, die der Betroffene Dritten bereits offenbart hat. Denn die Kenntnisnahme personenbezogener Daten erweitert den Handlungsspielraum des Dritten und ermöglicht es ihm, unter verschiedenen Handlungsalternativen diejenige zu wählen, die eine optimale Realisierung seiner Ziele verspricht.

Das Bundesverfassungsgericht hat im sog. Volkszählungsurteil (Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 -, NJW 1984, 419 ff.) darauf hingewiesen, daß die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraussetzt. Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung” gewährleistet das Recht des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfG, aaO). Dieses Selbstbestimmungsrecht wird beeinträchtigt, wenn ein Dritter – wie vorliegend die Beklagte – die Daten des Bewerbers auf Dauer in ihrem Einflußbereich belassen will.

b) Bei der Datenspeicherung ist die Beeinträchtigung des Betroffenen in mehrfacher Hinsicht noch intensiver als bei der Datenermittlung. Da die Daten auf einem Datenträger festgehalten werden, können sie noch nach Jahren für dann anstehende Entscheidungen herangezogen werden; dem „Segen des Vergessens” wird entgegengewirkt. Das verkörperte Datum kann aber auch effektiver genutzt werden. Es ist mit anderen Daten kombinierbar und leichter zu vergleichen. Infolge seiner Gegenständlichkeit ist es leichter dem Zugriff Dritter zugänglich. Mit der Speicherung der Daten wird also durchaus eine neue Qualität des den Bewerber betreffenden Informationsprozesses erreicht; dementsprechend erhöht sich auch die Schutzbedürftigkeit.

c) Andererseits steht nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. mit Art. 1 Abs. 1 GG. Wenn der einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, kann das ausschließliche Bestimmungsrecht über seinen Privatbereich eingeschränkt sein. Dies gilt in besonderem Maße bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Bewerber und dem Arbeitgeber. Denn der Arbeitgeber muß sich über die Person des Bewerbers unterrichten können.

In einem solchen Fall sind die Interessen des Arbeitgebers an der notwendigen Information und die Grenzen des Schutzbereichs des Bewerbers gegeneinander abzuwägen und es ist zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bewerbers den Vorrang verdient (vgl. BGHZ 24, 72, 80; 36, 77, 82; vgl. auch BVerfGE 35, 202, 221).

4. Im Streitfalle muß das Recht der Beklagten an der dauerhaften Aufbewahrung der persönlichen Daten des Klägers gegenüber dessen Interesse an ihrer Vernichtung zurücktreten. Die auf unbeschränkte Zeit beabsichtigte Speicherung der Daten auf einem Datenträger, hier dem Personalfragebogen, beinhaltet einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

a) Die mit dem Fragebogen gegebenen Informationen betreffen nicht nur den persönlichen und beruflichen Werdegang des Klägers. Die Fragen nach Unfallschäden, Körperbehinderungen, Ableistung von Wehrdienst usw. haben einen direkten Bezug zur Intimsphäre. Insoweit ist ein besonderer Schutz geboten.

Es sind zwar Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse haben kann, auch solche Daten aufzubewahren. Dies gilt z.B., wenn die Bewerbung des Arbeitnehmers auf den zu besetzenden Arbeitsplatz zwar erfolglos war, aber im Einverständnis beider Parteien in absehbarer Zeit wiederholt werden soll. Ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers, Informationen aufzubewahren, kann dann bestehen, wenn er mit Rechtsstreitigkeiten über die negative Entscheidung des betroffenen Bewerbers oder eines konkurrierenden Dritten rechnen muß.

b) Die Beklagte hat jedoch ein schutzwürdiges Interesse, die Daten des Klägers aufzubewahren, nicht dargetan. Der Hinweis, bei einer erneuten Bewerbung des Klägers wolle sie den früheren Personalfragebogen vergleichend heranziehen, reicht hierzu nicht aus.

Die in dem Fragebogen enthaltenen Angaben geben nur Auskunft über die Daten des Klägers im Zeitpunkt, in dem er den Fragebogen ausfüllte. Diese Daten aber werden nicht selten im zeitlichen Verlauf durch neue Daten überholt. Bei einer erneuten Bewerbung des vormals erfolglosen Bewerbers kann dies die Einstellungschancen beeinträchtigen und damit zu einer Behinderung im beruflichen Fortkommen führen. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten, sich durch den Vergleich mit früheren Fragebögen ein möglichst genaues Bild über den persönlichen und beruflichen Werdegang eines Bewerbers zu verschaffen, ist daher zu verneinen.

Die Beklagte mag zwar ein berechtigtes Interesse daran haben, sich die Namen der erfolglosen Bewerber festzuhalten, um im Falle einer nochmaligen Bewerbung evtl. Verwaltungs- und Vorstellungskosten einzusparen. Dafür reicht es jedoch aus, wenn die die Person des Bewerbers ausreichend charakterisierenden persönlichen Daten wie Name, Anschrift und Geburtsdatum gespeichert werden. Die Aufbewahrung des Einstellungsfragebogens mit den viel weitergehenden Auskünften übersteigt dagegen dieses Informationsbedürfnis der Beklagten.

c) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie bewahre die Personalfragebögen auch deshalb auf, um den Bewerber später ggf. selbst noch einmal ansprechen zu können. Das reicht ebenfalls nicht aus, um die Speicherung der Daten des Klägers zu rechtfertigen. Die Beklagte hat nicht dargetan, daß sie an der Person des Klägers, dessen Bewerbung sie einmal abgelehnt hat, in Zukunft möglicherweise ein konkretes Interesse hat.

5. Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß der Kläger im Personalfragebogen der Verarbeitung seiner Daten zugestimmt hat. Die Zustimmung des Klägers zur Datenspeicherung bezog sich ersichtlich – wie bereits aus der Aufforderung zur Vernichtung des Fragebogens deutlich wird – lediglich auf die Dauer des Bewerbungsverfahrens selbst.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Michels-Holl, Richter Schneider

ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert Dr. Thomas

Dr. Krems, Nitsche

 

Fundstellen

Haufe-Index 60159

BAGE 46, 98-107 (LT1-4)

BAGE, 98

BB 1984, 2130-2132 (LT1-4)

DB 1984, 2626-2912 (LT1-4)

NJW 1984, 2910-2912 (LT1-4)

AuB 1985, 88-88 (T)

BetrR 1985, 23-25 (LT1-4)

ARST 1985, 20-20 (LT1-4)

BlStSozArbR 1984, 36-36 (T)

JR 1986, 176

NZA 1984, 321-323 (LT1-4)

SAE 1985, 95-98 (LT1-4)

ZIP 1985, 47

ZIP 1985, 47-50 (LT1-4)

AP, Persönlichkeitsrecht (LT1-4)

AR-Blattei, Datenschutz Entsch 6 (LT1-4)

AR-Blattei, ES 580 Nr 6 (LT1-4)

DuD 1989, 90-92 (KT)

EzA, (LT1-4)

MDR 1985, 168-169 (LT1-4)

ZfA 1985, 578-579 (T)

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