Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn betriebliche Verhältnisse (zB Staubluft) nicht die alleinige oder primäre Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten sind, sondern sich nur in Verbindung mit einer besonderen Anlage des Arbeitnehmers (zB erhöhte Reizbarkeit des Bronchialsystems) auswirken können, sind sie zwar für die Interessenabwägung bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht unerheblich; es ist aber revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht bei einer derartigen Fallgestaltung im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes einer möglichen Mitursächlichkeit betrieblicher Umstände kein ausschlaggebendes Gewicht zuerkennt.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 03.11.1989; Aktenzeichen 5 Sa 43/89)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 02.02.1989; Aktenzeichen 10 Ca 413/88)

 

Tatbestand

Der am 8. Februar 1953 geborene Kläger, ein aus Sri Lanka stammender Tamile, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und ein unterhaltsberechtigtes Kind hat, war in der Abteilung Versand und Lager der Schuhfabrik der Beklagten seit dem 29. Mai 1980 als Lagerarbeiter/Kommissionierer beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 19,18 DM brutto bei einer 40-Stunden-Woche.

Von seiner Einstellung an hatte der Kläger folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten:

Arbeitstage Diagnose nach Angaben

des Klägers

1980

08.12. - 22.12. 11

1981

19.01. - 25.01. 3

03.03. - 11.03. 7

02.04. - 12.04. 7

12.11. - 13.11. 2

--

19

1982

13.01. - 16.01. 3 Bronchitis

18.01. - 31.01. 10 Bronchitis

02.02. - 16.02. 11 Zustand nach Septum-

Resection

05.05. - 16.05. 8 Asthma Bronchiale

14.06. - 20.06. 4 Lumbago

20.12. - 21.12. 2

--

38

1983

17.01. - 07.02. 16 Myalgien, Bronchitis

15.07. - 22.07. 6 asthmoide Sinubronchitis

29.08. - 16.09. 15 Sinubronchitis

--

37

1984

04.05. - 25.05. 16

18.07. 1

24.07. - 04.08. 9

01.10. - 19.10. 15

--

41

1985

26.02. - 16.03. 13 Sinubronchitis, Poly-

arthritis akut

15.04. - 26.04. 10 Bronchopneumonie

20.06. - 22.07. 23 Sinubronchitis (bis 16.),

danach Enteritis)

25.11. - 06.12. 10 Polyarthritis, Bronchitis

--

56

1986

03.03. - 21.03. 15 Polyarthritis

09.05. - 13.06. 24 Pollenallergie

23.06. - 21.07. 21 Lumbalgie

23.09. - 13.10. 16 Sinubronchitis

--

76

1987

02.02. - 13.02. 10 Bronchitis

06.04. - 10.04. 5 Wirbelsäulensyndrom,

Lumbago

13.04. 1

13.05. - 05.06. 17 Stenokardie, Stomatitis

20.07. - 24.07. 5 Nasennebenhöhlenentzün-

dung, Tonsillitis

24.08. - 18.09. 20 Angina-Tonsillitis

14.10. - 23.10. 8 Sinubronchialinfekt

30.11. - 12.12. 10 Sinubronchialinfekt,

spastisch-ulzeröse Stoma-

titis

--

76

1988

27.01. - 22.02. 19 Bronchitis, Laryngopharyn-

gitis (Kehlkopfentzündung)

Durch diese Fehlzeiten entstanden der Beklagten an Lohnfortzahlungskosten einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung insgesamt 57.264,69 DM; im einzelnen:

1980 880,-- DM

1981 2.320,-- DM

1982 4.440,-- DM

1983 4.276,31 DM

1984 6.975,26 DM

1985 5.207,66 DM

1986 11.897,72 DM

1987 12.179,74 DM

1988 (bis 22.02.) 559,22 DM

------------

48.735,91 DM

17,5 % Arbeitgeber-

anteil zur Sozial-

versicherung 8.528,78 DM

------------

Insgesamt 57.264,69 DM

In den Jahren 1986 und 1987 betrug die Krankheitsquote bei der Beklagten im Jahresdurchschnitt 22 Arbeitstage im gewerblichen Bereich und 25 Arbeitstage im Warenumschlag.

Am 10. Dezember 1986 und 12. Februar 1988 fanden zwischen den Parteien Gespräche über den Gesundheitszustand des Klägers statt. Im ersten Gespräch erklärte der Kläger, er leide seit mehreren Jahren an asthmatischer Bronchitis und könne wahrscheinlich die trockene, staubige Luft im Betrieb nicht vertragen. Im zweiten Gespräch gab er an, er leide immer noch in erster Linie an asthmatischer Bronchitis und könne nicht sagen, wie es gesundheitlich weitergehe. Die Beklagte bat ihn daraufhin, bis zum 15. Februar 1988 seinen Arzt wegen der zu erwartenden Entwicklung seines Gesundheitszustandes zu befragen. Der Kläger ließ danach nichts mehr von sich hören.

Am 19. Februar 1988 leitete die Beklagte beim Betriebsrat das Anhörungsverfahren zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 31. März 1988 ein. Sie übergab u.a. dem für den Fall der Abwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters zuständigen Betriebsratsmitglied ein Schreiben vom 18. Februar 1988 nebst einer Aufstellung über die Fehlzeiten und die hierfür in den Jahren 1980 bis 1988 angefallenen Lohnfortzahlungskosten sowie der Kopie der Krankheitskarte des Klägers. Der Betriebsrat widersprach am 29. Februar 1988 der beabsichtigten Kündigung mit dem Hinweis, es sei zu prüfen, ob der Kläger nicht auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden könne.

Mit Schreiben vom 29. Februar 1988 kündigte die Beklagte dem Kläger fristgerecht zum 31. März 1988. Sie beschäftigte ihn nach Ausspruch der Kündigung weiter. In dieser Zeit fehlte der Kläger krankheitsbedingt an insgesamt 17 Arbeitstagen:

1988 Arbeitstage

21.09. - 23.09. 3

05.10. - 10.10. 6

08.12. - 09.12. 2

1989

09.01. - 16.01. 6

Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß gehört worden. Die Beklagte habe ihn in dem Schreiben vom 18. Februar 1988 zumindest in einem wesentlichen Punkt, nämlich insoweit falsch informiert, als infolge seiner Fehlzeiten täglich etwa 3.600 Paar Schuhe weniger ausgeliefert worden seien, weil der Arbeitsanfall im Lager- und Versandbereich wegen Auftragsrückgangs stark rückläufig gewesen sei.

Er hat ferner geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe sich seit dem 14. März 1988 wegen seiner Infektanfälligkeit im Bereich der Atemwege einer etwa acht Wochen dauernden Therapie mit Ribomunyl, einem neu erschienenen Immuntherapeutikum, unterzogen, die voraussichtlich zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes führen werde. Deswegen könne nicht von einer negativen Gesundheitsprognose für die Zukunft ausgegangen werden.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten

vom 29. Februar 1988 zum 31. März 1988 aufgelöst

worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus

unverändert fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum

rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits zu

unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Unterrichtung des Betriebsrats über die betrieblichen Auswirkungen der Fehlzeiten des Klägers habe auf einer schriftlichen Information des zuständigen Meisters vom 18. Februar 1988 beruht. Da sich in den folgenden Monaten die Lage aufgrund des schlechten Geschäfts mit der Sowjetunion geändert habe, berühre dies nicht die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung.

Die Gesundheitsprognose für den Kläger sei trotz der am 14. März 1988 eingeleiteten Therapie bei Ausspruch der Kündigung negativ gewesen. Die Therapie beziehe sich nur auf einen Teil der Erkrankungen des Klägers. Außerdem sei völlig offen, ob hierdurch die Immunschwäche des Klägers auf Dauer behoben werden könne. Die Entwicklung der Fehlzeiten während des Prozesses dürfe bei der Beurteilung der Kündigung nicht berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die in den Jahren 1986 und 1987 extrem hohen Belastungen mit Lohnfortzahlungskosten sei die Kündigung sozial gerechtfertigt. Eine Versetzung des Klägers sei nicht in Betracht gekommen, da keine für ihn geeigneten Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien. Die der Gesundheit des Klägers möglicherweise abträgliche Staubentwicklung sei im Produktionsbereich noch höher als im Lager- und Versandbereich.

Das Arbeitsgericht hat ein fachorthopädisches sowie ein fachinternistisches Gutachten der Universität Tübingen eingeholt und sodann die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung hat der Kläger weiter vorgetragen, es könne keine negative Gesundheitsprognose gestellt werden. Das Arbeitsgericht habe sich über die in den eingeholten Gutachten erhobenen Befunde hinweggesetzt. Es habe unterstellt, er werde von den Ärzten einfach aufgrund seiner eigenen Angaben krankgeschrieben. Er habe sich einer speziellen Therapie unterzogen und sei auch, entsprechend der im fachinternistischen Gutachten gegebenen Anregung zu einer Operation im Bereich der Nasennebenhöhlen bereit.

Es lägen auch keine unzumutbaren betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastungen vor. Die von der Beklagten behaupteten betrieblichen Auswirkungen seiner Fehlzeiten seien nicht eingetreten, da sein Ausfall durch den Einsatz anderer Mitarbeiter habe ausgeglichen werden können. Er könne auf einem anderen, weniger staubbelasteten Arbeitsplatz eingesetzt werden. Zumindest die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen. Seine Frau studiere. Er finanziere ihr Studium und habe auch noch seiner Mutter Unterhalt zu leisten. Sein Ausscheiden aus dem Betrieb würde den Verlust der werkseigenen Mietwohnung sowie im Hinblick auf seinen Ausländerstatus ein höheres Arbeitsmarktrisiko zur Folge haben und seine Aufenthaltsberechtigung gefährden.

Die Beklagte hat erwidert, die aufgrund der steigenden Tendenz der Fehlzeiten sowie des verhältnismäßig niedrigen Alters des Klägers bei Ausspruch der Kündigung begründete ernstliche Besorgnis weiterer häufiger Kurzerkrankungen auch in der Zukunft sei durch die Gutachten und ärztlichen Bescheinigungen nicht entkräftet worden. Aus ihnen ergebe sich, daß ein Erfolg der nach Ausspruch der Kündigung eingeleiteten Therapie mit Ribomunyl ungewiß gewesen sei und auch zu keiner vollständigen Ausheilung der insoweit relevanten Erkrankungen der Atemwege geführt habe.

Ihre wirtschaftliche Belastung mit Lohnfortzahlungskosten sei erheblich und in Anbetracht des Lebensalters des Klägers auf Dauer unzumutbar. Seine Behauptungen, sie habe seine Fehlzeiten ohne weiteres mit anderen Arbeitnehmern überbrücken und ihn auf einen anderen, seiner Gesundheit weniger abträglichen Arbeitsplatz versetzen können, seien unsubstantiiert und unrichtig. Er habe auch nicht konkret dargelegt, daß er im Hinblick auf seine Staatsangehörigkeit ein höheres Arbeitsmarktrisiko zu tragen habe. Sie bestreite, daß er seiner Frau ein Studium finanziere und seiner Mutter Unterhalt gewähre.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat die Kündigung der Beklagten für sozial gerechtfertigt erachtet und dies im wesentlichen wie folgt begründet.

1. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei die Gesundheitsprognose für den Kläger negativ gewesen. Der Kläger habe seit dem Jahre 1982 jährlich zwischen 37 und 76 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Die Fehltage hätten mit Ausnahme des Jahres 1983 eine ständig steigende Tendenz aufgewiesen und sich in den Jahren 1986 und 1987 auf jeweils 76 Tage belaufen. Die sich hieraus auch für erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Zukunft ergebende Indizwirkung sei auch durch die Sachverständigengutachten nicht entkräftet worden.

Zwar habe nach dem orthopädischen Gutachten, die am 28. Juli 1988 durchgeführte Untersuchung des Klägers keinen Hinweis auf eine funktionelle Beeinträchtigung im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates ergeben. Entgegen diesem objektiven Befund sei der Kläger gleichwohl in der Vergangenheit wiederholt arbeitsunfähig krank geschrieben worden. Im Hinblick auf diese Diskrepanz zwischen objektivem Befund und subjektivem Krankheitsempfinden sei mit dem Arbeitsgericht trotz der in dem Gutachten gestellten Prognose, in Zukunft seien zumindest auf orthopädischem Gebiet keine weiteren "wesentlichen" krankheitsbedingten Fehlzeiten zu erwarten, davon auszugehen, daß auch insoweit die Befürchtung weiterer Erkrankungen in bisherigem Umfang von maximal 21 Arbeitstage im Jahre 1986 gerechtfertigt gewesen sei. Dies stehe auch in Einklang mit den Feststellungen in dem fachinternistischen Gutachten. Dieses verweise zwar hinsichtlich der den Haltungs- und Bewegungsapparat betreffenden Diagnosen auf das fachorthopädische Gutachten. Andererseits werde dann jedoch ausgeführt, die Gefahr eines Wiederauftretens der durch diese Diagnosen beschriebenen Symptomatologie sei sicherlich nicht zu verneinen, und aufgrund der am 2. und 3. November 1988 durchgeführten stationären Behandlung des Klägers könnten von den in der Vergangenheit gestellten Diagnosen lediglich Enteritis, Polyarthritis, Stomatitis und Stenokardie als ausgeheilt angesehen werden. Damit verblieben, soweit sich dies nach dem Vorbringen des Klägers feststellen lasse, nach Abzug der auf den als ausgeheilt anzusehenden Erkrankungen beruhenden Fehlzeiten für die prognostische Beurteilung in den Jahren 1982 bis 1987 Ausfallzeiten von 38, 37, 41, 61 und 59 Arbeitstagen und im Jahre 1988 von 19 Arbeitstagen bis zum 22. Februar 1988. Insbesondere unter Berücksichtigung der ansteigenden Tendenz der Fehlzeiten rechtfertige dies die Besorgnis auch künftiger erheblicher Fehlzeiten von durchschnittlich 60 Arbeitstagen im Jahr.

Der im März 1988 eingeleiteten Therapie mit dem neu erschienenen Immuntherapeutikum Ribomunyl, die in der Folgezeit zu keinen ins Gewicht fallenden Fehlzeiten wegen der für die Ausfälle in der Vergangenheit ganz überwiegend ursächlichen Erkrankungen des Respirationstraktes des Klägers mehr geführt hätte, sei für die Gesundheitsprognose keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Maßgebliche Grundlage auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit krankheitsbedingter Kündigungen seien die objektiven Verhältnisse bei Zugang der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt sei im vorliegenden Fall hinsichtlich der Erkrankungen des Respirationstraktes des Klägers nicht mit einer baldigen Genesung oder zumindest mit einer wesentlichen Besserung zu rechnen gewesen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger wegen dieser Erkrankungen bereits sieben Jahre ohne Erfolg in ärztlicher Behandlung gewesen. Ob und wann der Kläger sich der neuen Therapie unterziehen werde, sei ungewiß gewesen, zumal ihn die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung um eine Befragung seines Arztes wegen der künftigen Entwicklung seiner Gesundheit gebeten habe. Sie habe somit bei Ausspruch der Kündigung davon ausgehen können und dürfen, daß sich an seinem Gesundheitszustand in absehbarer Zeit nichts ändern werde.

Abgesehen davon wären die Erfolgsaussichten der Therapie aber im Zeitpunkt der Kündigung auch als ungewiß anzusehen gewesen.

Entsprechendes gelte für den Hinweis des Klägers, er sei bereit, sich einer Operation im Bereich der Nasennebenhöhlen zu unterziehen, zumal hierdurch nach dem fachinternistischen Gutachten auch nur ein "möglicher" Auflösefaktor für asthmatoide Zustände ausgeschaltet werden könnte.

Unschlüssig sei schließlich auch der Einwand des Klägers, für die Gesundheitsprognose sei zu berücksichtigen, daß der geringe Arbeitsanfall zu einer Beschäftigung im Zeitlohn statt wie früher im Akkordlohn geführt habe. Zum einen sei nicht ersichtlich, daß bei Ausspruch der Kündigung die alsbaldige mitbestimmungspflichtige Einführung des Zeitlohns bereits absehbar gewesen sei. Zum anderen sei auch nicht ansatzweise dargetan, daß die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit in einem ins Gewicht fallenden Umfang auf seiner Beschäftigung im Akkordlohn beruhten.

2. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen jedenfalls in Form einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung durch Lohnfortzahlungskosten. Die Beklagte habe seit dem Jahre 1982 jährlich mehr als die vom Arbeitgeber hinzunehmenden Lohnfortzahlungskosten für sechs Wochen jährlich, in den Jahren 1986 und 1987 mehr als das Doppelte dieser Summe aufwenden müssen. Auch die zu erwartenden Fehlzeiten von 10 bis 12 Wochen seien mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten verbunden. Auf welchem Stundenlohn die in der Vergangenheit aufgewendeten Kosten beruhten, sei unerheblich. Die finanzielle Lage der Beklagten sei unerheblich, da es für die Erheblichkeit der Lohnfortzahlungskosten nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses ankomme. Die Ausfallzeiten des Klägers lägen auch erheblich über dem Durchschnitt der Ausfallquote der vergleichbaren Arbeitnehmer von jährlich 25 Arbeitstagen.

Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe künftig erheblichen Ausfallzeiten durch eine Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz wirksam begegnen können, sei unschlüssig. Er habe nicht annähernd angegeben, in welchen Bereichen des Betriebes für ihn günstigere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden als im Lager- und Versandbereich. Die Beklagte habe vorgetragen, daß in den Produktionsräumen aufgrund der Bearbeitung von Lederteilen mehr Staub entstehe als im Lager- und Versandbereich. Der Kläger hätte hierzu näher Stellung nehmen müssen.

3. Die Interessenabwägung ergebe, daß der Beklagten diese wirtschaftlichen Belastungen auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht mehr zuzumuten seien. Zukünftig zu erwartende Lohnfortzahlungskosten für jährlich mindestens 10 bis 12 Wochen seien außergewöhnlich hoch. Die Beklagte müsse wegen des relativ niedrigen Alters des Klägers auf nicht absehbare Zeit mit solchen Kosten rechnen.

Nach dem Vorbringen des Klägers und aufgrund der Sachverständigengutachten könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Erkrankungen des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen seien. Denn danach sei lediglich nicht auszuschließen, daß die beim Kläger bestehende höhere Reizbarkeit des Bronchialsystems auch durch Staubexposition an dessen Arbeitsplatz ungünstig beeinflußt werde. Schließlich überstiegen die Fehlzeiten und die dadurch ausgelösten Lohnfortzahlungskosten auch bei weitem die Fehlzeiten und Lohnfortzahlungskosten vergleichbarer Arbeitnehmer.

Bei dieser Sachlage sei es der Beklagten trotz der insbesondere aufgrund der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, seines Familienstandes und seiner Unterhaltspflichten gegenüber Ehefrau, Kind und Mutter gegebenen beträchtlichen sozialen Schutzbedürftigkeit nicht mehr zuzumuten, die außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten weiter hinzunehmen. Die Beklagte müßte für nicht absehbare Zeit mit diesen Kosten rechnen und habe dem Kläger den Arbeitsplatz bereits sechs Jahre trotz ständig wiederkehrender erheblicher Ausfallzeiten erhalten. Deshalb könnten sich auch die weiter vom Kläger angeführten Umstände, aus denen sich ergebe, daß er im Falle des Verlustes seines Arbeitsplatzes und längerer Arbeitslosigkeit in eine schwierige wirtschaftliche und soziale Lage gerate, nicht entscheidend zu seinen Gunsten auswirken.

Auf die betrieblichen Auswirkungen der Fehlzeiten des Klägers komme es danach nicht mehr an.

Diese Würdigung ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Das Berufungsgericht ist zunächst im Ansatz von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur krankheitsbedingten Kündigung ausgegangen (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 25, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, sowie vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 26). Danach ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Erkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers führt.

1. Die Feststellungen und Würdigungen des Berufungsgerichts zur negativen Gesundheitsprognose sind frei von Rechtsfehlern.

a) Im vorliegenden Fall sind die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers, ihre jeweilige Dauer und die Art der Erkrankungen unstreitig. Das Berufungsgericht hat ferner hinsichtlich der Art der Erkrankungen den Vortrag des Klägers zugrundegelegt. Dies sind in erster Linie die für die Rechtfertigung der Besorgnis künftiger Erkrankungen maßgebenden Anhaltspunkte. Bei der Bewertung, ob diese Umstände ausreichen, die Annahme künftiger erheblicher Fehlzeiten zu rechtfertigen, steht dem Tatrichter im Rahmen der §§ 144, 286 ZPO ein Ermessensspielraum zu. In der Revisionsinstanz kann nur nachgeprüft werden, ob der Ermessensrahmen für die aus Fehlzeiten abgeleitete Prognose eingehalten worden ist (Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/82 - aaO, zu B II 1 der Gründe).

b) Das Berufungsgericht ist aufgrund der beiden Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gelangt, daß von den in der Vergangenheit aufgetretenen Krankheiten Enteritis, Polyarthritis, Stomatitis und Stenokardie als ausgeheilt anzusehen seien. Hinsichtlich der übrigen Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sowie des Respirationstraktes, die in der Vergangenheit zu Ausfallzeiten zwischen 38 Arbeitstagen im Jahre 1982 bis zu 61 Arbeitstagen im Jahre 1986 und 59 Arbeitstage im Jahre 1987 geführt hatten, hat es angenommen, daß in Zukunft mit Ausfallzeiten von etwa 60 Arbeitstagen im Jahr zu rechnen sei.

c) Gegen diese Feststellungen wendet die Revision lediglich ein, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die aufgrund der nach Zugang der Kündigung ab Mitte März 1988 durchgeführten Therapie mit Ribomunyl zu erwartende günstige Entwicklung der Erkrankungen des Respirationstraktes - auf denen die Ausfälle des Klägers in der Vergangenheit ganz überwiegend beruhten - nicht berücksichtigt. Diese Rüge ist unbegründet.

aa) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist ihr Zugang beim Gekündigten. Dies gilt grundsätzlich auch für die vom Arbeitgeber einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose.

In seinem Urteil vom 10. November 1983 (- 2 AZR 291/82 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) hat der Senat allerdings ausgeführt, zur Bestätigung oder Korrektur von mehr oder weniger unsicheren Prognosen könne die spätere tatsächliche Entwicklung einer Krankheit bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz einbezogen werden. Wie der Senat jedoch schon in dem Urteil vom 9. April 1987 (- 2 AZR 210/86 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B III 3 der Gründe) klargestellt und im Urteil vom 6. September 1989 (- 2 AZR 118/89 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 27, zu B II 2 a und b der Gründe) bestätigt hat, kann die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch nicht berücksichtigt werden, wenn sie auf einem neuen Kausalverlauf beruht, der erst nach dem Kündigungszeitpunkt eingetreten ist. Als Beispiel hat der Senat eine nach Kündigungsausspruch durchgeführte und zuvor vom Arbeitnehmer abgelehnte Operation oder Therapie sowie eine Änderung der bisherigen Lebensführung angeführt, zu der sich der Arbeitnehmer bisher nicht bereitgefunden hatte. Zu Unrecht meint die Revision, dem liege die Auffassung zugrunde, nur solche später eingetretene Umstände seien für die Prognose nicht zu berücksichtigen, die vom Arbeitnehmer beeinflußt worden seien. Maßgebend ist vielmehr, daß bei einem neuen Kausalverlauf die weitere tatsächliche Krankheitsentwicklung nichts über die objektive Richtigkeit der zum Kündigungszeitpunkt erstellten Prognose besagt (Urteil vom 9. April 1987, aaO, zu B III 3 der Gründe). Deshalb ist es unerheblich, ob der neue Kausalverlauf durch subjektiv vom Arbeitnehmer beeinflußbare Umstände ausgelöst wurde, wie in den den angeführten Urteilen zugrundeliegenden Fällen, oder durch außerhalb seines Einflußbereichs liegende Umstände, wie z.B. die Entwicklung oder das Bekanntwerden einer neuen Heilmethode oder die Anwendung eines schon bekannten, aber vom behandelnden Arzt bisher nicht erwogenen Heilmittels erst nach Ausspruch der Kündigung. Der Senat hat in den entschiedenen Fällen lediglich deutlich gemacht, daß ein neuer Kausalverlauf auch durch eine Änderung der subjektiven Einstellung des Arbeitnehmers zu seiner Krankheit herbeigeführt wird.

Danach stellt die Mitte März 1988 begonnene Ribomunyl-Therapie eine neue Ursache dar, die bei der Gesundheitsprognose nicht berücksichtigt werden darf.

bb) An die Feststellung des Berufungsgerichts, bei Berücksichtigung der Umstände im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei mit künftigen Ausfallzeiten von ca. 60 Arbeitstagen im Jahr und hierfür aufzuwendende Lohnfortzahlungskosten zu rechnen gewesen, ist der Senat gebunden (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen des dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden Ermessens gehalten. Stehen die in der Vergangenheit angefallenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitgebers, ihre jeweilige Dauer und Ursache fest, so hat der Tatrichter nach dieser Vorschrift zu entscheiden, ob diese Umstände die Annahme entsprechender Ausfälle in der Zukunft rechtfertigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - aaO). Soweit sich das Berufungsgericht für seine Beurteilung auf die vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten gestützt hat, hat die Revision keine Verfahrensrüge erhoben.

2. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, stellt allein die zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten, die jährlich jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, einen zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung geeigneten Grund dar, wobei nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen ist (Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO).

a) Zu Unrecht meint die Revision, auch nach den Vorstellungen des Senats könnten Lohnfortzahlungskosten in der Regel nur in Verbindung mit Störungen des Betriebsablaufs zu unzumutbaren Belastungen führen. Diese unzutreffende Interpretation hat der Senat bereits in dem vorstehend angeführten Urteil (aaO, zu B I 3 b bb der Gründe) richtiggestellt: Die in der Regel vorliegenden weiteren Belastungen (Betriebsablaufstörungen, Vorhaltekosten) ändern nichts an dem Grundsatz, daß dann, wenn sie fehlen, auch die Lohnfortzahlungskosten zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung werden können.

In diesem Zusammenhang ist zwischen der für den zweiten Prüfungsschritt erforderlichen aber auch ausreichenden Erheblichkeit und der für den dritten Prüfungsschritt der Interessenabwägung erforderlichen Unzumutbarkeit der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten zu unterscheiden. Erheblich und damit geeignet, einen Kündigungsgrund abzugeben, sind zu erwartende Lohnfortzahlungskosten bereits dann, wenn sie jeweils für mehr als sechs Wochen im Jahr aufzuwenden sind. Alle anderen Umstände wie die Höhe der diese Grenze überschreitenden Kosten und das Fehlen oder Hinzutreten von weiteren den Arbeitgeber belastenden Umständen wie Betriebsablaufstörungen sind im dritten Prüfungsabschnitt von Bedeutung. Erst im Rahmen der Interessenabwägung ist deshalb zu prüfen, ob allein die Belastung mit Lohnfortzahlungskosten für den Arbeitgeber zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen führt und die Kündigung deshalb sozial gerechtfertigt ist.

b) Gerade bei einer Kündigung wegen Krankheit ist allerdings erheblich, ob der Arbeitnehmer nicht auf einen anderen freien Arbeitsplatz umgesetzt werden kann, auf dem keine betrieblichen Beeinträchtigungen mehr zu erwarten sind (BAGE 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu III 3 a und b der Gründe). Besteht in diesen Fällen eine Umsetzungsmöglichkeit, so führt die Krankheit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, die Kündigung ist durch die Krankheit nicht bedingt. Die Umsetzungsmöglichkeit ist deshalb nicht erst im Rahmen der Interessenabwägung, sondern bereits in der zweiten Stufe noch beim Kündigungsgrund (erhebliche Beeinträchtigung) zu prüfen (vgl. Senatsurteile vom 9. April 1987, aaO, zu B IV 3 der Gründe sowie vom 2. November 1989 - 2 AZR 366/89 - nicht veröffentlicht, zu B IV 3 a und b der Gründe). Das Berufungsgericht hat diese Prüfung vorgenommen. Seine Würdigung, daß für den Kläger eine solche Umsetzungsmöglichkeit nicht bestanden habe, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet.

3. Gegen die Interessenabwägung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ebenfalls ohne Erfolg.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen die Lohnfortzahlungskosten "außergewöhnlich" bzw. "extrem" hoch sein, um allein die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar machen zu können (Senatsurteil vom 24. November 1983 - 2 AZR 347/82 - BAGE 44, 249 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 3 a der Gründe; ebenso BAGE 43, 129; 45, 146 = AP Nr. 10 und 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Im vorliegenden Fall waren nach der bindenden Feststellung des Berufungsgerichts im Zeitpunkt der Kündigung Lohnfortzahlungskosten für durchschnittlich 60 Arbeitstage im Jahr zu erwarten. Entgegen dem Vortrag der Revision ist das Berufungsgericht nicht lediglich für die Jahre 1986 und 1987 von Lohnfortzahlungskosten für mehr als sechs Wochen ausgegangen. Diese Grenze war nach dem unstreitigen Sachverhalt bereits seit dem Jahre 1982 überschritten worden. Das Berufungsgericht ist vielmehr im Hinblick auf die ständig steigende Tendenz der Fehlzeiten und den nahezu gleichbleibenden Anfall von 59 bzw. 61 Fehltagen in den letzten beiden Jahren zu der Feststellung gelangt, auch künftig seien Ausfallzeiten in dem zuletzt aufgetretenen Umfang zu erwarten. Wenn das Berufungsgericht den Sechs-Wochen-Zeitraum um das Doppelte überschreitende Lohnfortzahlungskosten als außerordentlich hoch angesehen hat, so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Würdigung hält sich vielmehr im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 118/89 - aaO, zu B II 3 d der Gründe) ist bei der Interessenabwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen des Arbeitnehmers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß ein solcher vom Arbeitnehmer behaupteter ursächlicher Zusammenhang nicht besteht. Die Feststellung der Ursächlichkeit oder Nichtursächlichkeit ist eine Beweisfrage, die in der Regel nur durch den behandelnden Arzt oder durch einen medizinischen Sachverständigen beantwortet werden kann. Bleibt sie auch danach ungeklärt, so geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.

aa) Das Berufungsgericht ist unter Verwertung des Vorbringens des Klägers und der eingeholten Sachverständigengutachten zu der Annahme gelangt, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Erkrankungen des Klägers auf betriebliche Umstände zurückzuführen seien; es sei lediglich nicht auszuschließen, daß die beim Kläger bestehende erhöhte Reizbarkeit des Bronchialsystems auch durch Staubluft am Arbeitsplatz ungünstig beeinflußt werde. Es unterscheidet somit zwischen der Ursächlichkeit betrieblicher Umstände für jene Grunddisposition des Klägers und der Beeinflussung dieses unabhängig von den betrieblichen Umständen bestehenden Zustandes durch die Staubluft am Arbeitsplatz.

bb) Eine Ursächlichkeit betrieblicher Umstände für die Grunddisposition des Klägers hat das Berufungsgericht verneint ("es kann nicht davon ausgegangen werden, daß .."). Insoweit hat es entgegen der Ansicht der Revision nicht die Beweislast verkannt, sondern eine tatsächliche Feststellung getroffen, die den Senat bindet, weil hiergegen keine Verfahrensrüge erhoben ist (§ 561 Abs. 2 ZPO).

cc) Nicht auszuschließen ist nach Meinung des Berufungsgerichts die nachteilige Beeinflussung der Grunddisposition des Klägers durch die Staubluft. Dies entspricht auch den in Bezug genommenen Ausführungen in dem fachinternistischen Gutachten. Danach muß von einer anhaltend erhöhten Reizbarkeit des Bronchialsystems gesprochen werden, die jedoch nur Krankheitswert gewinnt - d.h. zu Ausfallzeiten führt -, wenn zusätzliche Faktoren, darunter Stäube, hinzukommen und eine akute Behinderung verursachen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht nicht die Beweislast verkannt, sondern die Beeinflussung der Grunddisposition des Klägers durch Staubluft als möglich angesehen und diesen Umstand ebenfalls in seine Interessenabwägung einbezogen.

dd) Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher nur Fälle zu entscheiden, in denen streitig war, ob betriebliche Umstände die Erkrankung des Arbeitnehmers ausschließlich oder primär herbeigeführt hatten. Der Anteil der betrieblichen Verhältnisse an den akuten Ausfällen des Arbeitnehmers ist jedoch geringer, wenn dieser bereits eine negative gesundheitliche Disposition aufweist und ein betrieblicher Umstand nur als einer von mehreren zusätzlichen Faktoren für akute Erkrankungen in Betracht kommt. Deshalb ist diese vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung für die Interessenabwägung sachgerecht. Wenn es im konkreten Fall der Beeinflussung der beim Kläger bestehenden erhöhten Reizbarkeit des Bronchialsystems durch Staubluft am Arbeitsplatz bei der Berücksichtigung der Gesamtumstände keine zu Ungunsten der Beklagten ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, so hält sich dies ebenfalls im Rahmen des dem Tatrichter bei der Interessenabwägung zustehenden Beurteilungsspielraums.

c) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 118/89 -, aaO, zu B II 3 c der Gründe) hat das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten einen seit dem Jahre 1982 zu verzeichnenden und damit ganz überwiegend nicht störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses und das verhältnismäßig niedrige Lebensalter des Klägers sowie ferner - wenn auch unzutreffend bereits in der zweiten Prüfungsstufe - den Umstand berücksichtigt, daß die Ausfallquote der vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb durchschnittlich nur 25 Arbeitstage im Jahr betragen und sonach die Ausfallquote des Klägers um mehr als die Hälfte unterschritten hat. Damit ist es, entgegen der Ansicht der Revision, auch von dem Anfall entsprechend geringerer Lohnfortzahlungskosten für die vergleichbaren Arbeitnehmer ausgegangen. Als für den Kläger günstigen Umstand hat es die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit sowie seine Unterhaltspflichten gegenüber Frau, Kind und Mutter in seine Überlegungen einbezogen. Die Aussichten für die Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage im Arbeitsamtsbezirk günstig beurteilt. Auch die Gewichtung dieser Umstände hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

d) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - aaO, zu B I 3 b der Gründe) ist im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wenn er eine Personalreserve vorhält. Damit werden erhebliche Kosten aufgewandt, um eine bestimmte, auf Erfahrungswerten beruhende Fehlquote abzudecken. Diese Maßnahme stellt deshalb im Bereich der wirtschaftlichen Belastung des Betriebes einen zusätzlichen Umstand dar, der die Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann, ohne daß daneben noch Betriebsablaufstörungen oder weitere den Betrieb belastende Auswirkungen vorliegen müßten. Da das Vorhalten einer Personalreserve im Bereich der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten nur einen zu seinen Gunsten zu wertenden zusätzlichen Umstand darstellt, hat das Fehlen einer Personalreserve entgegen der Ansicht der Revision nicht bereits zur Folge, daß die Kündigung nicht allein auf diese wirtschaftliche Belastung gestützt werden könnte. Es liegt vielmehr im Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters, ob gleichwohl diese Belastung im Hinblick auf die Höhe der Kosten und sonstige betriebliche Beeinträchtigungen, zu denen auch die Freihaltung des Arbeitsplatzes über mehrere Jahre hinweg trotz nahezu von Anfang an aufgetretener erheblicher Fehlzeiten zählt (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - aaO, zu B I 3 b bb der Gründe), für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Auch wenn die Beklagte somit, wie ihr Informationsschreiben an den Betriebsrat vom 18. Februar 1988 nahelegt, jedenfalls im Arbeitsbereich des Klägers keine Personalreserve vorgehalten hat, konnte das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der übrigen Umstände zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangen, ohne den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum zu überschreiten.

III. Die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht mehr beanstandet. Der hauptsächliche Einwand des Klägers in der Berufungsinstanz, die Anhörung sei deshalb unwirksam, weil die Beklagte hinsichtlich der Auswirkungen der Fehlzeiten des Klägers auf den Betriebsablauf unrichtige Angaben gemacht habe, ist unbegründet. Eine objektiv unrichtige oder unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats hinsichtlich einzelner Kündigungsgründe berührt nicht die Wirksamkeit des Anhörungsverfahrens insgesamt, wenn für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers mehrere Gründe maßgebend gewesen sind (BAGE 59, 295, 306 = AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 3 b bb der Gründe). Von einer bewußt unrichtigen Information des Betriebsrats über Betriebsablaufstörungen kann aber nach den ungerügt gebliebenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Ascheid

Rupprecht Dr. Roeckl

 

Fundstellen

Haufe-Index 437544

BB 1990, 2265

BB 1990, 2265-2266 (LT1)

DB 1990, 2274 (LT1)

EBE/BAG 1990, 164-168 (LT1)

BetrVG, (25) (LT1)

DOK 1991, 453 (K)

EEK, II/195 (ST1-5)

NZA 1991, 185-188 (LT1)

RdA 1990, 320

USK, 9029 (LT1)

WzS 1991, 124 (K)

AP § 1 KSchG 1969 Krankheit (LT1), Nr 26

EzA § 1 KSchG Krankheit, Nr 32 (LT1)

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