Das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers kann eine Kündigung im Regelfall nicht begründen, da die betriebliche Sphäre und das private Leben des Arbeitnehmers grundsätzlich streng voneinander zu trennen sind.[1]

In Ausnahmefällen kann das außerdienstliche Verhalten jedoch die betriebliche Sphäre konkret beeinträchtigen und eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen, wenn es zu einer Beeinträchtigung oder zumindest zu einer konkreten Gefährdung des Betriebsfriedens oder des Vertrauensbereichs führt[2]:

  • Ein sogenannter lockerer oder unsittlicher Lebenswandel stellt in der Regel keinen Kündigungsgrund dar. Auch ein intimes Verhältnis zwischen volljährigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eines Betriebs berechtigt nicht zur Kündigung. Denn der Arbeitgeber ist nicht Sittenwächter des Arbeitnehmers.
  • Ein intimes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Auszubildenden oder jugendlichen Mitarbeitern kann jedoch eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Vorgesetzten rechtfertigen.
  • Auch strafbare Handlungen im außerdienstlichen Bereich, die das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigen (beispielsweise außerdienstliche Vermögensdelikte eines Kassierers, Verkehrsdelikte eines Berufskraftfahrers oder Sittlichkeitsdelikte eines Ausbilders oder Lehrers[3]), berechtigen zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses; ebenso kann der Drogenkonsum außerhalb der Arbeitszeit die Kündigung eines Berufskraftfahrers rechtfertigen.[4]
  • Im öffentlichen Dienst sind hier Kündigungen eher zu rechtfertigen, weil an die öffentlich Bediensteten strengere Maßstäbe anzulegen sind.[5]
  • In Tendenzbetrieben gelten Besonderheiten. Hier ist die Befugnis des Arbeitgebers zur Kündigung derjenigen, die die Tendenz prägen, mitgestalten und nach außen repräsentieren (Tendenzträger), eher anzuerkennen.[6]

Die Kirchen bestimmen dabei wegen ihrer verfassungsrechtlichen Autonomie (Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV) selbst, welche kirchlichen Grundverpflichtungen für das Arbeitsverhältnis entscheidend wichtig sind[7], was also die "Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind und was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als schwerer Verstoß in diesem Sinne zu betrachten ist. Dies ist auch durch § 9 AGG gedeckt.

Damit liegt z. B. ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund (ohne Abmahnungserfordernis) vor, wenn die Leiterin eines katholischen Kindergartens einen geschiedenen Mann heiratet.[8] Gleiches gilt bei Ehebruch[9], Wiederheirat nach Scheidung[10], Werbung für eine andere Glaubensgemeinschaft.[11] Dabei hat das Gericht eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen, bei der auch berücksichtigt werden muss, ob der Arbeitnehmer wegen seiner spezifischen Qualifikation die Möglichkeit hat, auch bei einem anderen Arbeitgeber eine Arbeitsstelle zu finden.[12]

Die Rechtsprechung des BAG steht teilweise im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH. Der EuGH hält die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung nach Ehescheidung für vermutlich nicht gerechtfertigt. Zwar könne die Religion eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung für die konkrete berufliche Tätigkeit sein. Die Beachtung der katholischen Ehegrundsätze sei jedoch wohl keine derartige berufliche Anforderung, da auch nicht-katholische Chefärzte beschäftigt würden. Das BAG müsse diese Grundsätze bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Das BAG stellte daraufhin die Unwirksamkeit der Kündigung fest.[13]

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