Rz. 41

Von dem absoluten Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 werden alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers erfasst. Hierzu zählen ordentliche, außerordentliche, fristlose sowie mit einer Auslauffrist versehene außerordentliche Beendigungskündigungen. Auch Änderungskündigungen unterfallen dem Anwendungsbereich des § 17 und sind daher untersagt.[1] Zwar strebt der Arbeitgeber damit die Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen an, die Änderungskündigung hat aber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Folge, wenn die Arbeitnehmerin der Änderung der Arbeitsbedingungen nicht zustimmt oder diese nicht unter Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annimmt.

 
Hinweis

Stimmt eine schwangere Arbeitnehmerin der Einführung von Kurzarbeit nicht zu, so scheidet ihr gegenüber im Regelfall der Ausspruch einer Änderungskündigung zur Herbeiführung von Kurzarbeit aus, da das behördliche Genehmigungsverfahren keine zeitnahe Lösung herbeiführt.

Zulässig bleibt aber auch gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin die Einführung von Kurzarbeit auf kollektiver Grundlage, d. h. über eine mit dem Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit. Hiervon kann auch eine schwangere Arbeitnehmerin mit Sonderkündigungsschutz erfasst werden. In einem solchen Fall liegt kein Kündigungstatbestand vor, der den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stellt.[2]

Wird eine Frau auf der Grundlage kollektivrechtlicher Regelungen versetzt, so greift § 17 nicht ein, da der Bestand des Arbeitsverhältnisses an sich unberührt bleibt.[3]

Der Kündigungsgrund ist unerheblich, daher unterfallen auch Kündigungen im Rahmen von Massenentlassungen[4], Betriebsstilllegung oder Insolvenz[5] sowie eine die Kündigung vor Aufnahme der Beschäftigung[6] dem Kündigungsverbot.

 

Rz. 42

In Bezug auf die vom Verbot erfassten Selbstständigen (vgl. Rz. 10) hat der EuGH[7] entschieden, dass Art. 10 der Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EG einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung zulässig ist, wenn eine "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne dieser RL betroffen ist und die ihr gegenüber ergangene Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf ihrer Schwangerschaft beruht. Selbst dann, wenn die Frau keine Arbeitnehmerin in diesem Sinne sein sollte, stellt ihre Abberufung wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar und verstößt daher gegen Art. 14 I lit. c RL 2006/54/EG. Der Wortlaut des § 17 bezieht sich nach wie vor nur auf die "Kündigung" und untersagt damit sicher die Beendigung des der gesellschaftsrechtlichen Bestellung zugrundeliegenden Dienstvertrags. Gleichwohl ist aufgrund der obigen Rechtsprechung auch die gesellschaftsrechtliche Abberufung unzulässig, soweit sie auf der Schwangerschaft beruht.[8] Insoweit sind die gesellschaftsrechtlichen Befugnisse, etwa aus § 38 Abs. 1 GmbHG, unionsrechtskonform einschränkend auszulegen.[9]

Dagegen bleibt ein Widerruf der Bestellung zulässig, wenn er aus einem Grund erfolgt, der nicht mit dem Zustand der Geschäftsführerin in der Schwangerschaft, nach der Entbindung oder nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche in Zusammenhang steht. Einer behördlichen Erlaubnis bedarf es in diesen Fällen nicht, da die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 2 als nicht geboten angesehen wird.[10]

[1] BAG, Urteil v. 7.4.1970, 2 AZR 201/69, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 3.
[2] BAG, Urteil v. 7.4.1970, 2 AZR 201/69, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 3.
[4] Brose/Weth/Volk/Volk, § 17 MuSchG, Rz. 94.
[6] BAG, Urteil v. 27.2.2020, 2 AZR 498/19, NJW 2020, 1986; vgl. Rz. 9.
[8] Vgl. hierzu APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 76-81.
[9] Oberthür, NZA 2011, 253; Kruse/Stenslik NZA 2013, 596; VG Darmstadt, Urteil v. 26.3.2012, 5 K 1830/11.
[10] APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 80.

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