Rz. 12

§ 17 Abs. 1 gewährt der Arbeitnehmerin Kündigungsschutz während der Schwangerschaft. Dabei muss die Schwangerschaft objektiv bestehen. Die irrtümliche Annahme, schwanger zu sein, begründet keinen Kündigungsschutz, andererseits lässt die Unkenntnis der Frau von der Schwangerschaft den Kündigungsschutz nicht entfallen.[1] Der Begriff Schwangerschaft beschreibt aus medizinischer Sicht den Zeitraum von der Befruchtung der Eizelle über die Entwicklung des ungeborenen Kindes bis zur Geburt. Eine Schwangerschaft dauert normalerweise 267 Tage, bei Hinzurechnung der Zeit vom Beginn der letzten Menstruation bis zur Befruchtung ergeben sich durchschnittlich 280 Tage oder 40 Wochen. Eine Schwangerschaft liegt ab der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter (Nidation) vor.[2] Davon abweichend wird der Beginn der Schwangerschaft in juristischer Sicht zur Begründung des Kündigungsschutzes nach § 17 definiert. Nach der heftig kritisierten Auffassung des BAG wird der Beginn der Schwangerschaft durch Rückrechnung um 280 Tage von dem ärztlich errechneten voraussichtlichen Entbindungstermin[3] ermittelt.

Auch eine Bauchhöhlenschwangerschaft oder eine sonstige extrauterine Gravidität begründen den Kündigungsschutz.[4]

Das Vorhandensein in-vitro befruchteter Eizellen, die noch nicht in die Gebärmutter eingesetzt worden sind, ist noch nicht als "Schwangerschaft" anzusehen[5] und löst kein Kündigungsverbot aus. Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot nach Auffassung des BAG[6] aber bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sog. Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation). Nicht entschieden hat das BAG aber die Frage, ob durch den Embryonentransfer der Beginn des besonderen Kündigungsschutzes lediglich für den Fall bestimmt wird, dass es in der Folge zu einer Nidation kommt, oder ob der besondere Kündigungsschutz mit der Einsetzung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter "unbedingt", also in jedem Fall, einsetzt und – ohne Nachwirkung – wieder endet, wenn eine Einnistung ausbleibt.[7]

Die Kündigung kann in diesem Fall zusätzlich gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. §§ 1, 3 AGG verstoßen. Der EuGH[8] hat entschieden, dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen kann, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen wird, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen hat. Kündigt der Arbeitgeber, der von einer bevorstehenden In-Vitro-Fertilisation erfahren hat, kann die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 3 AGG nichtig sein. Dabei wirkt sich auch in diesem Fall die Beweislastregel des § 22 AGG auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Es genügt, wenn die Arbeitnehmerin Indizien vorträgt und im Streitfall beweist, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Ist dies der Fall, muss der Arbeitgeber das Gegenteil beweisen.[9]

Eine Kündigung eines Arbeitgebers, der von einer geplanten In-Vitro-Fertilisation erfährt, kann daher bereits vor Durchführung des Embryonentransfers nach § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG unwirksam sein.

Keinen Kündigungsschutz nach § 17 erwirbt eine Frau, die ein Kind von einer anderen austragen lässt ("Bestellmutter"), da sie mit diesem Kind nicht schwanger war.[10]

 

Rz. 13

Für die Wirksamkeit der Kündigung ist der Zeitpunkt ihres Zugangs entscheidend. Der Arbeitgeber trägt das Risiko eines verzögerten Zugangs der Kündigung, im Falle einer treuwidrigen Zugangsvereitelung durch die Arbeitnehmerin ist die Berufung auf den späteren Zugangstermin dagegen treuwidrig.[11]

Der Kündigungsschutz besteht daher auch dann, wenn die Frau bei Abgabe der Kündigungserklärung noch nicht schwanger war, dieser Zustand beim Zugang aber eingetreten ist.[12]

Der Arbeitgeber kann die Kündigung nicht bereits während der laufenden Schutzfrist zu deren Ende aussprechen. Die Frau kann sich dagegen nicht auf § 17 berufen, wenn sie erst nach Zugang der Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist schwanger wird.[13]

 

Rz. 14

Auf Verlangen des Arbeitgebers muss die Frau die Schwangerschaft nachweisen, hierfür schreibt § 17 aber keine bestimmte Form vor. Dabei bietet sich aber ein Nachweis durch eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 MuSchG an, deren Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat.

 

Rz. 15

Der Beginn der Schwangerschaft lässt sich oft nur schwer feststellen. Aus Gründen der Rechtsklarheit wendet die Rechtsprechung eine Wahrscheinlichkeitsberechnung an. Dabei ist das BAG[14] hinsichtlich des Beginns der Schwangerschaft sehr großzügig und stellt die unwiderlegbare Vermutung auf, dass dieser 280 Tage vor dem ärztlich errechneten Tag der Niederkunft liege.

Zur Ermittlung des Beginns des Kündigungsschutzes werden von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Tag der Niederkunft...

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