Rz. 14

Die Norm enthält Übergangsvorschriften, die jeweils aus Anlass verschiedener gesetzgeberischer Änderungsaktivitäten der materiell-rechtlichen Vorschriften normbegleitend vom Gesetzgeber selbst für erforderlich erachtet wurden. Das übergangslose Inkrafttreten materiell-rechtlicher Vorschriften, wie es z. B. mit Inkrafttreten der Änderungsnormen durch Art. 14 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) v. 9.12.2010[1] mit Wirkung v. 1.1.2011 vollzogen wurde, ist die Ausnahme[2] geblieben. Solche übergangslosen Änderungen materiell-rechtlicher Vorschriften, gerade auch zum Nachteil der Betroffenen, bergen immer wieder Konfliktpotenzial in sich, da die Verwaltung zur Herstellung gesetzeskonformer Zustände gezwungen ist, in laufende und bereits mit Bescheiden festgesetzte Leistungsverhältnisse nachträglich mit Wirkung für die Zukunft einzugreifen (§ 48 SGB X). In diesen, wie z. B. in den durch Art. 14 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 v. 9.12.2010 hervorgerufenen, Fällen werden verfassungsrechtliche Fragen des Rückwirkungsverbotes und des allgemeinen Gleichheitssatzes virulent.[3]

 

Rz. 15

Die Vorschrift enthält, gängiger Praxis im BErzGG entsprechend, zahlreiche Stichtagsregelungen, die eindeutig sind, weil sie an das Geburtsdatum des Kindes anknüpfen. Diese bewährte Praxis wurde bereits mit § 27 Abs. 1 BEEG in der vom 1.1.2007 bis zum 17.9.2012 geltenden Fassung fortgeführt. Diese eindeutige und klare Stichtagsregelung stellte sicher, dass für alle Kinder, die vor dem 1.1.2007 geboren oder zur Adoptionspflege in den Haushalt aufgenommen worden sind, weiterhin die das Erziehungsgeld betreffenden Vorschriften des 1. Abschnitts (§§ 1-14 BErzGG) und die Übergangs- und Schlussvorschriften des 3. Abschnitts (§§ 22-24 BErzGG) des Bundeserziehungsgeldgesetzes anzuwenden waren[4]; und zwar auch dann, wenn der Zeitraum der Gewährung von Erziehungsgeld über den Stichtag hinausreichte oder erst nach diesem Stichtag ein Erst- oder Zweitantrag gestellt wurde. Zu beachten war dabei auch, dass wegen der Rückwirkung eines gestellten (Zweit-) Antrags auf Erziehungsgeld (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BErzGG) der Anwendungsbereich nicht mit dem 31.12.2008 endete.[5] Umgekehrt und folgerichtig regelte § 24 Abs. 4 BErzGG in der Fassung von Art. 2 Abs. 8 BEEG-Einführungsgesetz, dass für die nach dem 31.12.2006 geborenen oder mit dem Ziel der Adoption in den Haushalt aufgenommenen Kinder ausschließlich die Vorschriften des BEEG galten.[6] Mit der Stichtagsregelung wurde bewirkt, dass rückwirkend kein neues Recht auf zum 1.1.2007 abgeschlossene Sachverhalte angewendet wurde. Ein Anspruch auf Elterngeld war vielmehr, wie § 27 Abs. 1 Halbsatz 2 BEEG a. F. klarstellend normierte, für bis zum 31.12.2006 geborene oder zur Adoptionspflege in den Haushalt aufgenommene Kinder ausgeschlossen. Es handelte sich somit bei dem BEEG-Einführungsgesetz um ein Gesetz mit unechter Rückwirkung (sog. tatbestandliche Rückanknüpfung), also ein Gesetz, das auf im Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkte und zugleich die betroffene Rechtsposition (teilweise) entwertete.

 

Rz. 16

Diese Wirkungen entfalteten im Grunde auch die Stichtagsregelungen des § 27 Abs. 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung, des § 27 (bzw. § 28) Abs. 1 BEEG in der bis zum 31.8.2021 geltenden Fassung, des § 27 Abs. 1a BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung, des § 27 Abs. 3 BEEG in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung und des § 28 Abs. 1a BEEG in der ab dem 1.4.2024 geltenden Fassung in ähnlicher Weise, weshalb zur verfassungsrechtlichen Bewertung an die zu § 27 Abs. 1 BEEG in der bis zum 17.9.2012 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden kann. Denn auch diese Übergangs- und Stichtagsregelungen in § 27 Abs. 1 und 3 BEEG erfassten in der Vergangenheit begonnene und in die Zukunft einwirkende Lebenssachverhalte, die betroffene Rechtspositionen einer anderen Regelung zuführten und sich im Einzelfall für den Betroffenen als nachteilig auswirken konnten. Stichtagsregelungen bewirken, dass die Betroffenen nicht abrupt neuem Recht unterworfen werden und folgen damit dem Grundsatz, neues Recht nur auf neue Fälle anzuwenden (Leistungsfallprinzip). Dieses Prinzip führt i. d. R. selbst dann nicht zu verfassungswidrigen Härten, wenn der Eintritt des Leistungsfalls durch das Verhalten der Betroffenen nicht beeinflusst werden kann und die Betroffenen von lebenslangen Dauerleistungen ausgeschlossen werden.[7] Zudem entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass es dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt ist, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidbar gewisse Härten mit sich bringt, und dass Stichtagsregelungen zur Vermeidung eines ansonsten zu erwartenden Verwaltungsmehraufwandes gerechtfertigt sein können.[8] Voraussetzung für die verfassungsrechtli...

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