Rz. 10

§ 12 Abs. 2 verpflichtet die von den Ländern als zuständig bestimmten Stellen, "auch" über Elternzeit zu beraten. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass nicht allein über die Elternzeit nach §§ 15 f., sondern erst recht über die Leistungen nach §§ 1-6 BEEG (Elterngeld, Elterngeld Plus, Partnerschaftsbonus) zu beraten ist. Die Beratungspflicht hinsichtlich dieser Leistungen ergibt sich aber bereits aus § 14 Abs. 1 SGB I; sie musste deshalb nicht besonders betont werden.[1] Sie erstreckt sich auf die Beratung über die Anspruchsberechtigung, die Höhe und Dauer sowie über gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten beim Bezug von Elterngeld.

 

Rz. 11

Daneben ermächtigt und verpflichtet die Vorschrift die zuständigen Elterngeldstellen, auch über die Elternzeit (§§ 15 f. BEEG) zu beraten. Da die Inanspruchnahme der Elternzeit die arbeitsvertraglichen Beziehungen betrifft, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Behörden nach dem BEEG nur die Sozialleistungen nach dem BEEG verwalten. Über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Elternzeit sollen die Behörden Ratsuchende zumindest beraten. Die Beratungspflicht der nach § 12 Abs. 1 zuständigen Stellen steht neben einer nebenvertraglichen Beratungspflicht des Arbeitgebers oder der Betriebsvertretung zu den arbeitsrechtlichen Fragen der Elternzeit und ergänzt diese. Dagegen sind der Arbeitgeber und die Beschäftigtenvertretung nicht zur Beratung über Elterngeld berufen.

 

Rz. 12

Zur Vermeidung von Verständnisproblemen kann der Berechtigte die zuständige Behörde um Beratung ersuchen. Erhält z. B. ein Berechtigter einen Bescheid, muss er sich, wenn er die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, Klarheit über dessen Inhalt verschaffen. Nach § 19 Abs. 1 SGB X hat ein Berechtigter keinen Anspruch auf Abfassung der an ihn gerichteten Schreiben in einer anderen als der deutschen Sprache. Zur Klärung des Inhalts eines Schreibens oder eines Bescheids besteht allerdings die Möglichkeit, eine Beratung i. S. d. §§ 12 Abs. 1 Satz 2, 14 SGB I in Anspruch zu nehmen und sich so Kenntnis über den Inhalt zu verschaffen. Die zuständige Behörde kann das Beratungsgespräch ggf. mithilfe eines Dolmetschers führen. Verschaffen sich sprachunkundige Berechtigte keine Kenntnis vom Inhalt eines Verwaltungsakts, liegt eine grob fahrlässige Verletzung von Mitwirkungspflichten vor.[2]

 

Rz. 13

Haben Berechtigte aufgrund einer Falschberatung den Antrag auf Elterngeld nicht fristgerecht gestellt, können sie einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch haben. Das BSG hat entschieden,[3] dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dazu führen kann, dass eine Berechtigte so zu behandeln ist, als habe sie den Antrag so gestellt, als wäre sie fehlerfrei beraten worden. Der Antrag gilt also als rechtzeitig gestellt.[4] Der Herstellungsanspruch kann nicht nur die Versäumung einer Antragsfrist beseitigen. Auch andere Gestaltungsmöglichkeiten, die der Berechtigte aufgrund einer Falschberatung nicht genutzt hat, können "hergestellt" werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Berechtigte um Beratung zu der konkreten, nun problematischen Rechtsfrage gebeten hat oder sich der zuständigen Behörde aufgrund des Beratungsersuchens hätte aufdrängen müssen, dass der/die Berechtigte Beratung benötigt. Erfolgt die Beratung nicht oder in inhaltlich unzutreffender Weise, kommt ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht (z. B. die Rückwirkung der Antragsfrist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG).

 

Rz. 14

 
Wichtig

Fehlberatung kann Herstellungsanspruch nur bei Elterngeld begründen

Eine objektiv fehlerhafte Beratung der zuständigen Behörde kann in Bezug auf das Elterngeld einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen. Für die Elternzeit kommt kein Herstellungsanspruch in Betracht, da dieser nicht nur soziale Rechte betrifft, sondern eine Fehlberatung zu arbeitsrechtlichen Nachteilen führt. In Bezug auf die Elternzeit kommt aber ggf. ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB) in Betracht.

 

Rz. 15

Besteht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, hat dies zur Folge, dass der Berechtigte so zu stellen ist, als wäre er nicht falsch beraten worden. Es ist zu prüfen, ob der Berechtigte ohne den Beratungsfehler seinen Antrag früher gestellt oder auf andere Zeiträume bezogen oder sonst seine Rechte auf andere Weise ausgeübt hätte. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob ein Zustand wie nach rechtmäßiger Beratung "herstellbar" ist. Das ist nach der Rechtsprechung nur der Fall, wenn für den Anspruch eine fehlende rechtliche Voraussetzung zu fingieren ist. Tatsächliche Verhältnisse, die dem Anspruch entgegenstehen, können nicht "hergestellt" werden. Deshalb kann der Zeitpunkt der Antragstellung verändert werden. Hat aber z. B. der Vater das Kind betreut, weil er nach falscher Beratung meinte, den höheren Anspruch auf Elterngeld zu haben, kann nicht im Nachhinein die Rechtslage hergestellt werden, als habe die Mutter das Kind betreut.

 

Rz. 16

Eine Fristversäumnis kann auch im Wege der Wiedereinsetzung in den vor...

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