Rz. 38

Der Gesetzgeber macht nicht nur die Betreuung und Erziehung des Kindes durch den Berechtigten zur Voraussetzung[1], sondern verengt den anspruchsberechtigten Personenkreis, indem er das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft[2] mit dem Kind fordert. Der Begriff des Haushalts wird im BEEG nicht definiert.[3] Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Haushalt eine durch familienhaftes Zusammenleben geprägte Gemeinschaft. Verlangt wird eine häusliche, wohnungsmäßige und familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung im Rahmen einer auf eine gewisse Dauer angelegten Hausgemeinschaft. Zwar müssen die Kosten der Haushaltsführung nicht selbst erwirtschaftet werden, zu fordern ist hingegen eine eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung. Zusammenfassend ist Haushalt eine Familiengemeinschaft, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Fürsorge und Zuwendung) darstellt, wobei sich diese 3 Merkmale überschneiden können, keines davon jedoch gänzlich fehlen darf.[4] Einer polizeilichen Meldung kommt dabei nicht mehr als eine Indizwirkung zu.[5]

 

Rz. 39

Die Haushaltsgemeinschaft muss nicht exklusiv zwischen Berechtigtem und Kind bestehen. Das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft mit weiteren Personen ist unschädlich. Demzufolge steht der Annahme einer häuslichen Gemeinschaft nicht entgegen, dass der Anspruchsberechtigte keinen eigenen Haushalt hat oder dass Wohnsitz und Haushalt, in dem das Kind betreut wird, nicht identisch sind. So kann die Haushaltsgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind auch in einer Einrichtung für Mutter und Kind oder in einem Frauenhaus bestehen.[6] Wird das gemeinsame Zusammenleben unterbrochen, stellt dies das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft nicht infrage, sofern die Unterbrechung nur vorübergehender Natur ist; ausschlaggebend ist insoweit, ob trotz vorübergehender Unterbrechung ein "ortsbezogener Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen" verbleibt oder "in absehbarer Zeit" wieder hergestellt wird.[7]

 
Praxis-Beispiel

Keine Unterbrechung der Hausgemeinschaft durch Dienstreisen

M und F möchten für ihr Kind K zu gleichen Teilen Elterngeld in Anspruch nehmen. M, der sich vom 7. bis 14. Lebensmonat des K um dessen Betreuung und Erziehung kümmern möchte, reduziert seine Erwerbstätigkeit auf einen Umfang von weniger als 30 Wochenstunden. Durch seine berufliche Tätigkeit veranlasst, muss M sich einmal wöchentlich für 2 Tage auf Dienstreise begeben und kehrt an diesen Tagen nicht nach Hause zurück. Hat er dennoch einen Anspruch auf Elterngeld?

Lösung

Besonderes Augenmerk ist hier auf die Frage nach dem Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu richten. Durch die Dienstreisen des M wird die Haushaltsgemeinschaft zwischen ihm und K kontinuierlich unterbrochen. Gleichwohl wird man bei der Kürze der Unterbrechung von einem Fortbestehen eines ortsbezogenen Lebensmittelpunkts und damit von einer nur vorübergehenden Unterbrechung der Haushaltsgemeinschaft ausgehen können. Eine nur vorübergehende Unterbrechung ist z. B. auch bei Urlauben und Krankenhausaufenthalten anzunehmen. M hat demzufolge einen Anspruch auf Elterngeld.

 

Rz. 40

Da es in einer Justizvollzugsanstalt an einem familienhaften Zusammenleben der dort lebenden und arbeitenden Menschen (Insassen, Wachpersonal) fehlt, hat das BSG den Elterngeldanspruch einer Klägerin verneint, die im geschlossenen Vollzug mit ihrem Sohn innerhalb einer Mutter-Kind-Einrichtung der JVA zusammenlebte.[8] Ob bei Unterbringung eines Elternteils im offenen Strafvollzug nach § 10 Abs. 1 StVollzG oder im gelockerten Vollzug nach § 11 StVollzG ein Haushalt i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 anzunehmen ist, hat das BSG ausdrücklich offengelassen.[9] Untersuchungshaft soll einem Anspruch auf Elterngeld unter dem Aspekt des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht entgegenstehen, da der ursprüngliche Haushalt aufrechterhalten wird.[10]

 

Rz. 41

Im Unterschied zur Vorgängerregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BErzGG ist nicht mehr erforderlich, dass dem Berechtigten die Personensorge für das Kind zusteht, mit dem er in Haushaltsgemeinschaft lebt. Die Personensorge stellt einen Aspekt des Sorgerechts (§ 1626 BGB) dar, zu dem im Übrigen noch die Vermögenssorge zählt. I. d. R. wird bei einem gemeinsamen Zusammenleben von der Ausübung der Personensorge durch den Berechtigten auszugehen sein.[11] Fällt dem Berechtigten die Personensorge zu, wird hierdurch jedenfalls die Betreuung und Erziehung[12] des Kindes durch diesen indiziert.[13]

[1] Dazu sogleich unter Rz. 42 f.
[2] Zum Begriff der Haushaltsaufnahme s. Rz. 77.
[5] Vgl. auch BMFSFJ, Richtlinien zum BEEG, 08/2023, Teil I, S. 11 f.
[6] BMFSFJ, Richtlinien zum BEEG, 0...

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