Da das Betriebsverfassungsgesetz zwischen dem vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe mit in der Regel zwischen 5 und 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern und dem regulären Wahlverfahren für die Betriebe mit regelmäßig mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern[1] unterscheidet[2], muss die anzuwendende Variante des Wahlverfahrens möglichst frühzeitig festgestellt werden. Bei der Feststellung der Grenzwerte kommt es auf die Zahl der nach § 7 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmer an[3]; maßgeblich ist die Zahl der "in der Regel" beschäftigten Wahlberechtigten.

Der Begriff "in der Regel" geht von einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl des Betriebs aus und nicht nur von einer vorübergehenden Zahl. Hierbei ist sowohl ein Rückblick in die Vergangenheit als auch eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung vorzunehmen. Dabei kommt es auf den im größten Teil des Jahres bestehenden Zustand an. Bei der Berechnung der "in der Regel" Beschäftigten sind Teilzeitbeschäftigte voll mitzuzählen. Auch Aushilfskräfte sind mitzuzählen, wenn und soweit mehrere von ihnen – nicht notwendig konstant dieselben Personen – regelmäßig beschäftigt werden; die Rechtsprechung geht dann davon aus, dass mehrere Aushilfen, die in einer Folge quasi einen durchgehenden Arbeitsplatz einnehmen, insgesamt als ein Arbeitnehmer gezählt werden, es wird also m. a. W. der von den Aushilfen besetzte Arbeitsplatz gezählt, nicht die reale Zahl der Aushilfen. Auch soweit Aushilfen für Mitarbeiter eingesetzt werden, die ihren Wehrdienst oder Zivildienst ableisten oder sich in Elternzeit oder Mutterschutz befinden, findet keine Doppelzählung von Aushilfe und ausfallendem Mitarbeiter statt; in diesem Fall zählt regelmäßig nur die Aushilfe.

Das Wahlverfahren kann bereits die Bestellung des Wahlvorstands beeinflussen. Daher sind zwei Fälle zu unterscheiden: der Betrieb, in dem bereits ein Betriebsrat besteht, und der Betrieb, in dem erstmals ein Betriebsrat gewählt wird.

[1] Die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer als Anwendungsvoraussetzung für das vereinfachte Wahlverfahren ist mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz (Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt vom 14.6.2021, in Kraft seit 18.6.2021, BGBl. I S. 1762) von 5 bis 50 auf 5 bis 100 angehoben worden.
[2] Zugleich gibt es die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Wahlvorstand das vereinfachte Wahlverfahren in Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern vereinbaren, § 14a Abs. 5 BetrVG. Siehe auch Ziff. 3.2.
[3] Vgl. hierzu § 7 BetrVG.

3.1.1 Wahl in Betrieben mit bestehendem Betriebsrat

Bestand in einem Betrieb bereits ein Betriebsrat, so hat dieser den Wahlvorstand für die Neuwahlen zu bestellen. Da in § 17a Nr. 1 und 2 BetrVG bereits die Fristen zur Bestellung des Wahlvorstands für die vereinfachte Wahl modifiziert werden, muss sich schon der bestehende (Alt-)Betriebsrat frühzeitig Gedanken darüber machen, ob der Betrieb im vereinfachten Wahlverfahren wählen wird oder nicht. Bestehen Zweifel, weil die Zahl der in der Regel wahlberechtigten Arbeitnehmer um den Schwellenwert von fünfzig liegt, sollte tunlichst die 10-Wochen-Frist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eingehalten werden, auch wenn sich die Frist bei Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens auf vier Wochen verkürzen würde (§ 17a Nr. 1 BetrVG).

Der eingesetzte Wahlvorstand leitet die Wahl unverzüglich ein, indem er zunächst die Wählerliste aufstellt. Als nächster Schritt folgt der Erlass des Wahlausschreibens (dazu weiter unten). Zu diesem Zeitpunkt muss – wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung des Wahlausschreibens je nach Wahlverfahren – festgesetzt werden, ob regulär oder nach vereinfachtem Wahlverfahren gewählt wird. Diese Entscheidung fällt also der Wahlvorstand auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt gesicherten Erkenntnisse über die Zahl der in der Regel Wahlberechtigten. Entscheidender Zeitpunkt ist der Erlass des Wahlausschreibens. Auch wenn sich später herausstellt, dass sich die Zahl ändert, hat dies keinen Einfluss mehr auf das eingeschlagene Wahlverfahren.

 
Praxis-Beispiel
  1. Zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Wahlausschreibens nach Aufstellung der Wählerliste sind im Betrieb in der Regel 98 Arbeitnehmer beschäftigt. Noch vor dem Wahltag werden im Betrieb drei neue dauerhafte Stellen geschaffen und mit neuen Arbeitnehmern besetzt. Der Arbeitgeber hat das schon vor Erlass des Wahlausschreibens geplant. Damit steigt die Zahl der regelmäßig Beschäftigten auf 101, die Betriebsratswahl ist in diesem Fall im regulären Wahlverfahren durchzuführen.
  2. Zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Wahlausschreibens nach Aufstellung der Wählerliste sind im Betrieb in der Regel 102 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Betriebsrat hat Kenntnis davon, dass innerhalb der nächsten Tage – jedenfalls vor dem Wahltag – 5 Mitarbeiter ausscheiden wollen, es ist nicht absehbar, dass der Arbeitgeber diese Stellen nicht wiederbesetzen will. Der Wahlvorstand muss auch künftig von 102 Arbeitnehmern ausgehen und hat – soweit keine Vereinbarung m...

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