Rz. 119

Nach § 164 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen diese Pflichten begründet ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zwar bei Einstellungen, nicht aber bei Versetzungen (BAG, Beschluss v. 17.6.2008, 1 ABR 20/07; BAG, Beschluss v. 17.6.2008, 1 ABR 20/07). Zwar verstößt die Einstellung eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers als solche nicht gegen ein Beschäftigungsverbot. Die Einstellung eines nicht schwerbehinderten Arbeitslosen stellt sich aber als potenzielle Benachteiligung der Gruppe arbeitsloser schwerbehinderter Menschen und kann damit das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. § 1 AGG verletzen. Die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit ist geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu begründen.

Nach Auffassung des BAG (BAG, Beschluss v. 23.6.2010, 7 ABR 3/09[1]) besteht die in § 164 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX normierte Prüf- und Konsultationspflicht des Arbeitgebers auch dann, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen. Der Leiharbeitnehmer werde zwar im Regelfall von dem Verleiher dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, ohne dass dieser selbst eine Auswahlentscheidung treffe, es sei jedoch möglich, dass der Arbeitgeber nach einer § 164 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX entsprechenden Prüfung von der zunächst beabsichtigten Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer Abstand nehme und stattdessen einen geeigneten schwerbehinderten Bewerber selbst einstelle. Die Auffassung des BAG ist praxisfremd und daher abzulehnen. Indem das BAG die rein theoretische Möglichkeit, der Arbeitgeber könnte es sich eventuell doch noch anders überlegen und statt einen Leiharbeitnehmer einzusetzen, einen schwerbehinderten Menschen einstellen, ausreichen lässt, ignoriert es ohne jede Begründung die bereits getroffene unternehmerische Entscheidung. Der Arbeitgeber ist nach Durchführung des Prüf- und Konsultationsverfahrens aber nicht verpflichtet, einen schwerbehinderten Menschen einzustellen. Ebenso wenig hat er darauf hinzuwirken, dass ihm der Verleiher einen schwerbehinderten Leiharbeitnehmer zur Verfügung stellt.

 

Rz. 119a

Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die Neubesetzung eines freien Arbeitsplatzes im Wege einer betriebs- oder unternehmensinternen Versetzung. Die schwerbehinderten Menschen konkurrieren hier nicht mit anderen, nicht schwerbehinderten externen Bewerbern, sondern sind wie diese zugunsten schon beschäftigter Arbeitnehmer von der Stellenbesetzung ausgeschlossen. Der zu vermutende Grund für ihre Nichtberücksichtigung liegt hier nicht in der Schwerbehinderteneigenschaft, sondern in dem Umstand, dass der versetzte Arbeitnehmer bereits beim Arbeitgeber beschäftigt ist und dieser die Versetzung einer Neueinstellung vorzieht (BAG, Beschluss v. 17.6.2008, 1 ABR 20/07[2]).

 

Rz. 119b

Soweit es um die Besetzung von Stellen mit Fremdpersonal geht, gilt nichts anderes. Externe Bewerber sind generell von der Stellenbesetzung bei der Antragstellerin (als Vertragsarbeitgeberin) ausgeschlossen. Auch hier konkurrieren nicht arbeitssuchende oder arbeitslose Schwerbehinderte mit anderen externen Bewerbern. Für beide externen Bewerbergruppen gibt es nur die Möglichkeit, über das Verleihunternehmen eingestellt und über dieses dann als Leiharbeitnehmer bei der Antragstellerin tätig zu werden. Eine Besserstellung dahingehend, dass der Arbeitgeber von einer unternehmerischen Entscheidung, nur mit betriebsinternen Mitarbeitern oder Fremdpersonal zu arbeiten, im Falle von externen schwerbehinderten Bewerbern abrücken und für diese eine Ausnahme machen müsste, kann nicht verlangt werden, weshalb dann auch der Betriebsrat seinen Widerspruch nicht auf diesbezüglich unterbliebene Bemühungen nach § 164 SGB IX stützen kann.

[1] NZA 2010, 1361.
[2] NZA 2008, 1139.

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