1 Vorbemerkungen

 

Rz. 1

Dem Betriebsrat ist neben § 96 BetrVG ein besonderes Beratungs- und Vorschlagsrecht bei der Errichtung und Ausstattung betrieblicher Berufsbildungseinrichtungen, bei der Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und für die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen eingeräumt. Mit der BetrVG-Novelle 2001 wurden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit Einrichtungen und Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung noch weiter gestärkt[1]. Über das nach dem bis dahin geltenden Recht geltende Mitbestimmungsrecht hinaus sieht der neu geschaffene Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen ein eigenständiges Mitbestimmungsrecht auch bei der Einführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen vor. Dieses Mitbestimmungsrecht ist indes an tätigkeitsändernde Maßnahmen des Arbeitgebers geknüpft, die ein Qualifikationsdefizit der betroffenen Arbeitnehmer zur Folge haben[2]. Die in § 97 BetrVG ursprünglich enthaltene Vorschrift wurde zu Abs. 1 und durch das in Abs. 2 neu geschaffene Mitbestimmungsrecht ergänzt. § 97 Abs. 2 BetrVG sieht im Fall der Durchführung von Veränderungen durch den Arbeitgeber, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändern wird und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht mehr ausreichen, vor, dass der Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen hat. Im Falle der Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle. Das als Initiativrecht formulierte Mitbestimmungsrecht umfasst – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – auch die Befugnis, geplanten Maßnahmen des Arbeitgebers zu widersprechen[3].

[1] Vgl. Fitting, § 97 Rz. 2.
[2] Fitting, § 97 Rz. 2.
[3] Schiefer/Worzalla, NZA 2011, 1396, 1402.

2 Beratungspflicht (Abs. 1)

 

Rz. 2

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Betriebsrat rechtzeitig und eingehend zu beraten, sofern er betriebliche Einrichtungen der Berufsbildung errichten und ausstatten will (z. B. Lehrwerkstatt, betriebliches Bildungszentrum). Die vorherige Beratungspflicht besteht zudem bei der Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen, sowie hinsichtlich der Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen. Eines ausdrücklichen Verlangens durch den Betriebsrat bedarf es insoweit nicht; der Arbeitgeber ist also auch ohne Aufforderung gehalten, mit dem Betriebsrat über die geplante Einführung der in der Vorschrift genannten Maßnahmen zu beraten. Dieser Grundsatz gilt entsprechend, sofern der Arbeitgeber die Änderung bereits bestehender Einrichtungen beabsichtigt.

 

Rz. 3

Dem Betriebsrat steht indes kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zur Schaffung derartiger Einrichtungen und der Bereitstellung finanzieller Mittel zu. Die Investitionsentscheidung verbleibt ebenso vollständig beim Arbeitgeber, wie die Befugnis zu Anweisungen an die auszubildenden Arbeitnehmer im Einzelfall[1]. Zudem entscheidet der Arbeitgeber allein darüber, ob er betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen einführen will oder Arbeitnehmer an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen teilnehmen sollen. Werden für letztgenannte Maßnahmen Arbeitnehmer freigestellt oder trägt der Arbeitgeber – zumindest teilweise – die Kosten dafür, so bestimmt der Betriebsrat bei der Auswahl der Arbeitnehmer gemäß § 98 Abs. 3, 4 BetrVG mit. Hierbei ist mit Blick auf § 2 Abs. 1 Ziff. 3. AGG zu beachten, dass infolge der vorzunehmenden Auswahl bestimmte, dem Diskriminierungsschutz unterfallende Arbeitnehmer nicht unmittelbar benachteiligt werden. Ihnen ist nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere auch der Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsbildung zu ermöglichen.

[1] Fitting, § 97 Rz. 4; Kleinebrink, ArbRB 2014, 241, 242.

3 Maßnahmen der betrieblichen Fortbildung

 

Rz. 4

Gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat nunmehr berechtigt, vom Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung (vgl. § 96 BetrVG) zu verlangen. Folgende Voraussetzungen müssen dann gegeben sein:

  • Der Arbeitgeber hat technische Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe oder Arbeitsplätze geplant, die zur Folge haben, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändern wird.
  • Die damit verbundenen Änderungen müssen so nachhaltig sein, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
 
Praxis-Beispiel

Mehrere angelernte Arbeitnehmer arbeiten an einer Produktionsmaschine Baujahr 1970. Der Arbeitgeber beabsichtigt, die – im Ergebnis unveränderte – Produktion durch eine moderne Maschine fertigen zu lassen, deren Bedienung PC-Grundkenntnisse verlangt. Der Arbeitgeber ist – sofern der Betriebsrat sein Recht nach § 98 Abs. 2 BetrVG ausübt – verpflichtet, für die Arbeitnehmer eine geeignete Fortbildungsmaßnahme durchzuführen.

Die Feststellung, ob die Kenntnisse oder Fähigkeiten eines betroffenen Arbeitnehmers ausreichen, ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Auf die subjektive Sicht des Arbeitnehmers kommt es...

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