Rz. 6

Von hoher praktischer Relevanz ist die Abgrenzung zwischen zulässigen Fragen und einem nicht statthaften Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Befragten. Insoweit verbietet sich eine pauschale Grenzziehung. Geboten ist vielmehr die Abwägung und Balancierung der berechtigten Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diese Grenze ist für sämtliche Beteiligten zu beachten, die (möglicherweise) an der Aufstellung eines Fragebogens beteiligt sind. Dies sind Arbeitgeber, Betriebsrat, Einigungsstelle sowie – im Streitfall – das Arbeitsgericht. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen: Der Arbeitgeber ist hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Bewerbers bzw. Arbeitnehmers frage- und auskunftsberechtigt, sofern und soweit im Hinblick auf die Tätigkeit ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers besteht (BAG, Urteil v. 20.2.1986, 2 AZR 244/85[1]). Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, unzulässige Fragen überhaupt oder wahrheitsgetreu zu beantworten. Beantwortet der Arbeitnehmer eine unzulässige Frage des Arbeitgebers wahrheitswidrig, ist dieser nicht berechtigt, den Anstellungsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB anzufechten.

Im Einzelnen sind folgende Fragen zulässig:

 

Rz. 6a

Nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18.8.2006 ist die umfangreiche Rechtsprechung zum Fragerecht des Arbeitgebers mit besonderer Sorgfalt zu studieren. Mit Blick auf die im AGG definierten Diskriminierungsmerkmale (v. a. Behinderung, Geschlecht) müssen die bisherigen Gerichtsentscheidungen stets kritisch hinterfragt werden[2]. Dementsprechend ist auch der Betriebsrat unmittelbar gefordert, im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts die Bedeutung des AGG zu berücksichtigen. Die Einführung des AGG lässt indes nach ganz herrschender Auffassung das dem Bewerber von der Rechtsprechung zuerkannte "Recht zur Lüge" bei der Beantwortung unzulässiger Fragen des Arbeitgebers unberührt[3]. Dem Bewerber kann nicht zugemutet werden, im Fall unzulässiger Fragen zur wahrheitsgemäßen Antwort gezwungen und dann auf den ihm ggf. zustehenden Entschädigungsanspruch nach dem AGG verwiesen zu werden.

[1] NZA 1986, 739.
[2] Vgl. aber Rz. 17.
[3] Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 170 m. w. N.

2.2.1 Persönliche Verhältnisse

 

Rz. 7

Fragen nach Wohnort, Geburtsdatum, Familienstand und Zahl der Kinder sind bereits deshalb zulässig, um dem Arbeitgeber die ordnungsgemäße Abwicklung und Abrechnung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen. Grundsätzlich unzulässig sind jedoch Fragen nach einer Religions- oder Parteizugehörigkeit oder der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft[1]. Etwas anderes gilt ausnahmsweise für Tendenzbetriebe wie Religionsgemeinschaften, Parteien oder Gewerkschaften.

2.2.2 Weitere Beschäftigungen

 

Rz. 8

Die Frage nach weiteren Beschäftigungen ist grundsätzlich zulässig und vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten. Dies dürfte auch für die Frage an den im Rahmen eines sog. „450 EUR-Jobs” Beschäftigten nach weiteren geringfügigen Beschäftigungen gelten. In der Vergangenheit hatte die Rechtsprechung eine Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers wegen vom Arbeitgeber nach zu entrichtender Arbeitgeberanteile zu den gesetzlichen Sozialversicherungen verneint, auch wenn der Arbeitnehmer auf ausdrückliches Befragen eine weitere geringfügige Beschäftigung verschwiegen hatte (ArbG Bonn, Urteil v. 8.1.1993, 4 Ca 2365/92[1]). Wegen der mit dem sog. Korrekturgesetz eingeführten Änderungen des § 7 Abs. 4 SGB IV und der mit der mehrfachen Beschäftigung in Arbeitsverhältnissen geringfügig Beschäftigter verbundenen erheblichen sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen für die Arbeitgeber, kann diese Rechtsprechung jedoch nicht aufrechterhalten werden.

[1] BB 1993, 794.

2.2.3 Berufliche Fähigkeiten

 

Rz. 9

Fragen zu den beruflichen Fähigkeiten, insbesondere nach Kenntnissen, Erfahrungen, nach dem bisherigen schulischen und beruflichen Werdegang sowie nach Zeugnis- und Prüfungsnoten, dürfen uneingeschränkt gestellt werden.

2.2.4 Behinderungen

 

Rz. 10

Das Fragerecht des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft ist seit Geltung des AGG ohne einen konkreten Bezug zur Tätigkeit nicht mehr gegeben. Nur in dem Fall, in dem sich der Arbeitgeber nach der konkreten Eignung des Bewerbers für die zu vergebende Tätigkeit erkundigt, ist ihm das Fragerecht zuzustehen. Dem Arbeitgeber steht das Fragerecht demnach dann zu, wenn die körperliche Unversehrtheit zwingende Voraussetzung für die ausgeschriebene Tätigkeit ist. Dies ergibt sich aus dem Benachteiligungsverbot des AGG und aus § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BDSG. Es ist auf den Umfang begrenzt, der mit der konkret zu besetzenden Tätigkeit in engem Zusammenhang steht. Der schwerbehinderte Mensch ist demzufolge im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf Befragen nicht mehr uneingeschränkt zur Offenbarung seiner Schwerbehinderteneigenschaft, bzw. zur Auskunft darüber verpflichtet, ob er bei einer zuständigen Stelle einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hat. Der nach ein...

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