Rz. 60

Zweck der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist es, die Arbeitnehmer über den Betriebsrat an der Entscheidung über die Lage ihrer Arbeitszeit teilhaben zu lassen. Der Betriebsrat soll die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung bringen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dient aber (anders als § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) nicht dem Schutz der Arbeitnehmer vor Überforderung (BAG, Beschluss v. 28.5.2002, 1 ABR 40/01[1]). Das Mitbestimmungsrecht beschreibt mehrere Angelegenheiten:

  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
  • Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage
  • Festlegungen zu Pausen

Ob darüber hinaus auch die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit der Mitbestimmung unterliegt, ist zwar in der Lehre umstritten, wird aber vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung eindeutig verneint (z. B. BAG, Beschluss v. 13.10.1987, 1 ABR 10/86[2]; BAG, Beschluss v. 28.9.1988, 1 ABR 41/87[3]; BAG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 ABR 35/97[4]; BAG, Beschluss v. 30.10.2001, 1 ABR 8/01[5]; BAG, Beschluss v. 22.7.2003, 1 ABR 28/02[6]; BAG, Beschluss v. 24.1.2006, 1 ABR 6/05[7]; BAG, Beschluss v. 15.5.2007, 1 ABR 32/06[8]). Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wird das Mitbestimmungsrecht für die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit eingeräumt. Daraus lässt sich im Gegenschluss entnehmen, dass über diese Ausnahmeregelung hinaus das Volumen der Arbeitszeit nicht mitbestimmungspflichtig ist. Sofern es sich hinsichtlich der Dauer und des Umfangs um eine nicht unerhebliche Erweiterung der arbeitsvertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit eines im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers handelt, liegt allerdings eine neuerliche Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor (BAG, Beschluss v. 15.5.2007, 1 ABR 32/06[9]).

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst nicht die Zuweisung der innerhalb der maßgeblichen Arbeitszeit von den Arbeitnehmern zu verrichtenden Tätigkeiten, so ausdrücklich BAG, Beschluss v. 29.9.2004, 1 ABR 29/03[10]; BAG, Beschluss v. 13.3.2007, 1 ABR 22/06.[11]

 

Rz. 61

Entscheidend für den Umfang des Mitbestimmungsrechts ist, welche Zeiten zur "Arbeitszeit" zählen. "Arbeitszeit" im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. In der Arbeitszeit soll der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen. Mitbestimmungspflichtig ist folglich eine Änderung der Lage der Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit außerhalb des festgelegten Zeitraums erbringt oder erbringen soll (BAG, Beschluss v. 14.11.2006, 1 ABR 5/06[12]). Einzubeziehen sind Zeiten der Arbeitsbereitschaft, des Bereitschaftsdienstes (zur Frage inwieweit der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit im Sinne des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrechts zählt, siehe BAG, Beschluss v. 18.2.2003, 1 ABR 2/02[13]; zur Frage, ob Betriebsvereinbarungen gegen nationales oder europäisches Arbeitszeitrecht verstoßen können, wenn sie selbst keine Regelungen über die konkrete Ausgestaltung der Dienst- und Bereitschaftspläne enthalten, siehe BAG, Beschluss v. 18.2.2003, 1 ABR 17/02BB 2003, 1960[14], wo die Frage verneint wird. Dass sich aus dem Bereitschaftsdienst nicht automatisch die Verpflichtung ergibt, diese wie Vollarbeitszeit zu vergüten, ergibt sich aus BAG, Urteil v. 28.1.2004, 5 AZR 530/02[15]. Siehe ferner: EuGH, Urteil v. 9.9.2003 in der Rechtssache C 151/02 zur arbeitszeitrechtlichen Einordnung des Bereitschaftsdienstes in Deutschland – Näheres dazu unter dem Stichwort Bereitschaftsdienst) und der Rufbereitschaft (zu Letzterer siehe BAG, Beschluss v. 21.12.1982, 1 ABR 14/81 und BAG Beschluss v. 29.2.2000, 1 ABR 15/99[16]). Es kommt nicht darauf an, ob für diese Zeiten eine Vergütungspflicht besteht. Allerdings scheidet das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aus, wenn es sich um Reisezeiten handelt und während der Reise keine Arbeitsleistung zu erbringen ist (BAG, Beschluss vom 23.7.1996, 1 ABR 17/96[17]; BAG, Beschluss v. 14.11.2006, 1 ABR 5/06[18]). Die Nutzung freier Tage durch die Arbeitnehmer ist ebenfalls keine Regelung der Arbeitszeit (BAG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 ABR 35/97[19]). Zur Frage, ob Umkleiden, Waschen und sonstige Rüstzeiten zur Arbeitszeit zählen (siehe BAG, Urteil v. 11.10.2000, 5 AZR 122/99[20]). Speziell zur Frage des Umkleidens hat sich das BAG mehrfach geäußert. So ist das An- und Ausziehen von Firmenkleidung Arbeitszeit im Sinne dieses Mitbestimmungstatbestands, wenn die Kleidung besonders auffällig ist und deshalb nicht bereits auf dem Arbeitsweg getragen werden braucht (BAG, Beschluss v. 10.11.2009, 1 ABR 54/08[21]; BAG, Beschluss v. 17.11.2015, 1 ABR 76/13). Bei dem An- und Ablegen einer auffälligen Dien...

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