Rz. 56

Im Folgenden werden einige bislang noch nicht genannte Beispiele aus Literatur und Rechtsprechung aufgeführt.

 
Praxis-Beispiel

Beispiele:

(ja = mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

nein = nicht mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)

  • ja: Arbeitskleidung, soweit Arbeitgeber nicht den reinen Vollzug staatlicher Vorschriften (etwa Hygienevorschriften) verlangt und Regelungsspielräume für kollektive Vorgaben verbleiben (BAG, Beschluss v. 8.8.1989, 1 ABR 65/88[1]; BAG, Urteil v. 1.12.1992, 1 AZR 260/92[2]). Jedenfalls besteht Mitbestimmungspflicht, wenn durch Arbeitskleidung für ein einheitliches Erscheinungsbild gesorgt werden soll (BAG, Beschluss v. 13.2.2007, 1 ABR 18/06[3]). Sieht ein Spruch der Einigungsstelle vor, dass Arbeitnehmer zum Zwecke der guten Erkennbarkeit eine besonders auffällige Dienstkleidung zu tragen haben, ist darin zugleich eine Regelung über Umkleidemöglichkeiten im Betrieb zu treffen. Der Arbeitgeber kann die Arbeitnehmer nicht darauf verweisen, sich auf den Toiletten umzukleiden oder die Dienstbekleidung zu Hause anzuziehen und den Arbeitsweg darin zurückzulegen (BAG, Beschluss v. 17.1.2012, 1 ABR 45/10). Arbeitgeber und Betriebsrat haben bei Regelungen über die Dienstkleidung in einer Betriebsvereinbarung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (hier Kopfbedeckung für Personal einer Fluggesellschaft, BAG, Urteil v. 30.9.2014, 1 AZR 1083/12).
  • Streitig ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob in einer Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern Kosten für die Reinigung und Instandhaltung der sog. Imagekleidung aufgebürdet werden können. Das BAG hat die Frage verneint (BAG, Urteil v. 1.12.1992, 1 AZR 260/92[4]; siehe auch BAG, Urteil v. 17.2.2009, 9 AZR 676/07); noch nicht höchstrichterlich geklärt: Verbot von privaten (politischen) Buttons, aber LAG Hamm, Beschluss v. 26.5.2008, 10 TaBV 51/08.
  • ja: Erlass eines Alkoholverbots (BAG, Urteil v. 11.8.1993, 10 AZR 558/92[5]).
  • ja: Erlass eines Rauchverbots, soweit damit nicht abschließende, zwingende gesetzliche Vorgaben (etwa aus der Arbeitsstättenverordnung o. Ä.) vollzogen werden (BAG, Urteil v. 19.1.1999, 1 AZR 499/98[6]).
  • ja: Regelung über die Benutzung des Telefons oder PCs zu privaten Zwecken. Allerdings haben die Arbeitnehmer darauf keinen Anspruch. Der Betriebsrat kann daher eine derartige Regelung nicht verlangen. Hat sich der Arbeitgeber aber freiwillig dazu entschieden, kann die Ausgestaltung unter dem Gesichtspunkt des Ordnungsverhaltens mitbestimmungspflichtig sein.[7] Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für Vorschriften über das Radiohören im Betrieb, Nutzung eines Smartphones, Singverbote, Benutzungsregelungen für Wasch- und Umkleideräume, Fahrradstellplätze, Parkplätze. Beispiel Parkplätze: Hier bleibt mitbestimmungsfrei die Lage und der Umfang der Parkplätze, die Nutzungsdauer und die generelle Festlegung des Kreises der Parkberechtigten.[8] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Festlegung der Nutzungsbedingungen von Parkflächen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für das Abstellen ihrer Privat-Pkw zur Verfügung stellt, mitzubestimmen (BAG Beschluss v. 7.2.2012, 1 ABR 63/10). Für alle weiteren Ordnungsvorschriften, etwa unter welchen Voraussetzungen Fahrzeuge abgeschleppt werden können, ist die Mitbestimmungspflicht anzunehmen.[9]
  • ja: Verlassen des Betriebs während der Pausen (BAG, Urteil v. 21.8.1990, 1 AZR 567/89[10]) – wobei hier § 75 Abs. 2 BetrVG zu beachten ist und für eine solche Regelung eine besondere Rechtfertigung bestehen muss.
  • ja: Regelungen zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. § 5 Abs. 1 Satz 3 EntgFG eröffnet dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem vierten Tag nachzuweisen ist. Bei dieser Regelung hat der Betriebsrat mitzubestimmen (BAG, Beschluss v. 25.1.2000, 1 ABR 3/99[11]). Kein Mitbestimmungsrecht besteht, wenn die Anordnung nur einen einzelnen Arbeitnehmer betrifft, weil es dann an einem kollektiven Bezug fehlt (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 3.12.2021, 12 TaBV 74/21; BAG Beschluss v. 15.11.2022, 1 ABR 5/22).
  • betriebliches Eingliederungsmanagement: Ein Mitbestimmungsrecht nach Nr. 1 kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus Nr. 1 ergeben (BAG, Beschluss v. 13.3.2012, 1 ABR 78/10).
  • ja: Einführung von Namensschildern bei Fahrpersonal (BAG, Beschluss v. 11.6.2002, 1 ABR 46/01[12]). Die Entscheidung dürfte sich generell auf die Einführung von Namensschildern im Dienstleistungssektor verallgemeinern lassen.
  • ja: Festlegung einer Fremdsprache als Betriebssprache (LAG Köln, Beschluss v. 9.3.2009, 5 TaBV 114/08)[13]
  • nein: Weisung an einen Krankenpfleger, an Arzneimittelprüfungen teilzunehmen (BAG, Urteil v. 10.3.1998, 1 AZR 658/97[14]).
  • nein: Weisung, Vornamen in Geschäftsbriefen anzugeben (BAG, Beschluss v. 8.6.1999, 1 ABR 67/98[15]).
  • nein: Anordnung über die Führung von Tätigkeitsberichten (BAG, Beschluss v. 24.11.1981, 1 ABR 108/79[16]).
  • nein: Ausfüllen von Überstu...

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